Mit seiner Einzigartigkeit eröffnet mir Japan eine so überragende Lebensqualität, wie ich sie nirgends sonst fand. Was ich aus Deutschland höre und was dort von politischen Verantwortungsträgern immer mehr zum Vorschein kommt, erschreckt mich eher und lässt mich auf meine alte Heimat mit Bedauern blicken.
日本石の上にも三年 (Japan, 3 years sitting on a rock.)
Neulich erhielten wir Besuch von einer Reporterin aus Atami, die von einer Kollegin der Atami Association for International Interchange über uns erfahren hatte und uns daraufhin kontaktierte, um einen kleinen Abschnitt unseres Lebens sowie einen Ausschnitt unserer Tätigkeiten in Japan zu dokumentieren (am Ende empfahl sie uns übrigens, unsere speziellen Trainingsangebote doch bis in ihre Metropole hinein auszuweiten, was wir probehalber demnächst starten werden).
Lassen Sie mich jedoch noch etwas weiter ausholen zu umfangreicherer Reflexion …
… unser neues Lebensumfeld auf Honshu, in einer der attraktivsten Gegenden dieser Welt gelegen, ist so herausfordernd wie chancenreich. Zwar erweist sich die Existenz in Japan nicht nur als spannend, sondern auch als recht kompliziert (Besonderheiten riss ich im Japanolog an), doch vor allem ist es zu meinem Wohlbehagen hier sehr ungleich zu Deutschland (wie in diesem Blog und an anderer Stelle zuvor schon formuliert) und offenbar auch zum Rest der Welt – Nippon existiert einfach in seiner ganz eigenen Sphäre. Mit seiner Einzigartigkeit eröffnet mir Japan eine so überragende Lebensqualität, wie ich sie nirgends sonst fand. Das hiesige Leben ist vor allem faszinierend für relativ freie, sowohl physisch (auch wenn mein demoliertes linkes Knie nur noch eingeschränkt funktioniert) als auch mental einigermaßen stabile und spezifische Herausforderungen liebende Männer. „Klimaschützer“, Klassenkämpfer, Vegetarier, Feministinnen oder Gender-Ideologen können hier kaum glücklich werden, was die Liebenswürdigkeit dieses hinreißenden Eilandes nach meiner Ansicht nur unterstreicht. Dieses Land erweist sich in so mancher Hinsicht als besonders kultiviert; ein wichtiger Aspekt zeigt sich für mich liberalen Freidenker darin, dass einem niemand über Gebühr auf’n Senkel geht, so wie es auch die Einheimischen ihrerseits bevorzugen, in Ruhe gelassen zu werden.
Nicht nur enorme Schönheit, sondern auch widersprüchliche Handlungsweisen sowie manch Skurriles finden sich in Japan und wie es sich manchmal zeigt, gibt es auch einige düstere Aspekte hier, doch Negatives kann ich zumeist ignorieren. Was ich jedoch aus Deutschland in medial lautstarkem Getöse höre und wie es dort von politischen Verantwortungsträgern immer mehr zum Vorschein kommt, erschreckt mich eher und lässt mich auf meine alte Heimat mit Bedauern blicken. Vielleicht brauchte es ja nach der Wiedervereinigung vor allem dieser einen, in ihrer spezifischen Art agierenden und intrigierenden Kanzlerin Merkel und ihrer „Grünen“ Unterstützer, um Deutschland in überspannter Manie umfassend so zu zerlegen wie sich dieses Land jetzt darstellt? So viel hysterisch einfältiger Transformationswille, so viel schaumig arrogantes und dabei doch dem Lande mit seinen Bürgern nicht zuträgliches Gehabe, Getöse und Selbstbeweihräucherung im Lichte von Inkompetenz und politischen Fehlleistungen sind so peinlich wie penetrant.
Geradezu lächerlich erscheinen globale Anmaßungen (z.B. „Klimaschutz“), wofür sie doch nicht einmal in Europa und ihrem eigenen Lande die Lorbeeren ernten, vgl. hierzu ihre Liste politischen Versagens: Bildungsmisere, Infrastrukturdesaster, Energiewende/“Klimapolitik”-Debakel, Immigrationsfiasko, E.U.-Spaltung (Brexit), €-Schuldenlast, Coronahysterie, Russlandpolitik – noch dazu die Kapitulation einer kritisch öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft, die in Opportunismus versinkt; so manche propagandistische Medienoffensive erinnert gar an DDR-Propaganda; traurig ist das …
Es gibt kein geschmackvolleres Land als Japan
Deutsche Einfalt und Intelligenz zeigen sich gewöhnlich offen; in Japan wiederum – man mag so etwas verurteilen, sollte es aber zumindest kritisch begutachten, um es dann möglicherweise verstehen zu können – erscheint vieles zwar regelhaft geordnet, aber eben doch wiederum mysteriös. Wenn ich unterschiedliche Informationen kombiniere und beurteile, so soll jenseits kultureller Traditionen ein komplex verflochtenes Beamtensystem namens "Kanryo" auf verschiedenen sozialen und politischen Ebenen des Landes von alters her machtvollen Einfluss geltend machen; so mancher hier nennt es auch Deep State).
