Walter Schmidt / 27.05.2009 / 18:35 / 0 / Seite ausdrucken

Die Wiederkehr der Randgruppe

Eine der zahlreichen gut gemeinten Erblasten von “Rot-Grün” ist das sog. “Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz”, kurz “AGG” genannt, vielen MitbürgerInnen besser bekannt unter dem Namen"Antidiskriminierungsgesetz”.

Dieses Gesetz, das paradoxerweise von einer CDU geführten Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel verabschiedet wurde, die sich einst noch als Oppositionspolitikern vehement gegen ein solches Gesetz gewehrt hatte, versucht nicht nur die von der Europäischen Union in puncto “Gleichbehandlung” vorgegebenen Richtlinien 1:1 umzusetzen. Nein, es geht weit darüberhinaus, indem es z.B. in die grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit in der Wirtschaft eingreift und auch auf sprachlicher Ebene festlegt, was man sagen darf und was nicht.

An dieser Stelle nur einige m.E. besonders absurde Beispiele:

Zwar verstehe ich sehr gut, warum man heutzutage nicht mehr von “Zigeunern” spricht, sondern stattdessen von “Sinti und Roma”. Warum nun jedoch selbst dieser Begriff in die Kritik geraten ist, erschließt sich mir nicht so recht. Zwar sagt man heute ja auch nicht mehr Jude, sondern stattdessen politisch korrekt “jüdische MitbürgerInnen” oder noch besser “jüdische Mitmenschen”, doch daß man statt “Sinti und Roma” im Rheinland-Pfalz von Kurt genannt “Knut” Beck nunmehr von einer sog. “mobilen ethnischen Minderheit” spricht, scheint mir doch mit Verlaub etwas weit hergeholt.

Nach dem AGG ist es weiterhin nicht einzusehen, warum eine gewisse Diskriminierung von Männern bzw. Frauen oder auch bestimmten “Mitbürgern mit Migrationshintergrund” - früher benutzte man den “rassistischen” Begriff “Ausländer” - nicht zulässig sein sollte. Schließlich möchte ich bei meinem Lieblingschinesen in Leipzig von original chinesischen Kellnern aus dem Reich der Mitte und nicht etwa von im DDR-Volksmund früher sog. “Fidschis” mit undefinierbarer Herkunft bedient werden, und warum ab sofort Dessous von Victoria´s Secret auch von männlichen Verkäufern zur Anprobe freigegeben werden dürfen, leuchtet mir nicht unbedingt ein.

Mache ich mich demnächst z.B. schon verdächtig, wenn ich im “Thüringer Hof” zu Leipzig - wie gewohnt - einen “Seniorenteller” bestelle, nur weil mir die normalen Portionen ganz einfach zu opulent sind, und wenn ja, handelt es sich in diesem Fall eher um eine Diskriminierung der “Senioren” als unbedingt zu respektierender Altersgruppe oder aber um eine Diskriminierung meiner eigenen Person, die noch ein wenig warten muß, bevor sie die Früchte des Rentenalters genießen darf?

Ein weiteres Beispiel:

“Neulich gab es einen Streit, ob im “AGG” weiter von Benachteiligungen aus “Gründen der Rasse” die Rede sein dürfe. Das “Deutsche Institut für Menschenrechte” in Berlin nahm an der Formulierung Anstoß, weil der Begriff “Rasse” unweigerlich “rassistische Implikationen beinhalte und forderte stattdessen nur noch von “rassistischen Benachteiligungen” zu reden.” (Vgl. Jan Fleischhauer: “Unter Linken”, Reinbek (Rowohlt) 2009, S. 56)

Waren die Väter und Mütter des Grundgesetzes also “Rassisten”, und nicht nur - wie bislang schon des öfteren vermutet - “furchtbare Juristen”, als sie den Begriff “Rasse” im Rahmen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach GG, Art. 3 in die Verfassung aufnahmen?

Wie schon im Jahre seines Inkrafttretens 2006 vermutet, hat es infolge des “AGG” seither zahlreiche Beschwerden, Klagen und Prozesse wegen angeblicher oder tatsächlicher Benachteiligung von Minderheiten gegeben.

Eine der skurrilsten war jene Beschwerde der Pilotenvereinigung “Cockpit”, derzufolge es eine massive Diskriminierung eines gesamten durchaus ehrbaren Berufsstandes darstelle, wenn Piloten - wie bisher schon - auch in Zukunft nach den Bestimmungen des neuen “AGG” bereits mit 60 in Pension gehen müßten.

Wer sich mit 90 noch fit fühlt, ein Auto sicher durch den Straßenverkehr zu steuern, dem dürfte auch das unfallfreie Starten und Landen mit einem Jumbo-Jet mit 60 keinerlei Probleme bereiten.

Je beleidigter und empörter eine soziale Gruppe in unserer vom Gruppen- und Partikularstolz zusammengehaltenen Gesellschaft auftritt, desto sicherer sind ihr die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und die Schutzangebote des Staates.

In diesem Sinne:

Freibier für alle und ein Prost auf die einst von den Jusos in den 70er Jahren erfundene sog. “Randgruppenstrategie”!

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