Thilo Schneider / 09.10.2023 / 06:50 / Foto: martinak15 / 98 / Seite ausdrucken

Eine etwas andere Wahlnachlese

Eigentlich ist zu den beiden Landtagswahlen gestern schon wieder alles gesagt, nur noch nicht von mir. Daher meine Wahlnachlese, da müssen Sie und ich jetzt durch.

Für Bayern und Hessen ist nämlich gestern eine Ära zu Ende gegangen: Die Grünen sind nicht mehr zweitstärkste Partei – obwohl sie sich doch genau deswegen stets als „Mitte der Gesellschaft“ verorteten, auch, wenn sie die Einzigen waren, die sich dort verordneten und abgeordneten. 

Schlaue Analysen, welche Wähler wohin gewandert sind und ob sie da mit der Seilbahn hingefahren sind und welche Getränke sie in der Wanderhütte zu sich genommen haben, erspare ich mir. Ich erinnere mich gerne an die Worte von Ludwig Hartmann auf X, damals, am Samstag, nachdem die Grünen klugerweise Katharina Schulze auf „lautlos“ geschaltet und öffentlich gemutet hatten: „Am Sonntag heißt es: aufstehen, zu Wahl gehen und #allestimmengrün! Für ein weltoffenes und mutiges #Bayern. Für Anstand und Haltung!“ (Rechtschreibfehler aus dem Original übernommen)

Mit anderen Worten: Wer nicht #allestimmengrün gibt, ist engstirnig, feige, unanständig und ungehalten. Also 85,6 Prozent aller Wähler. Macht nichts, 14,4 Prozent aller „Wählenden“ waren ja trotzdem weltoffen, mutig, anständig und hatten die richtige Haltung. Auch, wenn Kerosin-Katha und Lustig-Ludwig eine satte Klatsche von minus 3,2 Prozent eingeheult haben, so ist dies doch immer noch, laut Grünen-Spitzen, „das historisch zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der Grünen in Bayern“. Das muss man ja auch mal so sehen. In der Geschichte der Bundesrepublik hat die DDR ja auch am zweitlängsten bestanden. Und manchmal kommt sowas ja auch wieder. 

Ein hervorragendes Minus von 5 Prozent 

Gewonnen haben die Grünen auch in Hessen, wo sie ein fantastisches Ergebnis von 14,8 Prozent mit einem hervorragenden Minus von 5 Prozent eingefahren haben. Das übertrifft sogar das Minus der SPD mit 4,7 Prozent, und die hatten immerhin mit Nancy Faeser eine Kandidatin am Start, von der man durchaus höhere Verluste hätte erwarten dürfen. Nicht einmal krachend verlieren kann sie, die Rechtsnachverfolgerin der SPD. Omnid Nouripour, Vourtourner der Mensch:innen mit Anstand und Haltung, sieht darin übrigens keine Wechselstimmung, sondern bezeichnet die Ergebnisse in Bayern und Hessen als „stabil“. Ja, das kann man auch so sehen. Wenn man politisch blind ist. Immerhin sind die Grünen in beiden Landtagen vertreten. In Hessen womöglich sogar wieder als kleiner Partner der mit einem satten Plus ausgestatteten CDU unter Boris Rhein, der als Sieger am Wahlabend sinngemäß in breitestem Büttenredenhessisch verkündete, dass „die hessischsche CDU einen klare Wehlerauftrach bekomme hat und als CDU mit Wehlerauftrach auch klar den Ministerpräsidente schtelle wird, weil des Ergebnis klar zeischt, dass die CDU den Wehlerauftrach zum Regiere gekriescht hat!“ Wer hat den Wehlerauftrach? Ei, die CDU, gell? „Mit dem Erfolsch auf Du und Du, is die Hesse-CDU“. Wolle mer se noilosse? Tätää.

In einem Anfall von geradezu rührendem Realitätsverlust (nicht, dass das jetzt neu wäre) haben sich die Grünen in Bayern übrigens gleich nach Bekanntwerden ihres historisch zweitbesten Ergebnisses Markus Söder an den Kragen geworfen und bieten ihm „eine Zusammenarbeit an“. Auf die Frage einer aufrechten Reporterin des öffentlich-redlichen Fundsrunks, ob für Söder auch eine Koalition mit den Grünen infrage käme, antwortete dieser sinngemäß mit: „Muhahahaha – eh: Nein.“ Gut, man wird ja wohl noch fragen dürfen, ob da nicht doch, vielleicht, eventuell…?

