Burkhard Müller-Ullrich / 22.10.2015 / 15:02 / 6 / Seite ausdrucken

An einem Tag in Köln am Rhein

Der deutsche Alptraum klingt im Originaltext so: „Liebe Eltern, einige von Ihnen haben vielleicht schon durch die Kinder erfahren, dass ab der kommenden Woche in der Sporthalle Flüchtlinge untergebracht werden und daher der Sportunterricht ausweichen muss. Die kommissarische Schulleiterin Frau P. hat uns gestern im Rahmen einer Schulkonferenz darüber informiert und uns mitgeteilt, dass die Sportfachschaft ein Konzept erarbeiten wird, damit weiterhin Sportunterricht stattfinden kann. Die Schulleitung würde hier auch gerne Ideen der Eltern für alternative Sportaktivitäten und Sportstätten aufgreifen, die Stadt Köln würde sich eventuell sogar an Kosten beteiligen. Leider gibt es zur Zeit noch nicht viele Informationen, aber Frau P. hat uns versichert, uns auf dem Laufenden zu halten.“

Bis jetzt waren die „Flüchtlinge“ in Köln zum größten Teil in einer Zeltstadt auf dem Parkplatz eines Schwimmbads am nördlichen Stadtrand untergebracht. Doch inzwischen lässt die Verwaltung immer mehr Gebäude im Zentrum für die Aufnahme herrichten, und jetzt sind vor allem Schulsporthallen an der Reihe, neun Stück bis jetzt. Verantwortlich für die Verteilung ist die Leiterin des Sozialdienstes; sie wurde gerade, nach einem gegen sie gerichteten Messerattentat auf offener Straße, zur Oberbürgermeisterin gewählt.

Die Beschlagnahme der Sporthalle einer Schule, in diesem Fall eines traditionsreichen Gymnasiums, geht auf typisch deutsche Weise vor sich: die Eltern werden weniger als eine Woche vorab informiert, ein Mitspracherecht haben sie nicht. Entschieden wird immer von oben durch das zuständige Amt.

Da die Turnhalle auf dem Schulgelände steht, wird quer über den Schulhof ein Zaun errichtet. Zwei Sicherheitsleute sollen Tag und Nacht die 150 Eingezäunten bewachen. Die Kinder werden sich an eine verbotene Zone gewöhnen müssen und während des Winters im Freien turnen oder in den Klassenräumen. Niemand weiß, wer die „Flüchtlinge“ sind und wo sie herkommen: sie wurden teils gar nicht, teils aufgrund beliebiger mündlicher Angaben „registriert“.

Nun, da die Sache allmählich ernst und gefährlich wird, verliert die „Welcome-Szene“ an Zulauf und Zustimmung. Die Medien, bislang fast einhellig mit Pegida-Bashing beschäftigt, schalten vorsichtig um. Der Kölner Stadt-Anzeiger, immer stramm linksliberal, bringt auf einmal Artikel mit Überschriften wie: „Gibt es nur Gutmensch oder Nazi? Warum mich die Flüchtlingskrise innerlich zerreißt“. Auch im WDR werden aus Dunkel-Deutschen (von denen der Bundespräsident mit Blick auf die Dresdner Demonstranten unlängst gesprochen hatte) wieder „besorgte Bürger“. Immerhin freut man sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Neuankömmlinge als „zukünftige Gebührenzahler“. Man hat für sie ein Projekt namens „refugee radio“ mit Kölner Lokalnachrichten in arabischer Sprache (und Infos zu aktuellen Fluchtrouten) ins Leben gerufen.

Während all dem war die Autobahn 4 im Süden von Köln einen ganzen Nachmittag gesperrt und im Stadtteil Poll mussten mehr als tausend Menschen ihre Wohnungen verlassen, weil im Boden wieder eine nicht explodierte 500-Kilo-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden war, die zweite in vier Wochen. Auch das gehört zum deutschen Alltag im Jahr 2015.

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Leserpost

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Ralf Neitzel / 23.10.2015

Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft. Aristoteles

Paul Siemons / 22.10.2015

Ich wäre als Schüler begeistert gewesen, wenn der Sportunterricht gekanzlert worden wäre. Aber Spaß beiseite. Dass es Sport in der Schule gibt, hat viele gute Gründe. Dass es den jetzt in immer mehr Schulen nicht mehr gibt, hat nur einen, schlechten Grund, der sitzt in Berlin und hat eine derart große Klappe, dass in dieser zuerst Deutschland und dann ganz Europa zu versinken droht. Es ist bezeichnend, dass selbst in der Bärchenverteilerzunft und ihrer Presse zaghaft, aber deutlich zunehmend Stimmen der vorsichtigen Vernunft lauter werden. KSA, WDR haben Sie genannt, 215 Bürgermeister und sogar der notorische Gutmensch Boris Palmer sind es auch satt, und bei Springer scheint das “Guter Cop - Böser Cop” Spiel im Gange zu sein: Während BILD weiterhin Merkel die Stange hält, findet man in der WELT immer mehr kritische Stimmen, die sich weigern, weiterhin wegzusehen. (Wer der gute und der böse Cop dort ist, überlasse ich gerne den Lesern…) Eine Frage an Sie, Herr Müller-Ullrich, ich kenne und schätze Sie überwiegend als Kommentator im Radio, vor allem im Deutschlandfunk. Da ich mir das Hören und Sehen deutscher Sender in den letzten Wochen und Monaten abgewöhnt habe: Sind Sie dort eigentlich noch gelitten? Das würde mich fast wundern. Herzliche Grüße!  

Alfons Winkelmann / 22.10.2015

Nicht nur in Köln. Auch bei uns in Aachen. Kinners, Sport ist Mord. Wir wollen doch nur das Beste für unseren Nachwuchs!

Olaf Nitzsche / 22.10.2015

“Eltern werden werden weniger als eine Woche vorab informiert” Es geht noch schlimmer. Eltern werden vorab gar nicht informiert. Kinder erfahren auf dem Weg zur Sporthalle, dass die Sportstunde heute ausfällt.

Carl Schurz / 22.10.2015

Was wird wohl erfolgen, wenn der rheinische Karneval nicht mehr in den gewohnten Hallen statt finden kann? Immer mehr Sportvereine mit klassischen Hallensport können sich auflösen, wenn deren Hallen dauerbelegt werden.

Wolfgang Schlage / 22.10.2015

Jetzt müssen endlich die Turnhallen der Privatschulen für die Migranten requiriert werden, damit das Einwandererproblem auch bei den Oberschichten ankommt, die bisher das Problem bei den einfacheren Leuten abgeladen haben. Vielleicht hilft das ja, die Lage den staatstragenden Eliten, vielleicht auch denen von Wirtschaft und Verwaltung, näherzubringen, die bisher immer meinten, nur Nazis seien von der Einwanderung negativ berührt. Die kinderlosen Redakteurinnen des öffentlichen Rundfunks und all die anderen Deutschen, die stolz auf ihre Kinderlosigkeit sind, erreicht man so natürlich noch nicht; bei denen wird der Erkenntnisprozess noch etwas dauern.

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