112-Peterson: Vergeben und vergessen?

Zum Vergeben gehört auch immer Urteilen. Ich glaube nicht, dass diese beiden Dinge jemals voneinander getrennt werden können. Man könnte ja denken, dass Vergebung das Gegenteil von Urteilen sei. Im Grunde genommen ist es jedoch das Gleiche.

Ich wurde gefragt, wie sich das christliche Ethos der Vergebung mit dem Bedürfnis vereinbaren lässt, sich nicht alles gefallen zu lassen und Trittbrettfahrer zu bestrafen? Vergebung ist kompliziert. Sie ist kein Freifahrtschein, der einem Anderen gestattet: „Alles, was du tust, ist in Ordnung.“ So funktioniert Vergeben nicht.

Wenn jemand zum Beispiel von einem Elternteil misshandelt wurde und dieser stirbt, dann ist es womöglich psychologisch gesehen im besten Interesse der geschädigten Person, ihrem Vater oder ihrer Mutter zu vergeben. Obwohl der Prozess der Vergebung viel komplizierter ist als die bloße Weisung „vergebt einer dem anderen“. Wie denn?

Wenn man im Allgemeinen über das Vergeben innerhalb einer zwischenmenschlichen Beziehung spricht – dann gehört zum Vergeben auch immer Urteilen. Ich glaube nicht, dass diese beiden Dinge jemals voneinander getrennt werden können. Man könnte ja denken, dass Vergebung das Gegenteil von Urteilen sei. Dies ist jedoch überhaupt nicht der Fall. Im Grunde genommen ist es das Gleiche.

Wer war der Idiot und wieso, weshalb, warum?

Wenn meine Frau und ich nach einem Streit den Frieden wiederherstellen wollen, dann unterscheiden, differenzieren – und diskriminieren wir, weil wir herausfinden wollen, was eigentlich passiert ist. Wer war der Idiot und wieso, weshalb, warum? Damit dasselbe hoffentlich nicht noch einmal passiert. Diese Analyse erfordert eine sehr differenzierte Beurteilung. Wir müssen schließlich entscheiden, was wir wollen und was wir nicht mehr wollen.

In dem Maße, in dem wir fähig sind, uns ehrlich darauf einzulassen, können wir dann die Vergangenheit auch ruhen lassen und das Vertrauen wiederherstellen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie man das ernsthaft betreiben will, ohne diese Fähigkeit zum Unterscheiden und Beurteilen.

Und selbst wenn es darum geht, einer bereits verblichenen Person zu verzeihen: Auch das geschieht nicht dadurch, dass man einfach mit einem Tuch eine Leiche abdeckt. Man muss auch hier verstehen, was eigentlich passiert ist. Da muss ich nur an meine Arbeit mit traumatisierten Patienten denken – die können nicht einfach nur loslassen. Vor allem solche, die betrogen wurden, müssen häufig eine sehr ausgeklügelte Philosophie des Bösen entwickeln, bevor sie die traumatische Erfahrung hinter sich lassen können.

Aus ethischer Sicht extrem faul

Vergebung und mit allem davonkommen sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Und nur eine idiotische Gesellschaft würde diese beiden vermengen. Unsere Gesellschaft versucht sehr stark, in Richtung Barmherzigkeit, Mitgefühl und Vergebung zu kippen. Wir sind an einem Punkt, wo schon die Idee der Verurteilung als unethisch betrachtet wird. „Sei nicht so verurteilend!“ Doch!

Wie heißt es in der Bibel? „Urteilt nicht über andere, damit Gott euch nicht verurteilt.“ Schön und gut. Benutze dein Schwert auf eigene Gefahr, denn das, was du von Anderen erwartest, wird man auch von dir erwarten. Das heißt aber nicht, dass man ganz auf ein Urteil verzichten kann oder Derartiges moralisch machen würde. Das ist vollkommen unsinnig und aus ethischer Sicht extrem faul.

Man will doch die Spreu vom Weizen trennen. Und das meiste im Leben ist nun einmal Spreu. Die Dinge von allerhöchstem Wert sind hingegen selten. Und um sie zu erkennen und vom Geringeren unterscheiden zu können, ist wiederum sorgfältigstes Differenzieren gefragt. Dieses Beurteilen ist also ungemein wichtig. Ohne ein durchdringendes Urteil, das zwischen wertvoll und nicht wertvoll unterscheidet, ist wahre Vergebung nicht möglich. Wenn man in Harmonie leben will, müssen wir uns an den Frieden halten, der durch Beurteilung entsteht.

