Joe Zammit-Lucia, Gastautor / 10.08.2016 / 15:40 / Foto: Tim Maxeiner / 1 / Seite ausdrucken

Die Illusion einer machtfreien Weltordnung zerbricht

Von Joseph Zammit-Lucia.

Wir alle haben nach dem 2. Weltkrieg an die Idee einer neuen Weltordnung geglaubt. An Länder, die zusammenarbeiten, um ein System „globaler Ordnungspolitik“ zu entwerfen, in dem klare Regeln vereinbart werden, die von allen eingehalten werden, sodass Stabilität und Sicherheit einkehren. Internationale Institutionen – die UNO, der IWF, die Weltbank, die NATO, das Bretton-Woods-System, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – waren die Aushängeschilder dieser neuen Weltordnung. Die Globalisierung würde dabei zu einer engen Verzahnung der Wirtschaft, einer Minimierung von Konfliktpotenzialen und weltweitem Wohlstand führen. Das Sagen hätte die internationale Elite, die die Welt mit herausragenden, an Unfehlbarkeit grenzenden Fähigkeiten zu Frieden und Wohlstand führen würde.

All dies war jedoch eine Illusion. Anzeichen dafür gab es zwar schon seit Jahrzehnten, schmerzlich vor Augen geführt wurde uns dies jedoch erst auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in Cleveland. Beim Auftakt seiner Präsidentschaftskampagne brachte Donald Trump seine Verachtung für die Weltordnung der politischen Elite unverhohlen zum Ausdruck. Und er ist bei Weitem nicht der einzige.

Warum bricht nun aber alles auseinander? Hierfür gibt es drei Hauptgründe. Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass bei der Idee einer harmonischen globalen Kooperation die Tatsache ignoriert wurde, dass Beziehungen zwischen Menschen und Beziehungen zwischen Ländern letztendlich durch das Machtverhältnis bestimmt werden. Zweitens: In keinem organisierten System lassen sich Trittbrettfahrer vermeiden – was irgendwann nicht mehr hingenommen wird. Drittens: Nach dem 2. Weltkrieg hat sich eine bedeutende Einrichtung mit immer größerem politischem Einfluss herausgebildet – das multinationale Unternehmen.

Macht bestimmte auch weiterhin das Wesen der Weltordnung

Die Weltordnung nach dem 2. Weltkrieg wurde von den Siegermächten konzipiert. Diese nutzten ihre Macht, um Regeln aufzustellen, die für die eigenen Bedürfnisse ihres Erachtens am besten geeignet waren. Macht bestimmte auch weiterhin das Wesen der Weltordnung und ihrer praktischen Umsetzung. Während die Mächtigen den Schwachen Regeln auferlegten und auf deren Durchsetzung pochten, fühlten sie sich dazu berechtigt, eben diese Regeln zu brechen, wenn dies in ihrem Interesse war. Und zwar völlig ungestraft.

Hierfür gibt es zahllose Beispiele, wie etwa jüngst der Umgang mit der Eurokrise. Schwächere Länder müssen sich an die Regeln halten, die starken aber nicht. Wie Wolfgang Schäuble die Griechen im Zuge der Verhandlungen um das Griechenland-Rettungspaket mit großem Getöse darüber belehrte, wie wichtig es doch sei, sich an die Regeln zu halten – um dann gleichzeitig und ohne jedwede Vertragsgrundlage neue Regeln aufzustellen, ist ein eindrückliches, aktuelles Beispiel hierfür. Keiner der Anwesenden gab einen Laut von sich – so sieht Machtmissbrauch einerseits und Feigheit derjenigen, die sich nicht trauen zu widersprechen, andererseits aus.

Die Auflösung des internationalen Währungsabkommens Bretton-Woods im Jahr 1971 war dann das erste Mal, dass ein Teil dieses internationalen Systems scheiterte. Das mit dem Vertrag verbundene parasitäre Verhalten konnte einfach nicht länger hingenommen werden. Jahrlange hatten die Europäer als Trittbrettfahrer vom US-Dollar profitiert. In dem Glauben, dass die Amerikaner sie weiter unterstützen würden, hatte sie gegen den Wortlaut und Zweck der Regeln verstoßen.

