Sissy Hewson / 23.12.2014 / 16:22 / 3 / Seite ausdrucken

Alles ist vergiftet

Es ist eine Lust, sich zu fürchten. Möglichst täglich über was Neues. Und wer diese Lust liefert, der wird gehört – klar, er bedient ja den wohligen Gruselfaktor, der unsere Welt offenbar im westlichen Innersten zusammenhält; der Konversationshilfe liefert und damit die peinliche Leere füllt, wenn sich Leute nichts zu sagen haben, weil sie über sonst nicht viel jammern können.

Wie Ludger Weß in seinem schönen Artikel „Vorsicht Weihnachtskrebs“ schon so wunderbar weihnachtlich vor mörderischen Bäumen „warnt“, deren Nadeln offenbar die reinsten Giftspritzen sind, und vor denen uns wieder einmal eine grüne Umweltschutzorganisation bewahren möchte, so kann man sich auch in Österreich einen ordentlichen Happen Angst abholen: Am besten gleich im Görtschitztal in Kärnten, wo die Grünen sich wieder einmal „erschüttert“ sehen, weil die Agentur für Ernährungssicherheit die Bevölkerung nicht schon im Frühjahr nervös machte. Ja, die Grenzwerte von HCB (Hexachlorbenzol) wurden überschritten – offenbar nicht gesundheitsgefährdend, man müsste bei der gefundenen Konzentration täglich 50 Liter Milch oder 7,5kg Rindfleisch essen damit etwas passieren kann, aber darum geht es ja wieder einmal nicht – und ja, die Reaktion politischer Stellen ließ auf sich warten. Und auch ja, es muss etwas getan werden. Aber die Hysterie so weit zu treiben, dass sich die Einwohner dieses lieblichen Fleckchens nicht mehr aus den Häusern trauen (wie ein Betroffener im Radio erzählte) und dass völlig unbelastete Schweine nicht mehr verkauft werden können, dass Ungarn in seinem seltsamen Nationalstolz die Gelegenheit ergreift, um den Leuten österreichische Milch zu vergraulen und die ungarische als einzige trinkenswerte ans Herz zu legen - und dass wir endlich wieder eine neue Angst haben dürfen, für dieses Weihnachtsgeschenk können wir uns bei Global 2000 und Konsorten bedanken.

Noch eine Furcht ist jedem zu empfehlen, der die Unterhaltungen am Weihnachtstisch von unangenehmen familiären Themen, wie sie immer und unweigerlich auftauchen, ablenken will: Schulessen. Auch hier hat Besserwisserei ihren Ehrenplatz – schließlich geht es um unsere Kinder, um unsere Zukunft (um unsere Pensionen)! Und da muss Bio her, die Garantie für ewige Gesundheit. Und ein Ernährungsplan, was Kinder wann zu mögen haben.

Das Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften macht sich da leider wieder unbeliebt, aber kein Wunder, ist ja die EU, und was hat die schon für eine Ahnung! Nun, sie hat den treffenden Begriff „Kollektive Kinder-Essparanoia“ geprägt, und dafür sei ihr herzlich gedankt. Diese „EUle“ hat nämlich herausgefunden, dass es besser ist, Kinder essen das, was ihnen schmeckt, als gar nichts ... was nämlich der Fall ist, wenn man ihnen zum Beispiel Brokkoli, Pilze oder Spinat vorsetzt.

Wissen es Kinder vielleicht doch instinktiv besser? Spinat enthält Oxalsäure, die den Zahlschmelz angreift und Nierensteine fördert. Bei Brokkoli entstehen nach Verzehr aus dem natürlichen Inhaltsstoff Sulforaphan in der Leber Dithiocarbamate, aggressive Pilzvernichtungsmittel, die im Verdacht stehen, beispielsweise Nervenschäden und Schilddrüsenprobleme auszulösen, und deren Einsatz als Pestizide weitgehend verboten werden musste. Und das sogar in Konzentrationen, die um Zehnerpotenzen über den zulässigen Höchstmengen liegen! Und Wildpilze reichern in der Natur vorkommende Schwermetalle wie Cadmium oder Quecksilber an – ganz abgesehen von der Gefahr, einen giftigen untergemischt bekommen zu haben. Was aber alles nicht zählt gegen die „Fleischgefahr“ und die „Fettpest“. Warum „zu viel Fleisch“ (was immer das heißt) nicht gut ist, kann keiner sagen, denn Heranwachsende brauchen Eiweiß. Und das schmeckt ihnen offenbar in Form von Fleisch am besten. Und von Würsten, die manchmal übrigens mehr vom so verehrten Vitamin C enthalten als Zitronen, und Phosphate, die man zur Mineralisierung der Knochen braucht. Fett, auch in Pommes, und wenn es nicht gerade Transfette sind (die ohnehin kaum mehr verwendet werden) brauchen Kinder als Hirnnahrung. Rohkost hingegen ist schwer verdaulich und - gerade vom Bio-Bauern und mit Gülle gedüngt - möglicherweise mit EHEC und ähnlichen Giften aus dem Darm von Rindern, Schafen und Ziegen kontaminiert.

Einfach pragmatisch an die Kinderernährung heranzugehen und dem Nachwuchs meist das zu servieren, was er gerne isst, statt Immergrün auf die Teller zu zwingen (das dann im Müll landet, statt in den Mägen, die so erst recht nicht mit dem gefüllt werden, was sie brauchen könnten) ist doch Schwachsinn. Aber das sagt die EU – und die kann doch nicht Recht haben?

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Leserpost

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Peter Merbt / 24.12.2014

Das Kerzenverbot wäre schon mal ein erster guter Schritt. Und Pilze gehen ja nun mal schon gar nicht, da sind nämlich Atome drin. Aus Fugoschima. Oder Schernobiel. Oder so.

Ulrich Berger / 23.12.2014

Hachch! Tiefsten Dank, liebe Frau Hewson, für diesen Text. Ich habe eine ordentliche Verteilerliste von Eltern, deren Nachwüchse ganz bestimmt eine Ernährungsumstellung in Richtung “Oma” brauchen und goutiereen könnten. :-) Beste Grüße, Ulrich Berger

Max Wedell / 23.12.2014

Ist eigentlich schon auf die Gefährlichkeit des Abbrennens von Kerzen hingewiesen worden? Sollte das nicht anläßlich der Jahreszeit unbedingt gemacht werden? Ich verzichte jetzt darauf, lange Listen zu den gefährlichen Stoffen bei der Kerzenverbrennung hier hereinzukopieren, jeder kann sich die ganz einfach selber ergoogeln. Aber der gesunde Menschenverstand allein könnte einen ja auch schon warnen, wenn man hört, daß Kerzen in 95% aller Fälle aus Paraffin bestehen, welches ein Nebenprodukt aus der Erdöl(!)verarbeitung ist. Spätestens jetzt sollte schlagartig ein noch viel ernsteres Problem als nur bloße Gifte im chemisch vorgebildeten Geist des Lesers auftauchen: Das Haupt-Verbrennungsprodukt der Kerze ist CO2! Schreck lass nach! Und wer in der Lage ist, selbst etwas so Gravierendes noch irgendwie zu verdrängen, dem wird man in wenigen Tagen mit der Zeitung vor der Nase herumwedeln können: “Siehste, so ne Kerze kann auch deine ganze Bude abfackeln!” Sind nicht langsam ausreichend Gründe vorhanden, ein Kerzenverbot anzudenken?

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