In meinem Buch „Der grüne Blackout. Warum die Energiewende nicht funktionieren kann“ hatte ich auch der Medienmehrheit ein paar Absätze gewidmet, die bei so genannten grünen Themen nicht nur ihre eigene Aufgabe vergessen, hier und da ein bisschen Kritik zu üben, sondern sogar bereitwillig die Rolle des „kollektiven Agitators“ (W. I. Lenin) übernehmen. Natürlich lässt sich der Vorwurf mit gut gefüllten Zettelkästen belegen. Aber das Exemplar aus der „Zeit“ vom 31. Januar 2014 ragt doch heraus: Es geht um Prokon, die Windfirma aus Itzehoe, deren Insolvenzverfahren gestern offiziell eröffnet wurde.
Im Januar konnte schon jeder wissen, dass Prokon im Jahr 2012 einen Verlust von 171 Millionen Euro eingefahren hatte, dass die letzte testierte Bilanz von 2011 stammte und sich seitdem gleich zwei Wirtschaftsprüfer geweigert hatten, eine neue zu unterschreiben. Das Unternehmen zahlte Anfang 2014 schon kein gekündigtes Genussscheinkapital mehr aus, und überwies seinen Anlegern keine Zinsen. Die Firma unter ihrem vorläufigen Insolvenzverwalter rasselte also gerade mit letzter Kraft in die unvermeidliche Pleite.
Aber nicht für Zeit-Autor Rüdiger Jungbluth. Unter der Überschrift:„Prokon. Die falsche Pleite“ spulte Jungbluth einen Text ab, für den es nicht viele Referenzen in der Mediengeschichte gibt. Am ehesten ähnelt er den Erklärungen von Muhammad as-Shahaf aka Comical Ali, des damaligen irakischen Informationsministers, der ausländischen Kamerateams noch erklärte: „There is no presence of american infidels in Baghdad,“ „ als die US-Panzergranaten schon im Hintergrund vorbeipfiffen. Oder dem Reisebericht von Theo Sommer aus der DDR, der 1989 ein paar Monate vorm Mauerfall herausfand, die Zustimmung zu Honecker wachse allerorten.
Da die vorläufige Prokon-Pleite nach Jungbluths Analyse falsch war, musste es der Firma also in Wirklichkeit so blendend gehen, wie es sich für ein Energiewende-Unternehmen und die Energiewende selbst gehört:
„Obwohl es in fast allen Zeitungen anders stand, ist Prokon womöglich gar nicht pleite. Das Management des Windkraftbetreibers hat zwar einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, dem aber das Gericht bisher nicht entsprochen hat. Es hat nur einen vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt, was nicht sagt, dass es zu einem Insolvenzverfahren kommt. (...)
Der Hamburger Anwalt Dietmar Penzlin hat den Job angenommen und muss versuchen, die Vermögenswerte im Interesse der Gläubiger der Firma zu sichern. Und er prüft, ob Prokon zahlungsunfähig ist. Das ist schwierig. Nach allem, was man weiß, ist Prokon niemandem Geld schuldig geblieben. Die Mitarbeiter erhielten pünktlich ihre Löhne und Gehälter, die Beiträge an die Sozialkassen wurden abgeführt und die Lieferanten bezahlt. Die Banken kassierten ihre Zinsen. Auch die rund 75.000 Kleinanleger, die bei Prokon Geld investiert haben, hatten nichts zu klagen. Im Gegenteil: Mit Ausschüttungen von bis zu acht Prozent wurden sie üppig bedient. Seit 18 Jahren hat bei Prokon kein Anleger Geld verloren.
(…) Eine Pleitefirma, die vielleicht gar nicht pleite ist, das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit im Fall Prokon. Eine andere: Ein Unternehmen, das die Energiewende mitgestaltet, wird als Betrügerfirma denunziert.“
Es folgt noch eine Geißelung von Medien, die unter Vernachlässigung ihrer gesellschaftlichen Pflichten durch ihre Wirtschaftsberichterstattung Prokon in Schwierigkeiten gebracht hätten. Und der Hinweis, das Windkraftunternehmen betreibe sogar einen eigenen Betriebskindergarten. Ein Abschnitt in seinem Text ähnelt Passagen eines Anlegerbriefes, den Prokon früher einmal zur Beruhigung seiner Geldgeber verschickt hatte.
Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Prokon, wie mittlerweile bekannt ist, einen Verlust von 478 Millionen Euro. Den Forderungen der Anleger steht nur ein schmales Vermögen gegenüber. Die gutgläubigen Prokon-Investoren dürften bestenfalls ein Teil des Kapitals wiedersehen, und das auch nicht sofort, sondern irgendwann. Mit den Geschäftspraktiken des alten Managements beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Lübeck.
Vermutlich könnte der “Zeit”-Schreiber sogar beweisen, warum die endgültige Pleite von Prokon falsch war.
Die glücklichsten Journalisten sind diejenigen, die sich von der Wirklichkeit nicht täuschen lassen.