Wolfgang Röhl / 28.12.2014 / 19:51 / 11 / Seite ausdrucken

Wir Weltzerstörer. Exkurs über den Laubbläser

Vor ein paar Wochen, es gingen stürmische Winde, hatte ich an meiner alten Arbeitsstelle zu tun. Dort kam ich mit zwei Kolleginnen ins Gespräch, die sich sogleich nach dem Stand meines Landlebens erkundigten. Frauen sind extrem countryaffin; solange jedenfalls, wie sie noch nicht auf dem Lande leben. Ich erwähnte diverse Verrichtungen und manche auch nicht (finale Maulwurfsvergrämung und anderes). Dann machte ich einen Fehler. Derzeit, sagte ich leichthin, regne es wieder Massen von Laub - ich käme selbst mit dem Laubbläser kaum dagegen an. Sofort legte sich ein kalter Hauch über unsere Konversation.

Laubbläser?! entfuhr es der Kollegin A, einer akademisch gebildeten Fachkraft aus dem Faktencheckbereich. Kollegin B, ebenfalls in diesem Metier tätig, blickte mich entgeistert an, als litte ich unter Koprolalie. Hätte ich den Damen berichtet, ich plante, in meinem Garten demnächst ein kleines, günstig im Internet erworbenes Atomkraftwerk in Betrieb zu nehmen, das Ausmaß ihres nonverbalen, gleichwohl unignorierbaren Abscheus wäre kaum größer ausgefallen.

Laubbläser, das hatte ich völlig vergessen, sind für rotgrün grundierte Zeitgenossen, die nicht zufällig in einem linksliberal angestrichenen Verlagshaus arbeiten, neben „SZ“ und „Spiegel“ auch „taz“ und „Ökotest“ abonniert haben, in sanierten Vier-Zimmer-Altbauwohnungen der besseren Hamburger Quartiere wie dem Stadtteil Eppendorf wohnen und bereits zur zweiten „Generation Bio“ zählen, stinkige Laubbläser also sind für diese Spezies der absolute No-go. Für Menschen, welche die Erde von ihren Kinder geliehen bekommen haben, freigebig Wörter wie „achtsam“ und „nachhaltig“ verteilen und auch fragwürdigen Erscheinungen des modernen Lebens allzeit Toleranz & Respekt vorschießen, sind Laubbläser das Aller-, Hinter-, ja das Ultraletzte.

Weil, Laubbläser sind nicht bloß laut. Das sind die städtischen Müllabfuhrwagen samt ihrer krakeelenden Mannschaften auch. Ebenso die ratternde U-Bahnlinie 3 entlang der Hamburger Isestraße, wo viele Bäume stehen, die Blätter fallen lassen, wo aber noch mehr Laubbläserhasser aus dem Journalistenmilieu nisten. Laut ist auch das Marktgeschehen, das sich unter der U-Bahnbrücke längs der Isestraße entfaltet. Krachend laut sogar, wenn man den zweimal wöchentlichen Auf- und Abbau mit in Betracht zieht. Aber Märkte dürfen Krawall veranstalten, und zwar je mehr, desto bunter ihre Beschicker sind, damit das mal klar ist.

Laubbläser hingegen gehören verboten. Laubbläser sind was für Faschos. Sie werden zu Recht als Hausmeister-Porsches gegeißelt. Wer ein Rasennazi ist (so schimpfte der Liedermacher Reinhard Mey mal seine schnittwütigen Sylter Nachbarn), besitzt gewiss auch einen kampfstarken Laubbläser. Den schmeißt er zu jeder Tages- und Nachtzeit an, auf dass sein Garten „ordentlich“ ausschaut. Wie’s der anale deutsche Zwangscharakter nun mal so braucht.

Ob wegen des Lärminfernos die Kohlmeise aus der Tanne kippt, der Katze das Nackenfell einläuft oder Karl der Käfer vom bis zu 300 km/h schnellen Luftschwall ins Gulli gedrückt wird, ist dem Laubblasenden genau so wurscht wie das Schicksal der Polarbären. Denn der Ordnungsfanatiker mit der rotweißen Stihl (die führende Herstellerfirma gehört bezeichnenderweise einem schwerkonservativen Familienclan aus Schwaben) verbrennt ja fossile Energie und stößt dabei klimaschädliches CO2 aus. Was der Eisbär letztlich ausbaden muss, wenn die letzte Scholle endgültig geschmolzen sein wird. Da bekanntlich alles mit allem zusammenhängt, trägt der Laubblasende letztlich zur baldigen Überflutung von Kiribati, der Malediven sowie der Hallig Hooge bei. Millionen Klimavertriebene gehen auch auf sein Konto.

Hauptsache, der Mistkerl hat seinen Spaß.

