Bernd Leber / 25.10.2021 / 06:05 / Foto: Pixabay / 90 / Seite ausdrucken

Wer kommt denn da? – Was an Migration aus Afghanistan bevorsteht

Zunächst hieß es, dass uns ehemalige Ortskräfte deutscher Organisationen ins Haus stünden, das seien 528 Personen. Jetzt spricht man schon von 70.000 Schutzbedürftigen. Und eine Petition fordert noch mehr.

Die Situation erinnert fatal an die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015, die bekanntlich vor allem eine Migrationskrise in Gestalt massenhafter illegaler Grenzüberschreitung war. Und die damalige beruhigende „Erzählung“ von Politik und (den meisten) Medien, dass da nun die angeblich dringend benötigten Fachkräfte vor der Tür stünden („Wir bekommen Menschen geschenkt“) hat sich relativ schnell als Märchen herausgestellt.

Die aktuelle Erzählung zur bevorstehenden Immigrationswelle aus Afghanisten lautet, dass da ehemalige Ortskräfte deutscher Organisationen ins Haus stünden. Wie viele das werden könnten, scheint völlig offen zu sein, obwohl noch im Juli 2021 das Innenministerium in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von 528 Personen sprach. Später konnte man lesen, dass schon vor der Evakuierungsaktion der Bundeswehr bereits etwa 2.000 Ortskräfte (nebst Angehörigen) aufgenommen worden seien. Trotzdem wollten die Grünen eine mindestens fünfstellige Quote, und Noch-Außenminister Maas spricht gar von 70.000 Fällen. Die Zahlen sind ganz offenbar beliebig und entbehren einer nachvollziehbaren Grundlage.

Im Rahmen der Evakuierungs-Luftbrücke im September hatte die Bundeswehr über 5.000 Afghanen nach Deutschland gebracht; wie sich herausstellte, waren darunter weniger als 100 ehemalige Ortskräfte, was angesichts der damals chaotischen Zustände am Flughafen von Kabul nicht verwunderlich ist. Ebenfalls wenig überraschend dürfte sein, dass sich unter den von der Bundeswehr evakuierten Afghanen etliche Fälle zuvor abgeschobener Straftäter befanden, die auf diesem Weg wieder nach Deutschland eingereist sind.

Viel beunruhigender ist allerdings, dass die USA – weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit und vermutlich ohne Absprache mit der Bundesregierung – zunächst etwa 16.000 evakuierte Afghanen auf ihrer Basis im pfälzischen Ramstein zusammengezogen hatten. Davon sollen sich derzeit noch immer etwa 9.000 auf der Basis befinden. Ob die alle jemals in die USA weiterreisen werden, ist völlig offen, denn die Entscheidung über eine Aufnahme liegt bei den US-Bundesstaaten – und die obstruieren seit nunmehr 20 Jahren ja schon die Aufnahme einiger Dutzend nicht schuldiger Guantanamo-Häftlinge. Stattdessen haben die USA einstweilen mit Ghana die Aufnahme von etwa 2.000 Afghanen verhandelt (vermutlich ohne die Betroffenen dazu zu befragen). Gut möglich also, dass irgendwann Camp Ramstein seine Tore durchlässig macht – die ersten etlichen hundert Asylanträge für Deutschland sind schon eingegangen.

Ausreisepflichtige bleiben hier, mehr sollen noch kommen

In diesem Zusammenhang sollte auch mitgedacht werden, dass derzeit etwa 160.000 (von insgesamt 240.000) Afghanen in Deutschland ausreisepflichtig sind; die werden aber seit Jahren über Kettenduldungen weiter hier gehalten. Eine Prüfung zu deren Ausweisung in sichere Drittländer war 2016 mal kurz erwogen, aber nie realisiert worden, und die Abschiebungen (bis Mitte 2021 jährlich 150 bis 420 Fälle) fallen angesichts dieser Zahlen überhaupt nicht ins Gewicht.

Dessen ungeachtet rühren nun die migrationsaffinen NGOs und sonstige Aktivisten – und auch wesentliche Teile der designierten Koalitionsparteien – die PR-Trommeln für eine bedingungs- (das heißt prüfungslose) Aufnahme aller ausreisewilligen Afghanen. So wirbt beim Petitions-Portal changeorg.com eine sogenannte ‚Luftbrücke für Afghanistan’ mit diesem Text für eine Petition:

„Luftbrücke für Afghanistan: Rettung ALLER gefährdeten Menschen jetzt!
Die Taliban haben die Macht übernommen und zehntausende Menschen, die sich für ein friedliches, demokratisches und rechtsstaatliches Afghanistan eingesetzt haben, sind in akuter Lebensgefahr. Wir fordern daher die sofortige Einrichtung einer Luftbrücke und ein Schutzkontingent. 116.044 haben Luftbrücke Afghanistan's Petition unterschrieben. Lassen Sie uns 150.000 erreichen!“

Ganz in diesem Sinne will auch die (noch geschäftsführende) Merkel-Regierung bei den geplanten niedrigschwelligen Verhandlungen mit den Taliban nach den Beschlüssen der G20-Konferenz zu humanitärer Hilfe in Afghanistan vor allem auch auf die weitere Evakuierung von Ortskräften – und sonstigen Gefährdeten – hinarbeiten. Dagegen scheint die Rücknahme zumindest eines Teils der 160.000 geduldeten Afghanen durch das Taliban-Regime kein Gegenstand dieser geplanten Verhandlungen zu sein. Weshalb eigentlich nicht?

