Rüdiger Stobbe / 05.04.2022 / 10:00 / Foto: Doenertier82 / 3 / Seite ausdrucken

Woher kommt der Strom? 12. Analysewoche 2022

In der windarmen Woche war allein die Braun- und Steinkohleverstromung in Deutschland stärker als die gesamte regenerative Erzeugung zusammen. Die kam nur auf einen schlappen Anteil von 34,5 Prozent.

 

Die 12. Analysewoche (Abbildung) war windarm. Die Sonne schien hingegen für die Jahreszeit kräftig. Kurz: Es war eine Schönwetterwoche. Allein die Braun- und Steinkohleverstromung (4,076 TWh) in Deutschland war stärker (Abbildung 1) als die gesamte regenerative Erzeugung zusammen (3,749 TWh). Hinzu kommt noch die Stromerzeugung mittels Gas (1,847 TWh), Kernkraft (666,8 GWh) und anderen konventionellen Erzeugern (540,4 GWh). Lediglich 34,5% des bundesdeutschen Stroms wurden regenerativ erzeugt. Zusätzlich mussten noch 0,5518 TWh Strom von unseren Nachbarn importiert werden, um den Deutschlands Strombedarf (10,88 TWh) zu decken. Das schlug sich immer in hohen Importpreisen nieder (Abbildung 2). Es wurden wieder mal feine Preisdifferenzgeschäfte gemacht (Abbildung 3). Von einigen unserer Nachbarn. Nicht von Deutschland.

Dass eine Verdoppelung der Wind- und PV-Stromerzeugung ebenfalls nicht ausreichen würde, um den Bedarf zu decken, braucht nicht betont zu werden. Sogar bei einer Verdreifachung wäre die – wichtig – durchschnittliche Bedarfsdeckung nur an zwei Tagen gewährleistet. Über Tag, wenn die Sonne stark auf die Paneele scheint, wird viel zu viel Strom erzeugt, während der Windstrom auch bei einer Verdreifachung nicht genügt. Im Durchschnitt aber ist „genug“ Strom vorhanden (Abbildung 4).

Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 5 ab. Es handelt sich um Werte der Nettostromerzeugung, den „Strom, der aus der Steckdose kommt“, wie auf der Website der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Der höchst empfehlenswerte virtuelle Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.) ist unter Abbildung 6 zu finden. Ebenso wie der bewährte Energierechner.

Die Charts mit den Jahres- und Wochenexportzahlen liegen unter Abbildung 7 ab. Abbildung 8 zeigt einen Vortrag von Professor Brasseur von der TU Graz. Der Mann folgt nicht der Wissenschaft. Er betreibt Wissenschaft.

Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche ab 2016 in der jeweiligen Tagesanalyse. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vieles mehr. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysetool stromdaten.info ein sehr mächtiges Instrument, welches nochmals erweitert wurde:

  • Strom-Import/Export: Die Charts
  • Produktion als Anteil der installierten Leistung
  • Anteil der erneuerbaren und konventionellen Erzeugung am Bedarf
  • Niedrigster, höchster und mittlerer Strompreis im ausgewählten Zeitraum
  • NEU: Beitrag der regenerativen Stromerzeugung zum Bedarf

... sind Bestandteil der Tools „Stromerzeugung und Bedarf", „Zeitraumanalyse“ sowie der Im- und ExportanalyseCharts & Tabellen. Schauen Sie mal rein und analysieren Sie mit wenigen Klicks. Die Ergebnisse sind sehr erhellend.

Ist ein Land mit hohen Stromexporten, zum Beispiel Deutschland, auch für Flautenzeiten gewappnet? Mit der Frage, ob Deutschland als Stromexporteur genügend Strom auch für die Zeit schwacher regenerativer Stromerzeugung zur Verfügung steht, befasst sich dieser Artikel ausführlich.  

Zum Thema Wasserstoffwirtschaft lesen Sie hier einen bemerkenswerten, brandaktuellen Artikel bei Enexion.