Zwar ist für Zugewanderte wie mich ein traditionelles Verständnis für gegenseitige Abhängigkeiten hierzulande schwierig zu erlangen, doch erscheint mir ein sehr auffälliger Sinn für Fairness bis ins Private hinein in Japan besonders stark ausgeprägt. Wirtschaftliche und politische Bezüglichkeiten reichen historisch weit zurück, teils bis lange vor die Edo-Periode. Man darf nicht vergessen, dass Japan vor der Meiji-Reform Ende des 19. Jahrhunderts und in vielen Gegenden noch bis ins 20. Jahrhundert hinein feudalen Charakter hatte. So manche bis heute mächtige Familie, wie z.B. Toyota, legte die Fundamente ihrer Machtfülle während der Zeit der drei Reichseiniger (Nobunaga, Toyotomi, Tokugawa) bis zur Herrschaft der Tokugawa-Dynastie ab Anfang des 17. Jahrhunderts, da sie sich für siegreiche Streiter in der blutigen Sengoku-Periode (landauf, landab erfuhr dieses Land immer wieder Kriege über Generationen) engagierte, während andere Familien, wie z.B. Suzuki, weniger Erfolgreiche unterstützten und im Endeffekt seither immer ein wenig im Schatten der Sieger dümpeln. Freundliches Auftreten, natürlich ja, immer willkommen und für den Gast gibt es kein geschmackvolleres Land als Japan, doch zumindest zurückhaltende Vorsicht sei hierzulande geboten, denn Japaner bilden ihre Kunst des Maskenspiels seit sehr langer Zeit schon aus; besonders Geschäftsleute aus der Kanto-Gegend sind berüchtigt für ihre ausgefeilten Techniken, Kontrahenten psychisch unter Druck zu setzen und Emotionen zu kontrollieren.
In Deutschland – einer Nation, die bis in diese Tage hinein in der Mitte Europas so verzweifelt nach ihrer Identität sucht, dass sie ihre einstige Größe schon im 20. Jahrhundert auf einigen Gebieten wieder verspielte – erscheinen dagegen heutzutage immer mehr Entscheidungsträger, nicht nur diverse Politiker, auf der einen Seite etwas einfältig, auf der anderen Seite wiederum skrupellos. In den für technische Innovation und zur Beurteilung technologischen Fortschritts so wichtigen naturwissenschaftlichen Fachgebieten behauptet sich Japan seit vielen Jahren an der Weltspitze, an der man zu früheren Zeiten auch viele deutsche Erfinder und Gelehrte hatte finden können, während Deutschland zur heutigen Zeit immer deutlicher unter ferner liefen (vgl. TIMSS) agiert und sein Nachwuchs den Bildungsanschluss an führende Nationen verliert – tragisch ist das. Selbst verantwortliche Politiker in Deutschland folgen derzeit aus Berechnung, Unkenntnis oder vielleicht geblendet von Modethemen, pseudoreligiöser Apokalyptik bzw. irrealem Idealismus so aufgeblasenen Losungen wie: „100% erneuerbare Energien … Klimaneutralität … Dekarbonisierung … feministische Außenpolitik … Gendern“ u.a.m. an illusorischen und/oder inhaltleeren Schlagworten sowie Versatzstücken aus ihrer Phraseologie, die mit moderner, abendländischer Lebenspraxis nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Die sog. Vierte Gewalt, die doch kritisch und objektiv die Arbeit der Parlamentarier begleiten sollte, verschwimmt derweilen hinter einem Nebel aus Haltungsjournalismus – vielleicht entweichen daher seine Talente und das Land erscheint mit seiner Führungsspitze im Gegensatz zu ihren forsch gespielten Auftritten wie paralysiert umher taumelnd?
Hier in meiner neuen Heimat genieße ich also mehr oder weniger meine Ruhe (freilich könnte man auch behaupten, die Leute wollten nichts mit mir zu tun haben, doch dazu weiter unten); Versicherung, Steuern u.a. laufen über meine (japanische) Ehefrau, die wie andere hier traditionell ohnedies die Finanzen der Familie regelt; die Immigrationsbehörden besuche ich nur alle paar Jahre, um mein Visum zu verlängern – ein Phänomen ungeregelter, gar illegaler Zuwanderung wie in Deutschland existiert in Japan kaum, obschon der Andrang, hier einzureisen und durch Arbeit zu mehr Wohlstand zu gelangen, aus vielen Ländern Asiens sehr groß ist. Politisches Asyl ist streng reglementiert; Sozialhilfe zu erhalten, ist in Japan äußerst kompliziert und die meisten Migranten reisen nicht nur mit Sprachkenntnissen ein, sondern meist auch schon mit Arbeitsvertrag, Study&Work-Visum oder Vergleichbarem – eine ganz im Gegensatz zu Deutschland für Japan nützliche Praxis.
