Thilo Thielke / 21.02.2016 / 12:30 / 4 / Seite ausdrucken

Zu Besuch im Elend: Jetset des Grauens

Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis, sagt man. Susanne Wolff, eine bis dahin eher unbekannte Aktrice, die kürzlich neben Bastian Pastewka in einer ZDF-Mini-Serie mitspielte, reicht das nicht – sie „würde gerne nach Ciudad Juárez in Mexiko ziehen, das ist eine der gefährlichsten Städte der Welt“. So hat sie das einem Journalisten der „Zeit“  erzählt; ihr sei oft langweilig.

In der gefährlichen Stadt will sie später „Gangster werden und im Untergrund leben“. Sie meint, sie könne das: „Ich wäre wohl ganz gut darin, schließlich bin ich ja lange auf die Schule der Verstellung gegangen. Eine falsche Identität annehmen, in ein Drogenkartell einsteigen und dann dort aufsteigen – das wäre ein Traum!“

Um ihre Rolle dann so auszufüllen, wie sie das an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover gelernt hat, müßte sie in Mexiko wohl auch ein paar Leute massakrieren, aber das hat sie nicht so gesagt, das muß man sich dazudenken.

Ich nehme aber an, daß den Mexikanern der Besuch erspart bleibt. Der Blödsinn, den sie da von sich gab, war wohl nur dazu gedacht, die Leser der betulichen Wochenzeitung ein bißchen zu erschrecken.

Andere Länder haben es nicht so leicht, sich dem Andrang orientierungsloser Mimen zu entziehen. Jahrelang irrten Leute wie Mia Farrow und George Clooney durch Darfur, um sich arme Leute anzugucken und wirre Statements zum Krieg abzugeben – dabei kennen sie den nur aus den Hollywoodinszenierungen, in denen sie ketchupverschmiert durch die Kulissen rennen, während neben ihnen Chinaböller explodieren.

Es gibt Elendsgebiete, da bekommt man kaum noch ein bezahlbares Hotelzimmer wegen des starken Andrangs. Goma im Ostkongo ist so ein Ort, mit dem Taxi von Kigali aus schon in drei, vier Stunden relativ leicht erreichbar – aber ein Name wie Donnerhall.

Natürlich war der Clooeneyschorsch auch schon dort. In einem Krankenhaus habe er eine vergewaltigte und schwer misshandelte Frau kennengelernt, erzählte er brühwarm der „Bild“ und freute sich über den Nervenkitzel: „Wenn ich danach ins Flugzeug steige, danke ich Gott, dort nicht leben zu müssen.“

Hannes Jaenicke war natürlich auch schon da – um Gorillas zu retten und etwas Spannendes in der „Hörzu“ zu schreiben: „Ich lande im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Immer wieder gibt es in dieser Region Unruhen. Seit Jahren tobt hier einer der grausamsten Bürgerkriege des Kontinents. Jedes Kind weiß, wie man mit einer Waffe umgeht.“

Jörg Pilawa hat im Ostongo mit der „Bild“ im Schlepptau gleich geheiratet: „Der Urwald dampft ... zur Trauung gab's vom König eine Kopfnuß.“ Katja Riemann und Angelina Jolie schauten früher auch häufiger mal vorbei.

Im Moment interessiert sich für das Sterben in Darfur aber keine Sau mehr, und auch Goma ist nicht mehr en vogue. Und was sollen die Jetsetter des Grauens jetzt tun, um mal wieder ins Fernsehen zu kommen? 

Sie müssen nur George Clooney folgen. Zuletzt wurde er mit Merkel im Berliner Kanzleramt gesichtet. Das ist das neuste Elendsgebiet – zwar nicht gefährlich, aber zum Gruseln.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Mwamie Seraphin Ngulu / 21.02.2016

Die folgenden beiden Links sollten nach Möglichkeit korrigiert werden: http://http//www.unicef.de/ueber-uns/prominente-fuer-unicef/-/katja-riemann/32410 http://http//www.bild.de/unterhaltung/leute/angelina-jolie/hollywood-star-besucht-opfer-sexueller-gewalt-im-kongo-29674090.bild.html Danke!

Dietrich Herrman / 21.02.2016

Gegen Langeweile hilft ein probateres Mittel: Ein gutes Buch. Was Frau Wolff, die ich als Schauspielerin außerordentlich schätze, vielleicht nicht weiß: Der Trend geht inzwischen zum Zweitbuch.