Katzenjammer dagegen bei der SPD, beispielsweise in Bayern: „Wir konnten mit unseren Themen kostenlose Kitaplätze und kostenintensive Allgemeinplätze nicht zum Wähler durchdringen“, sagt ein sichtlich verknirschter und verknautschter Florian von Brunn der Presse. Ja, sieht so aus, Flori. Und woran lag’s? Natürlich am „populistischen Wahlkampf von Markus Söder“. Klar, woran auch sonst? Und auf die Frage, was nun aus ihm wird, antwortet er: „Wir werden die Ergebnisse jetzt in den Gremien ausführlich analysieren“ und natürlich ist es jetzt „nicht an der Zeit, über Personalien zu diskutieren“ und überhaupt und soundso, dies, das, Ananas. Und weder in Wiesbaden noch in Berlin wird man bei der SPD über Nancy Faeser diskutieren, denn sie hat, laut Kevin dem Kühnert, und „da kann ich für die gesamte Parteispitze sprechen“, „unseren klaren Rückhalt als Bundesinnenministerin.“ Wann spricht Scholz Faeser sein volles Vertrauen aus? 

Mehr so Richtung „Sieger der Herzen“

Im Übrigen, so bemerkt der Ultra-Kevin, „sind wir heute Abend ausdrücklich nicht die Wahlsieger“. Ja, liebe SPD, das seid Ihr aber sowas von ausdrücklich nicht. Das habt Ihr voll richtig gemerkt. Mehr so Richtung „Sieger der Herzen“. Aber, so tröstet Kühnert uns alle und sich: „Wir sollten die Signale alle miteinander in der Ampelkoalition erkennen: In diesem Wahlergebnis liegt auch eine Botschaft für uns.“ Genau. Wir mögen zwar ausdrücklich nicht die Wahlsieger sein, die anderen beiden Ampelparteien sind es aber ausdrücklich auch nicht. Geteilte Niederlagen und geteilte Mandate sind nur eben zwar nur so halbe Niederlagen, aber immer noch geteilte Mandate. 

Apropos Gewinner der Herzen: Reden wir über die Partei der Freiheit, des Muts und des Fortschritts und der einzig wahren Opposition in der Regierung: Die Splitterpartei FDP. Da wir ja positiv sein wollen: In Bayern hat es der am Tode der FDP unschuldige Martin Hagen geschafft, mehr Stimmen als die Tierschutzpartei zu sammeln. ´S hat nur eben leider nicht auf die 5 Prozent gereicht, in Hessen weiß man es bei der Entstehung dieses Artikels noch nicht. Briefwahlstimmen sind ja eh so ein Sonderthema, bei dem die FDP immer ganz gut abschneidet, weil ihre Klientel lieber in richtigen Lokalen statt in Wahllokalen sitzt und es außerdem (Klischee! Klischee!) kein Parkplatz für den Porsche direkt vorm Eingang der Wahllokalität gibt. Außerdem weiß ich auch nicht, wie der FDP-Typ in Hessen heißt und sehe auch nicht ein, warum ich ihn kennen sollte. Das ist wohl das Hauptproblem der FDP. Warum greift sie auch nicht mal gelegentlich die sehr sehr dringenden und drängenden Problemfelder „Klimaschutz“ und „Digitalisierung“ auf? 

Dann gibt es noch eine Partei, die sowohl in Bayern, als auch in Hessen angetreten ist: die Freien Wähler, die aus Trotz in Bayern 4,3 Prozent zugelegt haben, weil die Bayern Mobbing und Mobber nicht ausstehen können und sowohl der Alpenprawda als auch übermotivierten SPD-Lehrern sehr gerne „einen mitgeben“ wollten. In Hessen gibt’s keinen Aiwanger, kein Erdinger, keine Flugblätter und keine 5 Prozent. Annernes Pflaster da, bei denne Hesse. Nochemal zur Erinnerung: Wer hat de Wehlerauftrach? Rischdiiiisch: Die CDU! Helau!

Das haben die Anderen gut gemacht

Tja. Und da gibt es noch eine Partei, die in beiden Bundesländern antrat und der heimliche Star des Abends ist: die AfD. Die einzige Partei, die in BEIDEN Bundesländern satte Zuwächse hatte, was aber irgendwie von den Medien nicht so richtig gewürdigt wurde, weil die viel zu sehr damit beschäftigt waren, armwedelnd die Verluste der Ampelianer zu relativieren und „einzuordnen“. Deswegen tue ich es hier. In Bayern drittstärkste, in Hessen zweitstärkste Partei. Herzlichen Glückwunsch. Das haben die Anderen gut gemacht. Wäre die Union nicht so dämlich gewesen, sich von SPD und Grünen vor die Brandmauer stellen zu lassen, hätte sie jetzt jede Menge strategische Optionen. So aber bleibt in Bayern alles beim Alten, dem Söder. In Hessen hat die CDU einen „klare Wehlerauftrach“, falls Sie es vergessen haben sollten. Lediglich der Wehlerauftrach an Grüne oder SPD (hihi), der eigentlich ein Wehlerauftrach für die AfD ist, ist noch nicht ganz ausbaldowert. 

