Sturmtief Klaus rüttelt Deutschland durch und selbstverständlich wird viel, viel zu viel Windstrom erzeugt (Abbildung). Gibt es das überhaupt? Zu viel Windstrom? Es kommt – wie immer – auf die Sichtweise, den Standpunkt an. Für den Stromkunden wird der Strom richtig teuer. Zum einen müssen die hohen Windstrompreise, welche das EEG vorsieht, müssen die Subventionen für den Windstrom gezahlt werden. Zum anderen wird überschüssiger Strom an unsere europäischen Nachbarn nicht nur verschenkt. Zum Teil muss sogar Geld mitgegeben werden (Abbildung 1). Geld, welches auch der Stromkunde zahlt. Für den ist viel Wind in dieser Woche kein gutes Geschäft. Anders sehen das die Windmüller. Die machen nach gut zwei Monaten schwacher Windstromerzeugung endlich mal richtig Kasse.
Die zehnte Analysewoche ist auch ein feines Beispiel für die Notwendigkeit der konventionellen Stromerzeugung. Um die 20 GW müssen und werden durch Großkraftwerke mit ihren rotierenden Strom-Erzeugungsmassen, den gewaltigen Generatoren erzeugt. Dadurch wird die Netzfrequenz von 50 Hertz sichergestellt, die für die Stabilität des Stromnetzes unabdingbar ist (Abbildung 2). Sehr schön wird deutlich, dass zum Ausgleich von Bedarfsspitzen konventioneller Pumpspeicherstrom eingesetzt wird. Die konventionellen Stromproduzenten sind bemüht, ihre Erzeugung so gering wie möglich zu halten.
Ein kleines Gedankenexperiment: Sehen Sie sich Abbildung 2 nochmal an und stellen Sie sich vor, die beiden unteren Balken, der Kernkraftstrom und der Kohlestrom, fehlten. Wodurch würde er ersetzt? Auf jeden Fall durch Strom, der fossil, also mit CO2-Ausstoß erzeugt wird. Für das ,Klima‘ also ein schlechtes Geschäft. Auch wenn die wegfallende installierte Leistung durch Windkraftwerke ersetzt würden, es fehlten die rotierenden Massen, die die Netzstabilität sicherstellen. Machen wir uns nichts vor. Smarte Netzstabilität wird mittels gezielter Stromabschaltungen gesichert. Womit die Stromzuteilungswirtschaft, sprich Strommangelwirtschaft real würde. So weit ist es aber noch nicht. Weder ist die digitale Infrastruktur (Smartmeter) noch genügend installierte Leistung regenerativer Stromerzeugung vorhanden. Die Kernkraftwerke werden gleichwohl vom Netz genommen. Der Kohleausstieg findet ebenfalls bereits statt. Wie schrieb mir neulich ein Leser: Bevor man den alten Pullover wegwirft, sollte ein neuer vorhanden sein. Sonst friert man. Lesen Sie den Artikel „Das Dilemma zwischen dem Abschalten kontinuierlicher und dem Zubauen volatiler Stromerzeugung" (Abbildung 3). Dort wird das Problem ausführlich beleuchtet.
Dass unsere europäischen Nachbarn sich bereits auf das Sturmtief Klaus gefreut haben, ist sehr wahrscheinlich. Bedeutet es doch, dass Strom sehr günstig eingekauft werden kann. So kam es denn auch (Abbildung 4). Es wurde eingekauft, was das Zeug hielt. Sogar Polen war mit dabei. Zum Beginn der Woche allerdings, da benötigte Deutschland viel Strom. Der wurde denn auch teuer bezahlt, wie die Abbildungen 1 & 4 belegen.
Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 5 ab.
Abbildung 6 enthält den Chart mit der angenommenen Verdoppelung der Wind- und Photovoltaikstromerzeugung. An den letzten vier Tagen der Woche hätte die Verdoppelung ausgereicht, den Strombedarf Deutschlands im Tagesdurchschnitt zu decken. Was aber war der „Preis“ für die Bevölkerung? Ich meine nicht den oben bereits erwähnten ökonomischen Verlust. Ich meine das Wetter, das mit Sturmtief Klaus einherging. Es war gar garstig. Das ist ein Aspekt, dem meines Erachtens viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Starke Windstromerzeugung an Land geht in aller Regel mit schlechtem Wetter einher. Genau wie starke Photovoltaikstromerzeugung im Sommer oft mit Heißwetter verbunden ist. Fast könnte man meinen, die Energiewende frisst ihre Kinder. Sie funktioniert nur „richtig“ bei Extremwetter. Extremwetter, das man mit der Energiewende nivellieren zu können meint. Fakt ist, dass es immer schon Stürme und heiße Sommer gab. Das ist normal für die gemäßigte Klimazone. Sehr abwechslungsreiches, an den Jahreszeiten orientiertes Wetter mit Ausschlägen nach oben und nach unten.
Den Jahres- und Wochenchart des Im- und Exports finden Sie unter Abbildung 7. Abbildung 8 enthält den Link zum Energierechner, mit dem Sie den Wegfall diverser Energieerzeugung und vieles mehr simulieren können. Er ist in das Analysetool www.stromdaten.info integriert, mit dem vielfältige Untersuchungen in Sachen Strom/Wasserstoff/Batteriespeicher u.v.m. durchgeführt werden können. Darüber hinaus sind etliche Informationen abrufbar. Zum Beispiel die jeweils aktuelle Netzfrequenz.