Tagesanalysen

Montag, 21.3.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 45,37 Prozent, davon Windstrom 19,25 Prozent, PV-Strom 15,93 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,19 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Über Tag ging es mit der Windstromerzeugung bergab. Die Vorabendstromlücke musste per Import hochpreisig geschlossen werden. Die Konventionellen bullerten kräftig. Der Handelstag.

Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 21.3. ab 2016.

Dienstag, 22.3.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 36,39 Prozentdavon Windstrom 7,18 Prozent, PV-Strom 18,21 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,00 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Die Windstromerzeugung fällt nahezu komplett aus. Wieder fallen hohe Importstrompreise an, obwohl die Konventionellen wieder wacker produzieren. Der Handelstag.

Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 22.3.2022 ab 2016.

Mittwoch, 23.3.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 33,57 Prozent, davon Windstrom 4,17 Prozent, PV-Strom 18,19 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,21 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Die Windstromerzeugung geht gegen Null. Zwei Stromlücken, die – hochpreisig – geschlossen werden. Die konventionelle Stromerzeugung, der Handelstag.

Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 23.3. ab 2016.

Donnerstag, 24.3.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 32,77 Prozent, davon Windstrom 3,36 Prozent, PV-Strom 18,19 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,21 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Das gleiche Bild wie gestern. Die Preise, die Konventionellen, der Handelstag.

Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 24.3. ab 2016.

Freitag, 25.3.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 38,24 Prozent, davon Windstrom 8,62 Prozent, PV-Strom 18,09 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,53 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Ein klein wenig mehr Windstrom. Vor allem ab spätem Nachmittag. Ansonsten nichts Neues. Im Wesentlichen. Die Preise, die Konventionellen, der Handelstag.

Belege für Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 25.3 ab 2016.

Samstag, 26.3.2022: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 48,62 Prozent, davon Windstrom 20,20 Prozent, PV-Strom 16,87 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,55 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Ein Mini-Windbuckel. Doch dann geht es wieder runter mit der Windstromerzeugung. Die Konventionellen bullern immer noch kräftig. Vor allem ab nachmittags. Wegen des Samstags entsteht weniger Bedarf. Deshalb heute keine teuren Strom-Versorgungslücken. Der Preis fällt insgesamt gegenüber den Vortagen. Der Handelstag.

Belege für die Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 26.3. ab 2016.

Sonntag, 27.3.2022: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 40,92 Prozent, davon Windstrom 7,79 Prozent, PV-Strom 20.34 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,8 Prozent. Quelle der prozentualen Auswertung sind die Werte der Tabelle der Energy-Charts. Die Agora-Chartmatrix.

Die Windstromerzeugung ist wieder im Keller. Dennoch ist kein Stromimport nötig. Der Bedarf ist so gering, dass Deutschlands eigene konventionelle Stromerzeugung genügt, um diesen zu decken. Die Preise bleiben „niedrig“. Natürlich immer nur in Relation. Insgesamt liegen die Strompreise in sehr hohen Dimensionen. Dennoch: Wenn Deutschland exportiert, wird der Strom immer billiger.

Insgesamt behaupte ich, dass die Energiewende, welche bisher praktisch nur eine unvollendete Stromwende ist,  sich Woche für Woche selber ad absurdum führt. Nur mit den Zahlen, die jede Woche ausgewertet werden. Wer das nicht so sieht, möge bitte den Gegenbeweis antreten. Die Fakten liegen offen und klar auf dem Tisch.

Belege für die Werte im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 27.3. ab 2016.

Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. 

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

 

Rüdiger Stobbe betreibt seit über sechs Jahren den Politikblog http://www.mediagnose.de.

