Wolfram Weimer / 28.03.2009 / 08:15 / 0 / Seite ausdrucken

Abwrackpolitik

Die Abwrackprämie wird bejubelt wie Freibier. Doch droht auch hier der Kater nach dem Rausch.Die Prämie ist nur auf den ersten Blick ein Erfolg. Es häufen sich vielmehr Probleme, die die Politik damit anrichtet, dass sie Steuergeld verteilt wie der Metzger die Gelbwurst an Kinder.
Das erste Ärgernis betrifft die Profiteure der Aktion. Es sind zuvorderst ausländische Kleinwagenhersteller, die von den deutschen Steuermilliarden profitieren. Während die Dacias, Fiats, Skodas, Kias, Suzukis, Toyotas und Renaults das schnelle Sondergeld aus Deutschland einstreichen, gehen Mercedes, BMW, Audi und Porsche leer aus. Gerade die Herzstücke der deutschen Autoindustrie sind also relative Verlierer der Aktion. Millionen Beschäftigte und ihre Familien von Zuffenhausen bis Ingolstadt fragen sich, warum ihr Steuergeld ausgerechnet die Konkurrenz stärkt, wo die Krise ohnedies so hart zuschlägt.
Das zweite Ärgernis bekommen alle die negativ zu spüren, die rund um den Gebrauchtwagenmarkt ihre Leistungen erbringen. Von Reparaturwerkstätten über Ersatzteillieferanten bis zu Händlern fühlen sich Tausende inzwischen gleich mit verschrottet, ohne dass ihnen jemand eine Prämie offeriert. Die Wettbewerbsverzerrung von Subventionen kennt eben immer auch Verlierer – nur redet man über sie nicht so gerne.
Das dritte Problem liegt im Strohfeuerhaften der Aktion. Denn im kommenden Jahr, wenn die Prämie endlich ausläuft, wird der Autoabsatz im unteren Segment dramatisch einbrechen. Gerade im dann hoffentlich beginnenden Aufschwung werden hunderttausende potentieller Autokäufer ausfallen. Die Prämie provoziert also eine Scheinkonjunktur, die nicht langfristig angelegt ist.
Womit das vierte Ärgernis umso schwerer wiegt. Der Rausch der Verschrottungs-Orgie verfliegt, die Schulden aber bleiben. Diese Prämie wird den Staat mindestens 1,5 Milliarden, vielleicht sogar das Doppelte kosten. Wenn diese Finanzkrise aber eines lehrt, dann dass Schulden oft bitter bezahlt werden müssen. Die schnelle Art, mit der jetzt Wahlkampfgeschenke wie die Abwrackprämie gemacht werden, zeugt von einer bedenklichen Fortsetzung des öffentlichen Monopolyspiels, das uns gerade erst in diese Krise getrieben hat. Eine seriöse Finanzpolitik sähe jedenfalls anders aus.
Nun könnte man alles hinnehmen, wenn es denn wenigstens der Umwelt richtig helfen könnte. Tatsächlich aber kommt von Umweltverbänden die größte Kritik an der schönfärberisch „Umweltprämie“ genannten Initiative. Für die Käufer besteht nämlich überhaupt kein Anreiz, sich ein besonders klimafreundliches Auto anzuschaffen. Ein Stinker und Spritfresser wird ebenso mit 2500 Euro gefördert wie ein sparsames Innovationsauto, das wenig Kohlendioxid ausstößt. Also kaufen die Abwracker selten moderne, umweltfreundliche Motoren aus deutschen Tüftlerfabriken, sondern Standardgetriebe mit mäßigen Abgasnormen.  Obendrein ermuntert die massenhafte Neuwagenflotte zur häufigeren Benutzung der Autos, also zum größeren CO2-Ausstoß.
Während das politische Berlin sich also fühlt wie der Osterhase, legt es faule Eier ins Nest der Krisenbewältigung. Die Abwrackprämie sollte besser beendet statt verlängert werden. Aber das politische Ostern ist ja erst am 27. September zur Bundestagswahl. Bis dahin wracken wir uns also ab.


Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 27.02.2020 / 06:11 / 135

Die CDU braucht einen Notarzt

Friedrich Merz tritt an – und er hat vier Trümpfe in der Hand. Erstens führt er die Umfragen nicht nur an. Er liegt seit Monaten…/ mehr

Wolfram Weimer / 22.02.2020 / 06:18 / 19

SPD-Comeback in Hamburg?

Lange hatten die Grünen gehofft. Doch nun zeigen die Umfragen: Die Hamburg-Wahl wird die SPD wohl gewinnen. Es bahnt sich sogar ein bundesweiter Stimmungsumschwung im…/ mehr

Wolfram Weimer / 14.02.2020 / 06:14 / 106

Die CDU sucht den Merkel

„Angela Merkel will Armin Laschet. Die CDU-Basis will Friedrich Merz.“ So fasst ein CDU-Spitzenpolitiker aus der Bundestagsfraktion die K-Debatte in der Union zusammen. Mit dem…/ mehr

Wolfram Weimer / 13.12.2019 / 06:23 / 33

Batterien aus Deutschland? Potzblitz, und es geht doch!

Monatelang war es bloß ein Gerücht: Angeblich verbaut der Technologiekonzern Apple in seinen Kopfhörern “AirPods” deutsche Batterien. In Asien lachte man darüber – die Deutschen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com