112-Peterson: „15-Minuten“-Stadt als digitales Gefängnis

Die Idee der „15-Minuten-Städte“ wurde in kürzester Zeit von moralisierenden Utopisten in ein digitales Gefängnis verwandelt.

Als die Idee der „15-Minuten-Städte“ aufkam, fand ich es sehr interessant, sich das Konzept näher anzusehen (Anm. d. Red.: 15-Minuten-Städte haben zum Ziel, wichtige Infrastruktur für die Bewohner im Umkreis von 15 Minuten Fußweg zur Verfügung zu stellen). Ich warf damals also einen Blick auf die Entwürfe dieser neuen Stadtplaner. Nun muss man wissen, dass unsere Städte in Nordamerika ziemlich durch die zersiedelten „McMansion“-Vororte mit billigen Fertighäusern verschandelt werden. Teilweise sind auch Wohngebiete der Mittelschicht ähnlich unansehnlich. Diese Vororte haben jedenfalls kein richtiges Stadtzentrum – kein Einkaufscenter, keine Bars, keine Kirchen. Nur eine endlose Ausbreitung von identischen Häusern.

Sie haben etwas Seelenloses an sich. Sie sind nicht auf eine Weise gebaut, die das menschliche Wohlbefinden fördert. Der Gemeinde fehlt einfach ein soziales Element – es gibt nur Kästen mit Individuen. Und in diesen Boxen gibt es mehrere kleine Boxen, in denen die Menschen jeweils abgekapselt mit ihren Smartphones hocken.

Diese neuen Stadtplaner sprachen also von örtlichen Zentren, wo sich Dinge des täglichen Bedarfs fußläufig finden sollten. Ein Gemeindezentrum, eine Kirche, ein Pub, ein Theater... Ich dachte auf Anhieb: Das ist vollkommen vernünftig, man sollte nicht jedes Mal ins Auto steigen müssen, wenn man einen Laib Brot kaufen will. Bald darauf konnte man jedoch beobachten, wie der Samen eines guten Gedankens sofort von den moralisierenden Utopisten vereinnahmt wurde. Diese fanden sofort einen Weg, um die „15-Minuten-Städte“ in ein digitales Gefängnis zu verwandeln.

Es war schon sehr abenteuerlich, diese Transformation zu beoachten. Und ich glaube, ein Beispiel dafür, warum Anhänger des freien Marktes stets den Zentralisten überlegen sind, ist Folgendes: Wenn man den Menschen eine „15-Minuten-Stadt“ baut, sollte sie wahnsinnig einladend sein, so dass die Leute dort in Scharen hinströmen und freiwillig ihre Autos stehen lassen, weil sie überall hinlaufen können und gar nicht mit dem Auto fahren müssen. Und wenn der Stadtplaner damit ein Vermögen erzielt, dann hat er alles richtig gemacht.

Aber wenn alles von Anfang an auf Nötigung, Zwang und dem Entzug der bürgerlichen Freiheitsrechte beruht, dann hat man doch sofort den Verdacht, dass es damit nicht genug sein wird. Und dass alle Vorteile nur eine Art Schmerzensgeld dafür sein werden, dass man diese Auferlegung von Gewalt akzeptiert.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Fred Burig / 06.03.2024

Die einfachste Variante einer 15- Minuten Stadt war früher ein gut organisiertes Dorf. Mit Tante-Emma-Laden- und/oder im Osten mit Konsum/HO, mit Bäckerei, Fleischerei, Schuhmacher, Schneiderei, kleine Baufirma, Tischlerei, Malerwerkstatt, Bauernhöfe, Schule, Gemeindeamt, Gasthof, Kirche mit Friedhof, Dorfarztpraxis, Poststelle, Sportplatz mit Turnhalle, Freibad, einer oder zwei Bushaltestellen und vielleicht noch einem kleinen Landwarenhaus. Es hat die Grundversorgung der Einwohner bestens abgedeckt und alles war fußläufig erreichbar. Für “höhere Ansprüche” fuhr man eben in die nächste Klein- oder Großstadt. Das Thema Material- und Warenangebot u.s.w. war in der “Zone” dabei eine ganz eigene Geschichte - Aber es war ideal für ältere Menschen! Heute steht dagegen nur noch die Frage, ob sich das überhaupt „rechnet“ ........  MfG