Abbildung 9 führt zu einem brandaktuellen Artikel, der auf FOCUS-Online am 20.3.2021 erschienen ist. Geschrieben wurde er von Klaus H. Richardt. Er ist Diplom-Ingenieur und war 38 Jahre mit Entwicklung, Konzeption, Vertrieb, Realisierung, Inbetriebnahme, Betrieb und Modernisierung von Wasserkraft- und thermischen Kraftwerken (Nuklear-, Kohle-, Öl-, Müllheiz-, Gas-, Kombi- und Solarkraftwerke) beschäftigt. Der Artikel fasst viele Aspekte, die in dieser Kolumne detailliert analysiert und dargestellt werden, zusammen. Er ist sehr zu empfehlen.
Erinnern Sie sich noch an das Gedankenexperiment oben? Klicken Sie hier und spielen (An- und ausschalten der Buttons Kernkraft, Kohle, Braunkohle & weitere) Sie alle Möglichkeiten ganz konkret für die zehnte Analysewoche durch. Beachten Sie auch die Menge fehlenden Stroms zu Beginn der Woche und in welchem Umfang er konventionell hergestellt wird. Und wie es am Ende in zwei Zeiträumen doch nicht reicht. Und Strom importiert werden muss.
Tagesanalysen
Montag, 8.3.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 28,38 Prozent, davon Windstrom 5,41 Prozent, Solarstrom 12,16 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,81 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Wochenanfang. Die Flaute der vergangenen Woche setzt sich fort. Bis einschließlich Mittwoch. Die Solarstromerzeugung ist befriedigend. Das Wetter ist insgesamt ordentlich. Um 6:00 fehlt etwas Strom. Der erste von fünf Preishöhepunkten der Woche ist gesetzt. Den Konventionellen gelingt es trotz massiven Pumpspeichereinsatzes nicht, die Stromlücke am Vorabend zu schließen. Der zweite Strompreishöhepunkt wird erreicht. Der kostet schon richtig Geld. Vor allem Frankreich und die Schweiz profitieren dank Preisdifferenzgeschäften.
Dienstag, 9.3.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 25,17 Prozent, davon Windstrom 6,62 Prozent, Solarstrom 8,61 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,93 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Fast das gleiche Bild wie am Montag. Heute allerdings profitiert Deutschland. Das Land steuert selbsterzeugten Strom zum Strombedarf Europas bei und macht Kasse zum dritten Preishöhepunkt. Am Vorabend allerdings ist es wie so oft: Die konventionelle Stromerzeugung kann die Lücke nicht ökonomisch sinnvoll schließen. Es lohnt wahrscheinlich nicht, ein weiteres Kraftwerk hochzufahren. Da zahlt man lieber den hohen Importstrompreis.
Mittwoch, 10.3.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 41,18 Prozent, davon Windstrom 22,88 Prozent, Solarstrom 7,84 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,46 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Zwischen 6:00 und 8:00 liegt heute Morgen der fünfte und letzte Preishöhepunkt der Woche. Die Windstromerzeugung zieht ab Vormittag stark an. Es sind die Vorboten des bereits erwähnten Sturmtiefs Klaus, welches nur noch Strompreistiefpunkte mit sich bringt. Zunächst aber bezahlt Deutschland noch recht kräftig für die Deckung der Stromlücke am Morgen. Dank der verstärkten Windstromerzeugung gibt es keine Vorabendlücke. Trotz sinkender Erzeugung schaffen es die Konventionellen mit Pumpspeichereinsatz, diese Lücke zu verhindern. Eine feine Leistung. Der Im- und Export erfolgt durch diese Nachbarn.
Donnerstag, 11.3.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 72,93 Prozent, davon Windstrom 59,54 Prozent, Solarstrom 4,05 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,25 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Rumms, Sturmtief Klaus ist da. Der Strompreis fliegt in den Keller. Der Strom wird drei Stunden lang verschenkt. Die Konventionellen führen dank der Pumpspeicherkraftwerke gut nach. Sie können nicht weniger Strom erzeugen. Sonst wird die Netzstabilität gefährdet. Der Strombedarf am Vorabend bringt einen guten Preis. Überhaupt, wenn man vom Morgen absieht, läuft der Tag für Deutschland befriedigend.
Freitag, 12.3.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 75,00 Prozent, davon Windstrom 58,14 Prozent, Solarstrom 8,14 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 8,72 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Heute kostet der Strom um 11:00 Uhr 0,01 €/MWh, um 14:00 Uhr sind es 0,09 €/MWh. Dazwischen wird der Strom mit Bonus verschenkt. Die Sonnenstromerzeugung zieht den Preis nach unten in den Negativpreiskeller. Die Konventionellen müssen ihre Produktion um die 20 GW halten. Regulativ ist der Pumpspeicherstrom, der wenigstens am Morgen und Vorabend guten Ertrag einfährt.
Samstag, 13.3.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 78,13 Prozent, davon Windstrom 63,75 Prozent, Solarstrom 5,00 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,38 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Zum vielen Windstrom gesellt sich nun auch noch der geringe Bedarf zum Wochenende. Das Preisniveau sinkt massiv ab. Über Mittag fallen wieder negative Strompreise an. Die Konventionellen sind „machtlos“.
Sonntag, 14.3.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 71,94 Prozent, davon Windstrom 53,96 Prozent, Solarstrom 7,19 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,79 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Sturmtief Klaus zieht weiter. Dennoch: Die Strompreise bleiben sehr niedrig. Wieder ist es konventioneller Pumpspeicherstrom, der zum Vorabend bei weiter nachlassender Wind- und Sonnenstromerzeugung zumindest keine Verluste zulässt. Der Handelstag im Einzelnen.
Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.