 

Anm. d. Red.: In der ursprünglichen Version dieses Artikels war im ersten Absatz bei Kernkraft und anderen konventionellen Erzeugern von TWh statt GWh die Rede, außerdem stiftete fehlerhafte Interpunktion bei den Zahlen Verwirrung. Wir haben die Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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Leserpost

netiquette:

Dr.-Ing. Hans-Dieter Sommerlatt / 05.04.2022

Die Ausdauer, mit der Herr Stobbe wöchentlich das EE-Stromangebot analysiert, ist bewundernswert. Was uns bei ganzjähriger Betrachtung nach dem Ausbau auf 100% EE blüht, habe ich für drei Ausbauvarianten auf Basis der nicht Corona-verfälschten Daten des Jahres 2019 ermittelt. Link zur pdf-Datei leider nicht zulässig. Wichtigste Ergebnisse: (2035 - 10060) Goldisthal-Pumpspeicherwerke oder <1,11 Milliarden ID.4-Akku sind nötig (EE-Ausbau gleichmäßig, nur Seewind, nur Solar, S.13) Ohne Speicher, Import … ist der Bedarf <69% des Jahres nicht gedeckt. 90% Deckung erfordert <33 Irsching-Gasturbinen-Reservekraftwerke (S.32). H2 als Speicher scheitert mangels Giga-Elektrolyseure/Transportkapazität/Brennstoffzellen, gutem Wirkungsgrad (Goldisthal bis 83%). Der geringe H2-Heizwert (S.1) bedingt bei Gasturbinen-Umstellung die <4-fache Kraftwerkszahl (<133 Irsching). Extrem volatiler EE-Strom (S.15) verursacht hohe Unsicherheit & Kosten – je Stunde 35 - 100% Deutschlands zu/abschalten. Kurzfristig ist zusätzlich zur aktuellen Gasproblematik ist zu beachten: 2022 fallen 6 AKW = 8113 MW und zusätzlich 2400 MW aus KKW weg. 15160 Windräder (3,3MW, 229m hoch, 103dBA laut) oder 838/2396 km² Photovoltaik (Plan/real) ersetzen sie mangels Speicher nur theoretisch. Zum CO2, dem EE-Verursacher Mit der Absorption der Wärmestrahlung der Erde durch CO2 verhält es sich so wie mit der Absorption des Lichtes beim Blick in einen See: Sie sehen den Grund noch bei geringer Wassertiefe, aber nicht mehr bei 50 oder 100m (alles vom Grund reflektierte Licht wird ab einer bestimmten Tiefe absorbiert, mehr geht nicht). Das gilt auch bei CO2: Ab einer bestimmten Konzentration ist der Absorptionskoeffizient a=1, d.h. jede weitere Erhöhung hat keinen Einfluß! S.34 gibt den maximalen CO2-Einfluß wieder. Lt. S. 33 ist nur der 15,1µm-Bereich mit a ca. 0,6 wichtig (bei 4,26µm ist a=1), d.h. ab 1,67-fachem CO2-Gehalt (ca. 670 ppm) ist jede weitere Steigerung bedeutungslos.

Dieter Kief / 05.04.2022

Der verlinkte Beitrag über das Pilotprojekt Umbau des Kohlekraftwerks HH Moosburg zur Erzeugung von Grünem Wasserstoff ist - sehr informativ- danke auch dafür. Und dieser Beitrag über Grünen Wasserstoff als Treiber des klimafreundlichen Umbaus der Industriegesellschaft ist zudem: Überaus ernüchternd. Man muss ihn nur durchlesen und erlebt einen erheblichen Grusel. Oha. Das ist Annalena-Baerbock-Gebiet reinster Provenienz, wie man hier schreiben kann, ohne Missverständnisse befürchten zu müssen, hehe.

S. Wietzke / 05.04.2022

Ja, es gibt einen massiven Fehler in den Analysen. Aus den Vogelschreddern und dem Elektroschrott auf den Dächern kommt nämlich gar keine nutzbare Energie. Der kommt aus dem europäischen Ausland und vor allem aus China. Warum aus China? Na weil die Vogleschredder und der Elektroschrott im globalen Energiebilanzkreis eine Senke darstellen. Nur wird der Strom aus China nicht als “Strom” geliefert sondern in Form von Warenströmen. Also wer in Energie investiert sollte da unbedingt eine Doppelstrategie fahren. Nämlich sowohl in sinnfreie Verbraucher (z.B. Vogelschredder) investieren und in echte Energiequellen. Mit dem ersten Teil pumpt man das Geld der Volldeppen (formaly known as citizens) ab und das treibt dann noch mal so richtig den Bedarf an Kohle, Öl und Gas an. So kann man doppelt kassieren.

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