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Stephan Bender / 06.09.2023

Wenn das Leben “ein einziges Geben und Nehmen” ist, muss dann das Verzeihen ,nicht “ein einziges Vergeben und Vernehmen” sein? Und dieser Vernehmer, urteilt oder verurteilt er dann? Ohne ein durchdringendes Urteil, das zwischen “ver” und “nicht-ver” unterscheidet, ist eine wahre Gebung nicht möglich! Wenn man in Symphonie leben will, müssen wir uns an die Melodie halten, die durch die Notengebung entsteht. (Autor nach Diktat vereist.)

Hans-Peter Dollhopf / 06.09.2023

“Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.” Das Prinzip der Vergebung ist eine zivilisatorische Errungenschaft ohne jeglichen Bezug zu kodifizierter Rechtsprechung moderner Gesellschaft, denn das Strafgesetzbuch nennt als Gründe für “Vergebung” Verjährung, Schuldunfähigkeit, Rechtfertigungsgründe, Willkür des Gerichts ... Im christlichen Kosmos ist Vergebung jedoch allein Gottes Gnade am Tag des Zorns. Darum drückt “et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris” aus, weder Rachsucht noch Jähzorn in unsern Herzen zuzulassen, um der eigenen Vergebung willen. Dieses Mantra ist Gottes Aufforderung zu stoischer Gelassenheit!

Gabriele Klein / 06.09.2023

An Jordan Petersen und alle sich im Widerstand befindlichen Covid Ärzte und Pfleger:  Ich sah jenes kürzlich veröffentlichte Videos aus welchem hervorgeht dass Prof. Peterson anscheinend “umerzogen ” werden solle wenn er seine Linzez als Psychologe nicht verlieren wolle DAs mit Umerziehen kenn ich nur von totalitären Staaten.  Man scheint schamlos genug, deren Vokabular in aller Öffentlichkeit zu gebrauchen. Aber, machen Sie sich keine Gedanken, und betrachten Sie es als Kompliment im “open air” Knast Kanada KEIN anerkannter Psychologe zu sein. Ich würde, in Kanada unter der Hoheit eines Trudeaus so wenig Psychologie studieren wollen wie in der alten DDR oder Sovjetunion deren Folterknecht die Psychologie einst war.  Meine Eltern waren Beide nicht im BDM zu Hitlers /Zeiten und ohne entsprechende “Karriere” was ihnen hernach auch ohne diesen zum Kompliment gereichte Es ist wichtiger auf der richtiger Seite der Geschichte zu stehen u. im entscheidenden Moment diesbezüglich nicht zu versagen. Jeder Mensch weiß im Grunde wo sich diese Seite befindet auf der er gerne wäre, ehe er das Zeitliche segnet. Stressen lassen sollte man sich wegen sowas nicht, denn die letzte Kontrolle liegt nicht in Menschenhand und es kann sich alles von einem Moment auf den andern ändern, Keinerr hat die Gewissheit dass er den nächsten Tag erleben wird, auch nicht jene Narzissten die sich auf des Schöpfers Throne wähnen….R´ Pliskin meinte einst: kein Grund zur Sorge, das Vergangene ist Vorbei, die Zukunft noch nicht da. maßgebend sei somit das unmittelbare Jetzt und sonst gar nichts,was von manchem Ärger der Vergangenheit und Mancher Belastung die man in der Zukunft wähnt befreit, lebt man solches Bewußtsein konsequent. Ich glaube es sind nicht Wenige, die ihr Möglichstes tun werden Menschen wie Dr. Frank bis Jordan Peterson zu unterstützen.

Sabine Schönfeld / 06.09.2023

Das Konzept der Vergebung verstehe ich theoretisch durchaus, Gerechtigkeit gefällt mir hingegen wesentlich besser. Denn Gerechtigkeit wirkt auch in die Zukunft und verhindert dort Schlechtes, wo die Vergangenheit es nicht verhinderte. Es wird oft so getan, als wüssten die Täter nicht, was sie tun, aber in der Regel wissen sie es doch. Die Geschädigten sind ihnen meist einfach völlig egal, wer Empathie nicht kennt, ist von fremdem Leid nicht betroffen. Wer Gerechtigkeit erfahren hat, der hat die Chance zu vergessen und neu anzufangen, dann können die Wunden heilen, weil das Konzept der Realität wiederhergestellt ist. In politischer respektive gesellschaftlicher Hinsicht warte ich schon spätestens seit der ersten Merkel-Herrschaft auf die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, auf die Schließung des großen Risses in meiner von europäischen Wertvorstellungen geprägten Welt. Aber stattdessen wird der Riss immer größer und auch die Ungerechtigkeit. Und die Ampel zerfetzt auch noch den Rest, ich denke jetzt, ich lebe längst in einem Unrechtsstaat. Mit einem Elefantengedächtnis ausgestattet, sammle ich alles und ich plane weder zu vergeben noch zu vergessen. Ich möchte, dass die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird.