Jürgen Sterzenbach / 21.02.2016

Herrlich, so muss Satire! – Eine Anmerkung zum “Elendsgebiet” Kanzleramt, denn es ist dort vielleicht doch nicht ganz ungefährlich. Ich war im letzten Jahr im Sommer einmal mit einer Besuchergruppe dort – im letzten Moment, bevor es gruselig wurde. Das Bauwerk ist rein ästhetisch gesehen fantastisch. Es verfügt über eine großartige Architektur und erlesene Kunst. Aber im Nachhinein komme ich ins Grübeln. Man genießt dort eine äußerst großzügige Atmosphäre und fühlt sich fast wie in einem Raumschiff. Diese räumliche Distanz zur Wirklichkeit im Land mag vielleicht manches erklären, was die Commanderin derzeit tut und lässt und was heute vielen Beobachtern so unerklärlich erscheint. Die Hauptstadtpolitiker und Hauptstadtjournalisten befinden sich übrigens in einer vergleichbar abgehobenen Situation. PS: Zwischen Kanzleramt und Reichstag ist ausreichend Platz, um einige Flüchtlingscontainer aufzubauen. Das erdet.

Presseversteher / 21.02.2016

Im Drogenkartell Mexikos Menschen umbrigen ist envogue, die Grenzen des eigenen Landes notfalls, aber nur notfalls mit Waffen zu sichern ist pfui. Oder gab es einen Aufschrei in der Presse, dass die Aktöse auf Menschen schießen möchte? Kinder, so sehen Dekadenz und spätrömische Verhältnisse aus.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Thielke / 26.09.2017 / 16:30 / 6

Wie der Herr, so das Gescherr. Kardinal Woelki und seine Trolle

Helden sind sie ja nicht gerade, unsere Pfaffen. Als Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und sein evangelischer Kollege Heinrich Bedford-Strohm vor einiger Zeit gut…/ mehr

Thilo Thielke / 05.06.2017 / 18:35 / 8

Selber schuld, die Engländer!

Eine Meldung, die fast untergegangen wäre: "bento", das Magazin für kleine "Spiegel"-Leser, hat herausgefunden, warum die Islamisten in London morden mußten: Keiner wollte mit ihnen…/ mehr

Thilo Thielke / 12.05.2017 / 12:00 / 8

Endlich wird mal wieder gesäubert. Danke Ursel!

Von Thilo Thielke. Endlich wird die Bundeswehr gesäubert. Ich habe lange darauf gewartet. Mir war das immer klar, daß da was schiefläuft. Aber: Wie konnte…/ mehr

Thilo Thielke / 12.04.2017 / 12:50 / 10

Hau den Lukas! Her mit der Namens-Gerechtigkeit!

Gerade habe ich gelesen, daß der Name Mohammed schwer im Kommen ist in Deutschland, allerdings noch hinter den männlichen Vornamen Elias, Alexander, Maximilian und Paul…/ mehr

Thilo Thielke / 07.04.2017 / 13:06 / 14

Schreiben sie drauf los! Recht Schreibung ißt dof

Von Thilo Thielke. Um unser Bildungssystem steht es bekanntlich nicht sehr gut. Im internationalen Vergleich rangiert das deutsche Abitur nur noch knapp über Ramschniveau. Zwei…/ mehr

Thilo Thielke / 02.04.2017 / 17:16 / 4

Gute Geschichte, richtiges Opfer, falsche Täter

In Berlin-Friedenau wird ein jüdischer Schüler von Klassenkameraden gewürgt, bedroht und beschimpft, dass er schließlich die Schule verlässt. Also, wenn das keine Story ist! Natürlich berichtet…/ mehr

Thilo Thielke / 31.03.2017 / 10:20 / 5

Falsches Lied am falschen Tag, sonst alles ok

Ein großes Bohei wurde kürzlich darüber gemacht, dass englische Fußballfans beim Länderspiel in Dortmund ein „Weltkriegslied“ angestimmt haben – „und das am Tag des Anschlags von…/ mehr

Thilo Thielke / 15.03.2017 / 15:08 / 8

Ein Horrortrip durch das Land der Fremdenfeinde

Riesenstory neulich, die aber fast untergegangen wäre. Nur ein paar Nischenmedien haben die Brisanz erkannt. Es fing ja auch eher harmlos an. Da sei in…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com