Sissy Hewson / 24.08.2015 / 12:00 / 7 / Seite ausdrucken

Die Ersten werden die Letzten sein

Von Elisabeth Hewson

Nach etlichen Tagen in den verschiedensten Hotels in Schottland und England stehe ich wieder begeistert unter meiner eigenen Dusche und frage mich, wie und warum es diese Inselbewohner mit ihren Installateuren so halten. Oder Insel-Installateure mit der modernen Technik. Wobei das nicht nur auf Hotels zutrifft, sondern auf Privatbehausungen jeglicher Art. Und nicht nur auf Duschen, sondern auch auf Clos, Wasserhähne, alles, was so mit Zu- und Ablauf zu tun hat.

Seit Jahren frage ich mich das. Da liegen Abflussrohre außen, als gäbe es keinen Winter, „verschönen“ die Nassräume innerhalb des Hauses mit ihrem staubfangenden Durcheinander. Da tröpfelt oder schießt es unbestimmbar in Temperatur und Menge aus Brauseköpfen. Da muss man den richtigen Schwung heraus haben, um die Clospülung zum Rinnen zu bringen. Da gibt es Einhebel-Wasserhähne, die sich nur voll aufdrehen lassen, erst dann kann man die Temperatur einstellen. Oder andere, die sich sowohl drücken als auch drehen lassen, bis man weiß, wohin, ist man verbrüht oder erfroren. Gar nicht zu reden von den immer noch vorhandenen, weit auseinander liegenden, an die Waschmuschel gepressten (damit man ja nichts, einen Zahnputzbecher zum Beispiel, darunter stellen kann) separierten Heiß- und Kaltwasserhähne.

Nicht zum Thema Installationen passend, aber sehr wohl Fragen aufwerfend, ob denn da niemand jemals darüber nachgedacht hat (vor allem, da es ja in anderen Ländern gute Lösungen gibt), sind die seltsamen Türschnallen, die sich ungehindert viel weiter als nötig herunterdrücken lassen, oder Schiebefenster, die sich wunderbar zum Köpfen eignen, aber kaum, Kälte draußen zu halten oder sie verrenkungslos zu putzen. Sind Türen ohne Griffe (nur per eingestecktem Schlüssel aufzuziehen), sind möglichst in Tarnfarben (warum wohl?) gehaltene Teppichböden an hochfrequentierten Orten, zum Beispiel in Pubs.

Zu all diesen Themen passend sind es die Hotels, die diese Traditionen pflegen. Die sich wenig um Reinigungspersonal bemühen, Lifte in Betrieb haben, die jeden zum Klaustrophobiker machen, Lampen, die sich nur nach längerem Wackeln gnädig zeigen, Steckdosen, die, abgesehen von ihren abnormen Dreifachlöchern, am liebsten verklebt sind, oder zumindest hinter einem Kasten versteckt. Und Bettzeug, das den Benützer entweder flach drückt, oder in einem Wirrwarr von Leintüchern und Decken ersticken oder erfrieren lässt. Die Rede ist hier nicht von Luxusabsteigen, aber Mittelklassehotels zum Preis von ebendiesen.

Die Antwort, so habe ich nach langem Hin und Her beschlossen, ist eigentlich recht einfach: Sie waren die ersten. Oder eine der ersten. Die ersten mit Wasserklosett, mit heißem und kaltem Wasser in Badezimmer und Küche, mit eleganten Teppichböden, mit erschwinglichen Hotels in Küstenstädten, mit Steckdosenerdung und Liften. Und seither wurde halt nichts verbessert, schon gar nicht, da Tradition ja etwas Heiliges hat im Land jenseits des Kanals. Und so sind sie heute die Letzten, nicht nur beim Waschkomfort: Damals brauchten die Gäste halt keine Steckdosen, warum soll man sie denn dann heute zu Verfügung stellen? Und der Teppichboden liegt schon seit Jahrzehnten da, warum soll er plötzlich nicht mehr gut genug sein?

Und so begründet sich wohl auch die – offenbar weltweit bekannte - Schmuddeligkeit? Zitat eines Kollegen: „Australians are amazed at how backward many British are about washing themselves and having plumbing working perfectly.“ Wie allerdings die „einzementierte“ Leintücher begründet werden könnten, bleibt ein Rätsel.

Ob die Queen auch oftmals an der Clospülung fummeln muss? Oder zwischen festgezurrte Leintücher schlüpft, während im Badezimmer die freigelegten Rohre gluckern? Das Rätsel eines traditionsbewussten Königreiches.

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Leserpost

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Christine Maack / 26.08.2015

Die Franzosen haben, im Gegensatz zu den Briten, die große Bettenrevolution geschafft. Noch bis vor zehn Jahren sah’s dort (auch in teuren Relais&Chateaux;-Häusern) genauso aus wie hier bzgl. England beschrieben. Die schreckliche Art, Betten zu machen (Leinenlaken plus uralte Fusseldecke eisenhart unter die durchgelegene Riesenmatratze zu stopfen) nennt sich im Fachjargon übrigens “englische Faltung”.  Doch damit ist in Frankreich fast überall Schluss. Man findet, außer in verschlafenen Familienpensionen, inzwischen fast durchweg richtig gute Bettdecken, die mit Bezügen ausgestattet sind. Diese grundlegende Kulturrevolution ist noch nie wirklich irgendwo gewürdigt worden, denn es sind dafür keine Köpfe gerollt. Im Gegenteil, das housekeeping war glücklich, da es nicht mehr die Matratzen stemmen musste, die Gäste auch, weil sie sich im Laufe der Nacht nicht mehr die alten Schmierdecken von 1000 Vorgängern ins Gesicht wurschdeln. Die Briten haben diese glorious revolution noch vor sich.