Im August 1971 war Präsident Nixon schließlich davon überzeugt, dass es endgültige reichte und die Zeit gekommen sei, die Macht der USA auszuspielen. Europa wurde über Nacht aus der Dollarzone verbannt, wobei der damalige Finanzminister John Connally den europäischen Regierungschefs unverblümt mitteilte: „Der Dollar ist unsere Währung, aber Ihr Problem.“ Parasitäres Verhalten und eine Überschätzung der eigenen Macht gegenüber den USA stürzten Europa damals in eine massive Krise, unter deren Folgen der Kontinent bis heute leidet.

Multinationale Unternehmen haben kein Interesse an geregelten Verhältnissen

Als letztes Element, das zum bereits erwähnten Zusammenbruch geführt hat, ist der Aufstieg multinationaler Unternehmen zu nennen. Multinationale Unternehmen mit ihre enormen wirtschaftlichen und politischen Macht hatten noch nie Interesse an einer harmonischen Kooperation zwischen Ländern. Vielmehr bestand und besteht das Ziel im Abschluss bestmöglicher Deals für das Unternehmen. Die beste Aufsicht auf Erfolg dabei: Länder durch weltweite Investitionsverlagerungen gegeneinander auszuspielen und sich für das jeweils attraktivste Angebot zu entscheiden.

Unter solch ständigem und wirksamem Druck konnte ein geplantes Weltordnungskonzept einfach nicht bestehen. Stattdessen ist eine Wettbewerbsspirale zwischen den Ländern in den Bereichen Steuern, Beschäftigungsbedingungen, staatliche Subventionen usw. entstanden. Multinationale Unternehmen wurden zu einer neuen politischen Macht, die die Hoffnung auf gemeinsame Regeln und eine neue Weltordnung unterminiert.

Dies sind die Gründe für die Lage, in der wir uns derzeit befinden. Ein US-Präsidentschaftskandidat, durch dessen politische Plattform diese Probleme offenlegt werden. Amerika ist stark und wird seine Macht ausüben. Kein Trittbrettfahren mehr, auch wenn dies zu einem Zusammenbruch der NATO führen sollte. Und keine Toleranz mehr für multinationale Unternehmen, die Amerika gegen andere Länder ausspielen.

Vielleicht wird Donald Trump nicht gewählt. Und selbst wenn er es wird, heißt das noch lange nicht, dass er seinen Worten Taten folgen lassen wird. Es wäre jedoch töricht, die Lektion, die wir aus der Kandidatur Trumps ziehen sollten, und deren Bedeutung in Bezug auf eine nur scheinbar bestehende Weltordnung zu ignorieren. Papst Alexander VI. sagte schon im 15.Jahrhundert, dass ein Herrscher niemals die Wahrheit erkenne und diese am Ende einfach auch nicht hören wolle. So traurig es ist, wird dies auch für die globale politische Elite gelten.

Dr. Joe Zammit-Lucia ist Anleger und Kommentator zu politischen und wirtschaftlichen Fragen. Er ist Vorstandsmitglied bei radix.org.uk und kann über joezl@me.com kontaktiert werden. Außerdem ist er Arzt, Künstler und Präsident der WOLFoundation.org. Website hier.  Photographic Art hier.

Foto: Tim Maxeiner

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Helge Kowalski / 10.08.2016

Sie schreiben wir! Ich habe daran nie geglaubt, einfach mal Lenin lesen ;). Ich kann Ihnen auch sagen, warum sie daran geglaubt haben. Weil die Westdeutschen es sich schön wohlig unter dem Schirm der Amis machen konnten. Die haben doch die Drecksarbeit gemacht und sie haben auch davon profitiert. Ja und ihre Söhne kamen in Zinksärgen zurück bzw. psychisch kaputt. Ich frage mich heute noch, wie die Amerikaner diesen ganzen Aufwand finanzieren bzw. finanziert haben. Wir Ossis haben die Russen erlebt, wie die sich hier aufgeführt haben und wir sind täglich mit dem Kopf gegen die Mauer gerannt, das war sehr heilsam! Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht!

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