Benzingetriebene Laubbläser sind Werkzeuge der Weltzerstörung, keine Frage. Aber es ist noch mehr, was sie so verachtenswert macht. Sie sind praktisch ein Symbol für den ewigen Kampf zwischen Böse und Gut, Groß und Klein, Brutal und Sanft. Wer das entzückende Scharren und Rascheln im Ohr hat, das der Hotelresortgast aus höherpreisigen Ferienanlagen Thailands, Indiens oder Ostafrikas kennt, wo ein kopfstarkes, erfreulich ungehetzt wirkendes Gartenpersonal jeden Morgen per Handrechen die Hinterlassenschaften der üppigen Lokalflora zusammenkehrt, der weiß, wie eine Welt jenseits der Laubbläserei aussähe, wie sie sich anhören würde. Stille statt Stihl. Respekt statt Anmaßung. Entschleunigung statt Effizienzwahn.

Apropos: Würde sich die EU-Kommission entschließen, die Laubbläser zu verbieten, so wären wir beschäftigungspolitisch einen Riesenschritt weiter. Jeder Extrembläser, wie der rückenseitig getragene BR 600 Magnum von Stihl, vernichtet ja die Arbeitsplätze von schätzungsweise 10 bis 15 mit der Harke arbeitenden Laubsammlern. Millionen europäische Arbeitslose sowie die zu uns strömenden Migranten aus industriefernen Ländern könnten, zumindest vorübergehend, im Laubsammeldienst untergebracht werden, gäbe es keine Laubblasmaschinen.

Was die Eingangsszene betrifft, so habe ich noch halbherzig versucht, gegenüber den Kolleginnen meine Laubblassünden zu relativieren. Ich bräuchte die Stihl nun mal wegen der erheblichen Grundstücksgröße etc. Außerdem würde ich per Bläser Laubhaufen an den Gartenrändern auftürmen, „ideale Winterquartiere für Igel“. Normalerweise geht bei Frauen immer was mit Igeln. Doch diesmal stach nicht mal die Mecki-Karte. Das Gesprächsklima blieb frostig. Bedrückt fuhr ich zurück aufs Land, die doofe Blasmaschine verfluchend.

Kürzlich stand ein Nachbar vor der Tür, Arzt im Ruhestand, ökomäßig hochsensibel, „Zeit“-Leser, Tierfreund, das volle Programm. Du hast doch einen Laubbläser? fragte er. Ich nickte schuldbewusst. Eigentlich mag ich die Dinger ja nicht, erklärte mein Nachbar, aber ich hab’s seit Monaten in der Schulter. Deshalb liegt das verdammte Herbstlaub noch rum. Leihst du mir mal den Apparat? 

Ein Laubbläser ist, scheint’s, ein bisschen wie ein Mensch. So ganz schlecht ist keiner. Nicht immer.

 

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Peter Laudi / 31.12.2014

Ich habe keinen Laubbläser. Aber ich hätte gern einen - seit ich im Internet das Video von dem Typen gesehen habe, der sich mit laufendem Laubbläser auf einen Bürodrehstuhl gesetzt und Gas gegeben hat. Der Erfolg war buchstäblich umwerfend. Aber ich habe andere Dinge, die ich nicht nur gerne hätte, sondern sogar habe. Die mir das Leben nicht nur erleichtern, sondern die Arbeit freudvoll gestalten. Die den Fortschritt symbolisieren. Die den unheilsschwangeren Sätzen meiner Frau, die mit “Könntest Du ma’ eben…” anfangen, das Bedrohliche nehmen, so dass mein mürrischer Gesichtsausdruck zur Antwort eigentlich nur aufgesetzt ist. Ich habe zum Beispiel einen Akku-Bohrschrauber. Von Metabo. Eigentlich habe ich sogar zwei, wenigstens. Weil ich das Umstöpseln von Bohr- zu Schraub-Bit blöd finde. Und manchmal muss man ja vor dem Schrauben auch noch Ansenken. Hätte ich ein Familienwappen, es würde einen Akku-Bohrschrauber beinhalten - vielleicht auch zwei; gekreuzt. Denn das Gerät steht für die Emanzipation des hilflosen Geisteswissenschaftlers. Für die handwerkliche Freiheit des Ungeschickten. God created man - but the Akku-Bohrschrauber made them equal! Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als mein Vater jede Schlitz-Schraube keuchend und fluchend von Hand eingedreht hat. Später kam er mal mit diesen neuen SPAX-Schrauben an, die sich ihr Bohrloch angeblich selber schneiden. Ich war nicht beeindruckt - aber ich war 16 und hatte noch Unterarme wie ein Schmied. Und dann kam irgendwann der Akku-Bohrschrauber: kein Kabel, über das man stolpern könnte, ausgestattet mit dem Drehmoment von wenigstens 10 Schmied-Unterarmen und im Holster tragbar - tiefhängend und stets bereit. Die Schraube, schweißgetränktes Symbol der industriellen Revolution, war besiegt: Bsiiiiooouuuuu-klack-klack-klack! Der Sound des Drehmoment-Begrenzers war der Trommelschlag meines Triumphes. Wer will schon einen Rechen für’s Laub? Einen Schraubendreher für Schrauben? Oder wer weiß eigentlich noch, wieviel Kalorien ein Fuchsschwanz benötigt (die Säge, nicht das Körperteil)? Ich bin froh, dass diese Folterinstrumente Vergangenheit sind. Nur wer zweimal im Jahr mit seiner Japansäge von Manufaktum ein Buchenleistchen trennt, sehnt sich nach Schweiß und Sehnenscheidenentzündung. Jeder andere bevorzugt kräftige, laute und gefährliche Geräte. Sie sind ein Segen. Leider gibt es keinen 2-Takt-Bohrschrauber von Stihl.