Mike van Dyke / 25.08.2015

Ich roll mich ab. Und ich dachte immer, dass ich von einer geheimnisvollen Pechsträhne beim Buchen britischer Unterkünfte heimgesucht worden bin, die einfach nicht enden will. Ich krieg mich nicht wieder ein. Befreiender Artikel.

Marcelo Strumpf / 25.08.2015

Bei meinen vier Urlaubsreisen nach Süd- und Mittelengland habe ich in verschiedenen B&Bs; und Cottages genächtigt und es genossen, auf dem Klo und im Badezimmer eine Reise in die Vergangenheit anzutreten. Okay, die getrennten Wasserhähne sind gewöhnungsbedürftig, doch sie erfüllen ihren Zweck. Und “schmuddlige” Engländer sind mir eigentlich nirgends über den Weg gelaufen. Im Gegenteil. Die Menschen in Bahnen und Bussen rochen meist besser als hierzulande, wo man trotz der moderneren sanitären Einrichtungen auf jede Menge schmuddlig wirkender und vor allem im Hochsommer leider übel riechender Mitmenschen treffen kann. Ergo ist körperliche Hygiene keine Frage von Badezimmerkomfort.

Thomas Bonin / 25.08.2015

Hm, könnte ich so nicht bestätigen (war allerdings noch nicht in Schottland). Erlebte bislang (von häufigen Aufenthalten in UK während der letzten Jahre) lediglich eine Pleite in Manchester (wo sich so ziemlich alle beschriebenen Unannehmlichkeiten bestätigten). Allerdings half dort eine schnelle und deutliche Ansprache beim Manager - es erfolgte seitens desselben eine reibungslose Umquartierung (bei gleichem Preis) in ein altehrwürdiges Hotel (City-Lage) mit tadelloser Ausstattung (ungeachtet der mittlerweile vertrauten Kipp- bzw. Schiebefenster). Wer`s gut & günstig haben will, bucht sich beispielsweise in einer Bleibe von (landesweit inkl. London) premierinn.com ein. Will man auf Schickeres nicht verzichten, so dürfte booking.com eine empfehlenswerte Adresse sein (vorzugsweise für Newsletter-Abonnenten) - bei immer noch moderaten Preisen. Wer sich indes lieber als eine Art MacGyver sieht (ohne mit Klebeband und Leatherman Multitool Charge TTi umgehen zu können), sollte bestimmte Unterkünfte besser meiden (desgleichen in dem einen oder anderen Hamburger und Berliner “Ferienzimmer”).

Stefan Peltzer / 25.08.2015

Ich habe beruflich gelegentlich mit Engländern zu tun. Da es dabei meist um Technik geht, soll hier das m.E. oft höfliche und angenehme Wesen dieser freundlichen Zeitgenossen außen vor bleiben. Ich erinnere mich mit Gruseln dran, wie ich in den Neuzigern einen deutschen Experten für Instrumentierung besuchte und dabei von einem englischen Kollege begleitet wurde, der versuchte, den Experten von einem veralteten Explosionsschutz-Konzept zu überzeugen. Nie werde ich den Blick des Experten vergessen. Als ich vor wenigen Jahren an einer einer Produkt-Neueinführung in England teilnahm, drückte der Produktverantwortliche zunächst allen Gästen ein kleines Büchlein in die Hand: Ein Tabellenwerk mit Umrechnungen anglo-amerikanischer Einheiten in Metrische (und , natürlich, auch umgekehrt). Es kam mir so vor, als wollte man diejenigen, die bisher noch nicht in den Genuss des Einflusses des ehemaligen britischen Weltreiches gekommen waren, nun doch noch bekehren und die Möglichkeit geben in Zukunft mit Einheiten wie “Kubikquarter pro fortnight” (Quarter =9 inch = 1/4 Yard, Fortnight = 14 Tage) zu arbeiten. Der ursprüngliche Plan Großbritaniens, ab 2010 nun ausschließlich das metrische System zu übernehmen, wurde übrigens fallengelassen. Stefan Peltzer

Ronald M. Hahn / 24.08.2015

Endlich spricht’s mal jemand aus! In Kanada hab ich übrigens genau das Gleiche erlebt. Wieso eigentlich?

Matthias Elger / 24.08.2015

Hat es nicht auch etwas Gutes an der Tradition festzuhalten? Ich könnte direkt neidisch werden um die rückwärtsgewandte bzw. nicht modernisierte Badezimmerausstattung in Englands Hotels, wenn ich dagegen an Energiespardämmung denke, auf deren Basis sich deutsche Hotels/Häuser zu Schimmelkisten entwickeln. Oder die deutschen Bauvorgaben, ganz zu schweigen von Nullenergiehäusern und die Abschaffung der AKWs, während GB neue baut. Dann doch lieber unpraktische Wasserhähne, die ich auch schon kennenlernen durfte.

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