Gabriele Klein / 06.09.2023

“Zum Vergeben gehört auch immer Urteilen”. Apropos Urteil und Vergebung:  Ich warte derzeit auf das Urteil des Ministry of Justice in der Causa Biden..Wenn ich das was dieser Untersuchungsausschuss rund um James Comer da zu Tage gefördert hat richtig verstand, geht es um sage und schreibe an die 50 Millionen (?) “Nebenverdienst?” der Familie eines amerikanischen Vice President.  Ja und jetzt frage ich mich, wie ist es jemandem möglich, “nebenberuflich” 50 Millionen einzunehmen? Auch bei einer sehr großen Familie scheint mir das komisch denk ich an diese 520 Euro Grenze bei uns und den Trend zur Kleinfamilie. Sollte es sich hier jedoch um Haupteinkünfte gehandelt haben wäre meine Frage, welche Dienstleistung erfolgte im Gegenzug für an die 50 Millionen Dollar durch die Familie des Vice President? Und, wie groß ist eigentlich seine Familie im “weitesten” Sinne?  Ein Special Counsel scheint derzeit nach dem “smoking   gun” zu suchen.  Aber die allerbeste Spürnase muss scheitern wenn der Gestank der Kanonen i.der Ukraine zu dem des “smoking guns” im weißen Hause noch hinzukommt. Kein Wunder, bei so viel Gestank findet eine freie Nase nix mehr. Und, jene “Spitznasen”, die mit diversen Covid Varianten verstopft sind leider auch nicht. Man scheint genau hier stößt man an die Grenzen des Diversen .  (zumindest im nasalen Bereich)

Ralf Pöhling / 06.09.2023

Vergeben und vergessen geht ja nur dann, wenn beide Seiten offen miteinander reden. Das muss nicht in der Öffentlichkeit passieren. Genau genommen sollte es das eigentlich auch gar nicht. Sonst kann man ja nicht wirklich offen sein, weil sonst sofort irgendwer anders wieder ins Wort fällt, der mit der Sache gar nichts zu tun hat. Man muss nicht alles öffentlich ausdiskutieren. Man kann Frieden auch hinter verschlossenen Türen schließen und nach außen nur das Endergebnis kommunizieren. Der Rest kommt dann durch die sichtbare Annäherung.

Gabriele Klein / 06.09.2023

Ein wichtiger Beitrag.  Den Fokus auf das “Beurteilen” versteh ich jedoch nicht, da alles was wir tun Urteil voraussetzt,, Vergebung inklusive. Sie besiegelt jene Schuld die sie zeitigt.. Vergebung geht i.d. Regel d. Schuldanerkenntnis d.Schuldigen voraus, der ihre Beurteilung bei sich selbst vornimmt.  Ich empfehle zum Thema d.jüdische Lehre. Sie lohnt. für jeden, der seine geistige Gesundheit dieser Tage bewahren will. Das Verweigern d.Verzeihens trotz Abbitte /Entschädiging wird, wenn ichs richtig verstand im Judentum verurteilt, was mich an abendländische Rechtsprechung u. “mildernde Umstände” bei Schuldbekenntnis erinnert. Im Denken gewisser, “ums Judentum besorgter” nicht jüdischer Politiker kann ich jedoch diese Ethik b. besten Willen nicht mehr erkennen,, Siehe deren gezieltes Ausschlachten d.  Sünden ihrer Gegner in jungen Jahren ,trotz “Abbitte”,,wie derzeit beobachtet.  Hinzu kämen dann noch jene Politiker die völlig schamlos mit ihren “Jugendsünden”  u. einer damit einhergehenden Schläue noch im reifen Alter prahlend bei Wähler u. “Hofpresse” hausieren gehen, um von dieser noch ein paar extra “Punkte” d. Bewunderung für die einst sich selbst einverleibten Beeren zu bekommen nachdem man die Subventionen des “Sozialismus” zuvor gleichfalls für sich abkassiert hat. Ein dreifaches “Schmankerl” sozusagen, indem es möglichen Angriffen auf das “doppelt belegte Brötchen” des eigenen “Sozialismus” geschickt vorzubeugen weiß, ohne jede Bitte um Verzeihung.    Siehe 16.8.2009 Spiegel Jugend der Kanzlerin: Merkel verdiente mit Blaubeer-Trick ...

Sam Lowry / 06.09.2023

Das, was man uns bei der angeblichen “Pandemie” angetan hat, werde ich weder vergeben noch vergessen. Und man fängt gerade wieder an zu trommeln…

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