…und bevor ich es vergesse: Die Dings, diese Antifa-Partei, die so gerne das Geld unter den Armen verteilt, die keine Beine mehr haben, die wo so gut im Brandmauerbau ist, Sie wissen schon, die eh… Egal. Spielt keine Rolle mehr. Wird unter „Sonstige“ geführt. 

Zunächst einmal möchte ich mich also bei allen unseren Wählerinnen und Wählern, die uns ihre Stimme und ihr Vertrauen geschenkt haben, herzlich bedanken. Mein besonderer Dank gilt aber all unseren Parteimitgliedern und Parteiohnegliederinnen, die mit uns einen fantastischen Wahlkampf unter schmierigsten Umständen geführt haben. Ohne Euch hätte es so weit nicht kommen dürfen.  

(Weitere unwählbare Artikel des Autors unter www.politticker.de

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Leserpost

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Hans Bendix / 09.10.2023

Nun, sehr geehrter Herr Dr. Lucas, es gibt ieS. keinen “harten Kern” bei den grünen Salonsozialisten. Das sind mehrheitlich die ehemaligen “Besserverdiener” der FDP, denen “Weltrettung” einen letzten Sinn in ihrem saturierten Dasein vermittelt. Mithin sind das (noch) die 10%, die glauben, daß sie die Weltrettung vorantreiben können, weil es sie in ihrer Lebensgestaltung (noch) nicht einschränkt. Die restlichen 5% sind Schulversager, die in der Oberstufe Physik abgewählt und das Abitur mit Fahrradfahren, Sozialkunde und Hauswirtschaft erworben haben.

Max Mütze / 09.10.2023

Auch Frau Esken kann schon kein Deutsch mehr: “Die Zugewinne der AFD,[...], ist für Deutschland katastrophal”...

Margit Broetz / 09.10.2023

Es ist unerträglich, daß die neubraune äh grüne Partei mit ihrer grenzdebilen Grinsetante immer noch fast 15% der Stimmen bekommt. Das sind 10% zuviel! Sind 15% der Bayern keine vernunftbegabten Wesen? #keinestimmegrün!

Gus Schiller / 09.10.2023

Immerhin hat die Innen-Nancy in ihrem Wahlkreis den dritten Platz belegt. Sieger CDU-Kandidat, zweite eine Grüne. Dann Nancy die Floppende mit sage und schreibe 14,8 %. Darauf eine Kanne Äppelwoi für das Zugpferd der SPD. So eine Granate müsste man aus der Partei ausschliessen.

Dr. Joachim Lucas / 09.10.2023

Was muss eigentlich noch geschehen, dass die Grünen unter 5% kommen? Offensichtlich gibt es bei allen totaltären Parteien einen harten Kern der unbelehrbar ist: ob bei Nationalsozialisten, Kommunisten oder Ökologisten.

Bernhard Böhringer / 09.10.2023

Lachen ist gesund.  : )  Danke dafür! Wenn auch die Projektionsfiguren etwas überbezahlt sind,

Albert Pelka / 09.10.2023

Wie konnte es so weit mit der guuuten FDP kommen, wo der Lindner doch so die Haare schön hat, und so teuer, verdammt? Diese aufwendige Echthaarinvestition spielt der doch nie mehr wirklich ein als angezählter FDP-Werbe-Beau mit Porsche-Sexappeal.

Tomas Wolter / 09.10.2023

Am Rande: Es liegt k e i n Rechtschreibfehler vor, Herr Schneider. Sowohl das Wort ,,zu“ als auch das Wort ,,Wahl“ sind richtig geschrieben. Wenn hier das Wort ,,zur“ vermisst wird, also ,,zur Wahl gehen“, dann handelt es sich um einen Grammatikfehler. D.h., der Verfasser kann die Präposition und das Substantiv nicht mit dem notwendigen Dativ ,,zur“ (Verschmelzung aus ,,zu“ und ,,der“) verbinden. Er beherrscht hier nicht den Bauplan der deutschen Sprache, ein Getriebe ohne Kupplung. Das ist schwerwiegender als ein Rechtschreibfehler. Kommt mittlerweile öfter vor.

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