Umweltministerin Barbara Hendricks hinterließ in der Öffentlichkeit bislang nur sehr dezente Spuren. Ihr Ministerium gilt nicht mehr viel, seit es sich nicht mehr um die Energiepolitik kümmern darf, also um die Förderung von Windrädern und Solaranlagen. Das verantwortet in der Großen Koalition Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Hendricks muss dieser Zustand gegrämt haben. Jedenfalls bastelte sie sich ein Thema, das sie wieder zurück in die Schlagzeilen führt: Die Rettung der Menschheit vor der Kohle. Die Bundesumweltministerin möchte so schnell wie möglich die Exportförderung für Kohlekraftwerkstechnik streichen, zu der günstige Kredite und Ausfallbürgschaften zählen. Kohle betrachtet sie als schmutzige Angelegenheit. Sie halte es für „nicht schlüssig, wenn wir in anderen Staaten diese Technologie auf Dauer fördern würden.“
China entwickelte sich in den vergangenen Jahren zum weltgrößten Emittenten von Kohlendioxid. Strom aus Kohle deckt dort den größten Teil des Bedarfs, zusammen mit Wasserkraft, für die Menschen massenweise umgesiedelt werden. In Indien, in Indonesien, überall, wo Millionen Menschen in die Moderne vorstoßen, hungern sie nach zuverlässiger Energie, die sie bezahlen können. Wie zwischen dem frühen 19. und dem hypermodernen 21. Jahrhundert in Indien nur eine Busfahrt vom Land in die Großstadt liegen kann, lässt sich in Mohsin Hamids Roman „So wirst du stinkreich im boomenden Asien“ sehr schön nachlesen.
Der größte Fortschritt für diese energiebedürftigen Millionen, das klassische Glück der größten Zahl also ließe sich auf relativ einfache Weise erreichen: Deutschland könnte ihnen helfen, ihre uralten Kohlekraftwerke der sechziger und siebziger Jahre durch modernste Anlagen zu ersetzen. Ein Kohlekraftwerk auf dem neuesten Stand der Technik erreicht einen Wirkungsgrad um die 50 Prozent und bläst nur einen Bruchteil des Staubs in den Himmel, den eine Uraltstromfabrik ausstößt. Selbst wenn man den Kohlendioxidausstoß nicht für die entscheidende Frage hält, ginge es immer noch um die Reduzierung von Atemwegskrankheiten, um gewonnene Lebensjahre, um ein erträglicheres Klima in asiatischen Großstädten. Teure Ökoenergie steht dort sowieso nicht zur Verfügung, um Ballungsräume mit zehn oder mehr Millionen Einwohnern zu speisen. Die Alternative lautet dort, weiter dreckige oder demnächst einigermaßen saubere Kohlekraftwerke zu besitzen.
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Aber nicht für die deutsche Umweltministerin. Die FAZ spottet über den deren neuen Kurs: „Wie Berlin die Welt von Kohle befreien will.“ Denn aus ministerieller Sicht geht es eben nicht um die Atemwege von Indern und Chinesen, auch nicht um Arbeitsplätze im deutschen Kraftwerksbau. Sondern um das Prinzip. Hendricks, so berichtet die FAZ, reagiere „auf die Forderung von Umweltschützern“, selbstverständlich von deutschen, nicht von chinesischen.
Hendricks Strategie erinnert an die Kampagnen von Greenpeace und anderen grünen Aktivisten gegen den gentechnisch mit Vitamin A angereicherten „Golden Rice“. Der Reis könnte in Afrika und Asien nachweislich Millionen vor der potentiell tödlichen Flußblindheit schützen. Die Grünaktivisten verteufeln den Reis und verhindern seit Jahren seinen Anbau – nicht, weil sie seine Schädlichkeit nachweisen könnten, sondern weil er für sie das Feindbild schlechthin verkörpert: die Gentechnik. Hilfe für ärmere Länder ist für sie nur akzeptabel, solange sie widerspruchsfrei zu den Phobien und ideologischen Schrullen postmaterieller Bionade-Bürger passt.
Mit dem freiwerdenden Geld der Kraftwerks-Exportförderung könnte die Bundesregierung deshalb neue phantasievolle Projekte anschieben. Zum Beispiel: einen Veggie-Day für Darfur.
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