Nina Maya / 31.12.2014

Ach ich kann Ihre Ex-Kolleginen so gut verstehen :) Auch könnte ich hier mehrere Argumente gegen diese Krachmacher und deren Unsinnigkeit auflisten und etwas über den Verfall von Werten wie dem der Rücksichtnahme sinnieren, aber darauf müsste man eigentlich auch selber kommen.

Roland Richter / 30.12.2014

Ganz komischer Beitrag. Ich finde, früher ging es auch mit dem Rechen. Ein Laubbläser für den privaten kleinen Garten ist unnötig wie ein Kropf.

Martin Wessner / 29.12.2014

Warum haben Sie nicht gesagt, dass sie -im Gegensatz zu den sonstigen Umweltfrevlern- ein ganz neues Modell von Laubbläsern mit Elektromotor und Litiumbatterien, die man über Solarzellen auflädt, in Betrieb hätten? Sehn Sie? Man muss halt nur schlagfertig sein. Dann klappt’s auch wieder mit den “Ökotest”-LeserInnen.                     m

Ralf Tetzner / 29.12.2014

Schön launig, amüsant geschrieben! Und trotzdem erschließt sich mir der Vorteil der Dinger nicht. Wie wäre es mit Laubsaugen? Mir geht es dabei nicht um CO2 oder Lärm - was einmal angesaugt ist, hat man doch ‘im Sack’. Beim Blasen spielt man doch nur Pingpong mit dem Laub. “Normalerweise geht bei Frauen immer was mit Igeln.” Zum launigen Jahresabschluß: Den Satz haben Sie wohl akustisch falsch verstanden. Das waren andere Tiere…

Thomas Schlosser / 29.12.2014

Sorry, aber ich finde Laubbläser aus einem einzigen Grund nervtötend: Wegen der Geräuschkulisse, die diese Dinger entfachen…... Das muss der “schwerkonservative Familienclan aus Schwaben” wohl noch dran arbeiten….

ralf orth / 29.12.2014

Ich frage mich warum Laubbläser so laut sein dürfen? Es werden doch für wesentlich weniger lärmende Gerätschaften durch Grenzwerte fest gelegt. Eine Begrenzung der Nutzungzeiten in Abhängigkeit der Schallleistung, wie z.B bei Rasenmähern, fände ich durchaus im Rahem der Gesamtregelungsfreude in Deutschland erwegenswert.

Thoralf Baum / 29.12.2014

Nee, hier gebe ich Ihnen mal nicht recht. Man muss weder grün noch alternativ sein, um die Dinger zu hassen. Ein Laubbläser klingt nämlich nicht wie Müllabfuhr oder U-Bahn, sondern - viel schlimmer - wie ein Laubbläser. Und das kommt in meinen Ohren gleich nach Kettensägen, gleichauf mit Rasenmähern. Allesamt sind das Geräusche, die mich nach max. 10 Minuten von Schusswaffen träumen lassen - ehrlich! Grausame Erfindungen. Habe allerdings jetzt eine Lösung und meinen Frieden gefunden: Da Gartenfreunde einfach unbelehrbar sind und ständig neue lärmende Beschäftigungen erfinden, nebenbei noch Holz für ihre Heizung zersägen, weil ihnen wohl industriell hergestellte Pellets das Naturerlebnis schmälern, bin ich einfach in eine Wohnung gezogen, die gebührenden Abstand zu Grün- und Gartenflächen hat. So kann ich mich wieder mehrere Stunden am Tag in meinem Arbeitszimmer konzentrieren. Keine 10 Pferde werden mich mehr aufs Land oder in die Nähe von Gärten bringen. Das ist was für Mesnchen ohne Gehör oder ohne Nerven oder für solche, die selber den ganzen Tag Krach machen müssen ... :-)

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