Diesmal haben wir bei einem Inder in Berlin-Schöneberg geguckt. Das kann man Fußball-Autisten nur empfehlen. Keine schwitzenden, stinkenden Leiber, keine unqualifizierten Kommentare (außer von Herrn Réthy, aber dazu kommen wir später), keine Tröt-Idioten, es ist Fernsehen im Schatten der wunderschönen indischen Beauties und Götter, die an der Wand hängen. Über der Bar eine fröhliche Blink-Blink-Welt indischer Götter, in der Luft feiner Räucherstäbchenduft. Eine Opfergabe für die Götter, die offenbar aber leider zu den Serben hielten.
Wir waren fast unter uns: Der indische Wirt, die Kellnerin, vier beinahe stumme Fußballfans, ein schweigsames Ehepaar und ich. Die beiden waren die größten Anti-Fans, die ich je gesehen habe. Gemeinsam wogen sie, freundlich geschätzt, 250 Kilo und offenbar hatten sie nicht vor, ausgerechnet am Freitag eine Diät zu beginnen: In der größten Sommerhitze bestellten sie jeweils eine indische Riesen-Brutzel-Pfanne, die in Indien für eine mittelgroße Familie gereicht hätte. Die Inhalte der Brutzel-Pfannen wurden schweigend verzehrt. 90 Minuten lang! Rote und gelbe Karten, Elfmeter, Fouls, Schicksalssekunden- all das ging völlig spurlos an den beiden vorüber. Beeindruckend.
„Schweinsteiger wechselt die Schuhe“, kommentierte irgendwann Béla Réthy, der vermutlich langweiligste TV-Kommentator des Planeten, eine Szene. „Von Sommer auf Winter?“, fragte hämisch ein Mann am Nebentisch. Man fragt sich schon, wie man in die erste Liga der Fußballkommentatoren kommt. Réthy, so lese ich in seinem Wikipedia-Eintrag, spricht fünf Fremdsprachen. Vermutlich kennt er sich auch mit Fußball aus – allein, er kann es nicht rüberbringen. Kein Enthusiasmus, keine Leidenschaft, der Mann ist eine Schlaftablette. Es gibt in der EU für alles Vorschriften und Regeln – wer nimmt sich bitte einmal der Ausbildung von Fußballkommentatoren an? Sind Gurken zu krumm, Tomaten zu klein, Bananen zu gelb, werden sie ausgewechselt. 90 Minuten lang plus Nachspielzeit habe ich darauf gewartet, dass es kracht und der Mann rechts unten schnarchend aus dem Fernsehgerät fällt. Nichts geschah. Ich werde dennoch weiterhin an Wunder glauben. Nachdem Miroslav Klose die rote Karte sah, stellte Réthy fest: „Jetzt muss die Mannschaft noch mehr zusammenrücken.“ Ja, klar, Kuscheln und Liebhaben gehört zu den Tätigkeiten, die auf der Prioritätenliste eines Fußballprofis ganz oben stehen. Béla Réthy weiter: „ Ein 1:1 vor der Pause lässt das alles ganz anders aussehen“ (da bestand noch Hoffnung auf einen Sieg der Deutschen). Ein 1:1 nach der Pause auch. Leider kam alles anders.
Beim Gehen fragte ich den indischen Wirt, warum eigentlich die Inder nicht bei der Fußball-WM mitspielen. Er lächelte: „Wir spielen Cricket!“, erklärte er. Vielleicht sollten die deutschen Fußballer einfach umschulen, wenn das so weiter geht.