Wenn man auf Amazon nach „Flüchtlinge T-Shirt“ sucht, bekommt man 391 Ergebnisse angezeigt. Bei „Refugee T-Shirt“ ist das Angebot noch größer: 469 Treffer. Man kann wählen zwischen einem einfachen Baumwoll-Shirt für nur 11,90 Euro in Grau, Weiß oder Beige mit dem Aufdruck „Refugees welcome – no one is illegal“ und etwa einem mit 16,90 Euro etwas teureren schwarzen Langarm-Shirt für Frauen, auf dem eine dreiköpfige Kleinfamilie als Piktogramm prangt mit der Ergänzung: „Refugees welcome – bring your families“. Es gibt aber auch ein – wie es heißt – besonders „modisches, lässig geschnittenes T-Shirt für Frauen und Damen, auf dem Refugees zu RFGS und Welcome zu WLCM abgekürzt werden. Allerdings besteht bei dem Modell das Gewebe aus zehn Prozent Viskose.
Immerhin fünfzehn Prozent Polyester enthält ein schwarzes Rundhalsshirt für 19,99 Euro mit dem deutschen Text „Kein Mensch ist illegal“, welches wiederum preislich übertroffen wird von einem 22,99 Euro teuren, in sieben Farben erhältlichen Baumwollshirt, das die Aufschrift „I could be a refugee“ trägt. „Ein absolutes Basisteil für jede Lebenslage“, wie der Anbieter dazu philosophisch schreibt. Wer die Potentialität des Flüchtlingseins nicht selbst verkörpern, sondern anderen vorhalten möchte, zieht passenderweise die in Dunkelgrau, Hellgrau oder Schwarz erhältliche Version mit dem Aufdruck „You could be a refugee“ an.
Überflüssig zu erwähnen, daß man all diese Slogans nicht bloß auf Textilien, sondern auch auf Tassen, Mousepads, Einkaufstaschen und anderen Dingen des täglichen Gebrauchs erwerben kann. Die Nachfrage scheint groß zu sein, sonst würde auf dem Markt kein solches Gedränge herrschen. Die Flüchtlingshilfe ist offenbar ein Kleidermodethema, womöglich ist sie selber eine Mode. Wenn sie, wie das bei Moden üblich ist, einmal vorübergeht, wird man sich an den Kopf fassen, wie das im Hinblick auf vergangene Moden üblich ist.
Das merkwürdigste Kleidungsstück in dem Zusammenhang ist allerdings ein T-Shirt mit nichts als dem Wort „refugee“ darauf. Soll es wirklich der Kennzeichnung des Trägers dienen? Statt Willkommenskultur zu deklamieren, scheint es sie zu reklamieren und direkt zu testen. Der Begriff Funktionskleidung bekommt hier einen ganz neuen Sinn. Der Flüchtlingsstatus, so schrecklich er für die Betroffenen normalerweise ist, hat sich bei den Deutschen zu einer Projektionsfläche der eigenen Wohltatensehnsucht gewandelt.
Übrigens hat es auch praktische Vorteile, mit dem entsprechenden Hemd ausgestattet als Flüchtling herumzulaufen. Man darf dann jene regulären Intercityzüge benutzen, in die – wie gerade in München geschehen – gewöhnliche Fahrgäste nicht mehr einsteigen dürfen, weil sie von der Deutschen Bahn für Flüchtlinge reserviert werden.