Thomas Taterka / 06.03.2024

Eine 15-Minuten-Stadt in landschaftlich reizvoller Provinz kann großartig sein, unter gescheiten Aussteigern, die auch soziale Begabung haben , soll heißen : Herz und Verstand . Aber das schwarze unter gehirngewaschenen Schafen zu sein, in einer Asphaltwüste , ist doch eine ziemlich undankbare Rolle, auf Lebenszeit . Siehe Cover von “Concrete Blonde - Roxy (Group Therapy - Radio Edition 2002)” , YouTube . - Ich werde jetzt kein positives Beispiel anführen , es ist nicht meine Art , tapferen Aussteigern das Leben unnötig schwer zu machen , aus glühendem Neid , weil ich persönlich dort nicht leben kann . Sie sollen glücklich leben bis ans Ende ihrer Tage . Der Mut nackter Verzweiflung , womöglich auf der Straße in einer Metropole zu enden,  hat es sich verdient .

Lutz Herrmann / 06.03.2024

Reisen bildet. Die 15-Minuten-Stadt als Antithese dazu.

Thomas Taterka / 06.03.2024

Kein Zweifel , wir sind unterwegs in die globale ” Normative Existenz” des angeblich modernen Menschen : soziale Norm , Sprachnorm , Bekleidungsnorm , Arbeits- und Freizeitnorm , Ernährungsnorm , Statussymbolnorm , ethische u. religiöse Norm etc. und - die Digitalisierung ist der Katalysator dieser Reise , bei der man am Ende den Verdacht nicht loswerden kann , in einem bösen Traum aufgewacht zu sein , wie unter Wirkung von sedativen Drogen. Falls man sich überhaupt noch erinnern kann , was individuelle Freiheit einst war in einer funktionierenden Gesellschaft mit z.T. gewaltigen Mängeln , die jedoch der offenen erwünschten Kritik aus allen Richtungen tabulos ausgesetzt war . Oft sogar bereits in einem Wohnhaus . Dank fortschreitender Gentrifizierung kennt man heute nur noch seinesgleichen und seinesgleichen Welt , die der eigenen aufs Haar ähnelt und durch den Zoo der Anderen fährt man gerade noch mit dem Auto durch , wenn’s nicht anders geht . Monaden , würde Leibniz ironisch scherzen . Trostlose stationäre Stammeskulturen , normiert von Kopf bis Fuß , wie vom Fließband einer Gedankenfabrik, würde ich sowas nennen . Ideologisch eingepfercht von Geburt bis zum Tod . Wie in der ” Truman Show ” von Peter Weir oder ” Broken Flowers ” von Jim Jarmusch .

T. Weidner / 06.03.2024

Vielleicht sollte erstmal ausgesprochen werden, was ein “15min-Umkreis” im Fußgängertempo bedeutet: Früher galt die Faustregel (flott gegangen!!!) in 12 min schaffe man einen Kilometer - und dann gibt es ja noch die Überalterung der Bevölkerungsstruktur - falls man nicht Ü60+X und gehbehindert “auslagert”. Und was versteht man unter “wichtiger Infrastruktur” - was gehört mit welcher Priorität dazu? Und ergänzt werden muss diese Betrachtung mit der Einwohnerdichte in diesem 15min-Umreis, die ja dem Kundenpotential entspricht - und dies projiziert auf die Örtlichkeit der Arbeitsplätze (Homeoffice, Nah- bzw. Fernpendler, Fluktuation/Arbeitgeberwechsel. Und vieles mehr, was mir auf die Schnelle nicht einfällt.

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