Buddhistische Entspanntheit ist nicht nur ein Klischee
Nun bin ich selbst einigermaßen unabhängig. Unsere Nachbarn kennen mich hier als jemanden, der niemanden nervt, nicht missioniert oder kriminell agiert, der keinem auf der Tasche liegt, im Notfall klaglos zur Hand geht und ansonsten gelassen frei das japanische Leben meistert. Vieles erscheint hierzulande ohnehin weniger verbissen, buddhistische Entspanntheit ist nicht nur ein Klischee. Japanische Sinne sind speziell für Ästhetik exzellent ausgeprägt und die Faszination ihrer Frauen ist so atemberaubend, dass auf diesem Niveau nach meiner Erfahrung nur noch israelische oder ungarische Schönheiten mithalten können.
Offenbar lassen sich Japaner im Gegensatz zu vielen Deutschen nicht mehr so leicht vera*schen – der Mythos vom „Klimaschutz“ wird hier nicht sehr ernst genommen; Kernenergie harrt weiterem Ausbau; Elektromobilität ist unerheblich; Greenpeace, WWF, FfF, XR, LG o.a. dubiose Grüppchen sind ohne Relevanz. Japaner lieben ihre Umwelt, gewöhnlich schützen und pflegen sie sie auch, aber globaler Idealismus, wie es einige Deutsche in Puncto Klima vorgeben, ist offenbar hiesigen Zen-Buddha und Shinto geprägten Auffassungen fremd. Feminismus/Genderismus/Quoten bleiben nebensächlich und wer sich in diesem Lande mit seiner herrlich abwechslungsreichen Küche vegetarisch geschweige vegan ernährt, bestraft sich nur selbst.
Zur Zeit befinden sich offensichtlich die Parteien Deutschlands in einer Vertrauenskrise gegenüber dem Souverän (Volk/Wähler) und auch in Japan zeigen viele Bürger nicht allzu viel Interesse in Bezug auf ihre Politiker (die Wahlbeteiligung ist hier unterirdisch schlecht). Doch gäbe es hier eine Partei wie die Grünen, in der übergewichtige oder vielfliegende Spitzenpolitiker dem Volke die richtige Ernährung und den Verzicht auf Flugreisen vorschreiben wollten – sie wäre sofort lautstarkem Spott auf allen Kanälen ausgesetzt.
Wir leben hier seit fast zwei Jahren in unserem lauschigen Orte längs der Sagami-Bay am Pazifik, wo wir auch an diversen gesellschaftlichen Angelegenheiten teilhaben und eine Firma (MitteJapan Co. Jp. Ltd./mittejapan.com) gründeten. Unser soziales Engagement hier basiert auf athletischen und künstlerischen Kenntnissen sowie Erfahrungen, die wir seit Jahren teilen, pflegen und vermehren; meine literarischen sowie lektorischen Obligationen und Leidenschaften laufen nebenher wie bei so vielen Freiberuflern heutigentags.
Nun ist es nicht so, dass ich hier bekannt wie ein bunter Hund bin, aber so viele wie mich gibt’s in der näheren Umgebung wiederum auch nicht. Japaner sind durchaus neugierig auf uns Gaijin/外人 (Jemand von Außen), die sich in ihrem Lande niederließen und ich habe dann und wann auch mal so bizarre wie bewegende Begegnungen, die wiederum zu neuen Bekanntschaften führen. So geschah es also kürzlich, dass eine Reporterin der wichtigsten Lokalzeitung unserer Stadt Atami zu einem Interview in ihre Redaktion einlud, uns zu einem Fototermin besuchte und einen Artikel auf ihrer ersten Seite veröffentlichte, lesen Sie selbst :-)
Bernd Hoenig ist Religionswissenschaftler, Jahrgang 1966, lebte in Berlin, traf seine heutige Ehefrau Mayu 2016 in Deutschland und ist 2017 nach Japan ausgewandert. Er bietet am Yoshihama Beach mit seiner Firma MitteJapan (mittejapan.com) Yogaklassen an. Dieser Beitrag erschien zuerst in seinem Blog Japoneseliberty. Dort beleuchtet er bevorzugt nichtalltägliche Themen, beurteilt aus der liberalen Sicht eines abendländisch freien Geistes.