Gastautor / 26.03.2013 / 22:17 / 0 / Seite ausdrucken

Das Euro-Desaster spaltet Europa

Oswald Metzger

Der Spaltpilz hat einen Namen: Euro. Dabei war die europäische Gemeinschaftswährung doch so stabil und solide konstruiert worden wie einst die Deutsche Mark. Die Europäische Zentralbank verfügt rechtlich über eine größere Unabhängigkeit von der Politik als vormals die Deutsche Bundesbank. Die Geldpolitik der Notenbank sollte allein der Geldwertstabilität verpflichtet sein, nicht tagespolitischer Opportunität. Die Haushaltsdisziplin in den Mitgliedsstaaten garantierten die Maastricht-Verträge, die unsolides Haushalten mit Sanktionen belegen und damit verhindern sollten.

Schall und Rauch sind alle Stabilitätsschwüre, ob sie nun formell in europäisches Gemeinschaftsrecht gegossen wurden oder als zwischenstaatliche Verträge kodifiziert sind. Die Geschichte des Euro ist eine Geschichte des permanenten Rechtsbruchs. Maastricht war bereits perdu, als Kanzler Gerhard Schröder den blauen Brief aus Brüssel im Bundestagswahljahr 2002 mit Brachialgewalt abwehrte. Die Brüsseler EU-Kommission wollte damit die vorgesehene Sanktionsroutine gegen Deutschland einleiten, weil unser Land im Jahr 2002 absehbar die Drei-Prozent-Defizitgrenze bei der Neuverschuldung zu reißen drohte. Der Euro war erst einige Monate als Bargeld im Umlauf, als wir Deutschen die selbst gesetzte Maastricht-Messlatte einrissen. Ein gutes Jahr später zog dann die rot-grüne Bundesregierung, gemeinsam mit Frankreich und Italien, dem Maastrichter Stabilitätsregime endgültig alle seine automatischen Sanktionszähne. Das war faktisch die Einladung zur nachfolgenden Verschuldungsorgie in Südeuropa – und nicht nur dort.

Als die kreditfinanzierten Blasen dann Ende des letzten Jahrzehnts platzten – die aufgeblähten Bankbilanzen in Irland, die Immobilienspekulation in Spanien oder der verschleppte Staatsbankrott in Griechenland –, da scherte sich Euroland wieder einmal nicht um den Kernsatz des eigenen Ordnungsrahmens. No Bail out hatte man sich aus gutem Grund vor Einführung der Gemeinschaftswährung ins Stammbuch geschrieben. Kein Staat haftet für die Schulden anderer. Jedes Mitgliedsland steht für seine Kredite selbst im Obligo. Notfalls müssen eben auch die gutgläubigen Geldgeber Ausfallrisiken schultern, nicht nur die Steuerzahler.

Erinnern wir uns noch an die Aussage von Kanzlerin Angela Merkel im Deutschen Bundestag: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“ Der Satz klingt heute wie blanker Hohn. Denn die vermeintliche Euro-Rettung spaltet Europa. Es herrscht Zwietracht zwischen den Mitgliedsstaaten. Das Euroland Zypern verhandelte in dieser Woche zunächst lieber mit Russland, um Druck auf die europäischen Partner auszuüben, damit sie ihre Zehn-Milliarden-Hilfe vielleicht doch noch aufstocken. Die Profiteure des zyprischen Finanzstandortes, die von der dortigen Politik viele Jahre mit niedrigen Steuersätzen und hohen Zinsen auf ihre diskreten Bankeinlagen verwöhnt wurden, sollen dagegen geschont werden. Stattdessen ruft man auf der Ferieninsel nach europäischer Solidarität und der grenzenlosen Geldversorgung durch die EZB. Und vor allem attackiert man Deutschland, das sich in angeblich neokolonialer Manier in die inneren Angelegenheiten Zyperns einmische.

Wie man Vertrauen zerstört, haben aber auch die europäischen Finanzminister mit ihrem ursprünglichen Beschluss zur Sonderabgabe auf zyprische Sparguthaben bewiesen. Auch wenn de iure ein Unterschied besteht zwischen der europäischen Einlagengarantie auf Spareinlagen bis zu einhunderttausend Euro im Fall der Insolvenz einer Bank und der ursprünglichen „Sondersteuer“ auf Spareinlagen: Das Vertrauen der Sparer in die Verlässlichkeit der Politik ist massiv gestört. Wer glaubt denn noch, dass Spareinlagen irgendwo sicher sind? Bereits die stille Enteignung der Sparer durch die negativen Realzinsen unterminiert das so dringend erforderliche Ansparen für die Lebensrisiken einer alternden Gesellschaft.

Erst recht zerstört die kollektive Sparer-Attacke der Euro-Retter einen Grundpfeiler jeder funktionierenden Volkswirtschaft. Denn investiert werden kann nur dort, wo auch gespart wird. Wirtschaftliche Prosperität hat immer zwei komplementäre Bedingungen: Sparen und Investieren! Dafür braucht es aber ein Grundvertrauen in der ganzen Gesellschaft. Die Euro-Retter spalten nicht nur Europa, sie zerstören auch den Vertrauenskern, den jede Volkswirtschaft und jede Währung so dringend braucht.

Erschienen in der Fuldaer Zeitung und auf dem Ökonomen Blog (http://www.insm-oekonomenblog.de)

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