 

Bernd Leber, arbeitet als Gutachter in Migrations- und Sicherheitsfragen für die EU, die UN, das Auswärtige Amt und andere Institutionen.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Kostas Aslanidis / 25.10.2021

“Die spinnen die Germanen” um es metaphorisch zu nennen. Der Nabel der Dummheit hat Einzug erhalten, die Metastasen breiten sich aus. Diagnose, Unheilbar. Mit der Zeit wird die Pseudomoral ungeniessbar wenn die Teller leer sind. Aber ein leerer Teller ist gut fuer das Klima. Wahnsinn, Irre, Deutschland. Wenn es die anderen Laender nicht betreffen wuerde, waere es kein Problem.

Klaus Maver / 25.10.2021

@Karl Vogel : Da sind mit Sicherheit jede Menge Taliban Mitarbiter dabei. Der Reisekostenzuschuss durch Deutschland wird mindestens 100 Mio Eur sein.(Geberkonferenz Afghanistan UNO)

Dr. Inge Frigge-Hagemann / 25.10.2021

Wohin das wohl führen soll? Derzeit wandern ca. 260000 gutqualifizierte. steuerpflichtige Deutsche aus und mindestens ebenso viele minderqualifizierte, nicht steuerpflichtige Menschen wandern ein.

J walraven / 25.10.2021

Ich finde es einen großen Unsinn zu sagen dass die Afghanen für uns gearbeitet haben. Wieviel haben wir verdient. Wir haben Menschen verloren haben enorm viel Geld dort ausgegeben und das Resultat ist dass wir jetzt ganz Afghanistan evakuieren müssen, da der Taliban die Menschen terrorisiert. Warum konnte der Taliban noch vor Abzug der Amerikaner in Afghanistan einmarschieren ohne Gegenwehr von der Bevölkerung. Diese liefen vor allem nach den Flugzeugen um nach das leulekerland Europa zu fliegen. Wir sind Afghanistan nichts schuldig sie uns etwas schuldig.  Dankbarkeit für die Zeit dass wir dort waren.

giesemann gerhard / 25.10.2021

20% der Afghaner sind Schiiten; viele sprechen sowas wie persisch (dari). Die sunnitischen Taliban bedrängen die Schiiten - Zeit für Iran, was zu machen. Das dürfte ähnlich lustig werden wie derzeit die Lage im Jemen. Der IS mischt auch noch mit. Wir aber sollten die Finger davon lassen und die Konflikte auch nicht ins Land holen. Wenn doch, ff, viel Vergnügen - vor allem für die fff-Kids. Ich freu’ mich drauf mit KGE. Quelle: wiki/Afghanistan. Wer hätte das gedacht.

Volker Kleinophorst / 25.10.2021

Was ist mit unserem Schutz vor den “Bedürftigen”?

Jochen Lindt / 25.10.2021

Ghana or Germany.  Mal sehen wofür sich die Goldstücke entscheiden.

Bernart Welser / 25.10.2021

Wenn man an den Losungen (Losung = Waidmannssprache für die Fäkalien bestimmter Wildtiere, z.B. Füchse), die gewisse Bürger*_Innen dieses unseres Landes vor sich hertragen (“Refugees welcome”, “Kein Mensch ist illegal”, “Wir haben Platz” etc. pp.), ein bisschen rubbelt, dann kommen - hast du nicht gesehen! - etwas weniger freundliche Aufschriften zum Vorschein: “Deutschland verrecke!”, “Nie wieder Deutschland!”, “Volxtod”... - Von daher ist die von einschlägigen Kreisen erhobene Forderung, möglichst viele Fachkräfte aus Afghanistan zu importieren, durchaus konsequent.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Bernd Leber / 06.08.2018 / 16:30 / 10

Bad Boll kriegt die Krise

Von Bernd Leber. Mich erreichte dieser Tage eine Einladung der Evangelischen Akademie Bad Boll zu einer Veranstaltung „Krise der Dialogfähigkeit – Shrinking Space im Israel-Palästina-Konflikt“. Aus…/ mehr

Bernd Leber / 10.08.2017 / 11:49 / 4

In der Flüchtlingsfalle: Der NDR verliert die Übersicht

Von Bernd Leber. Der von mir ansonsten sehr geschätzte ARD-Radiosender „NDR Info“, der mich viertelstündlich mit Nachrichten versorgt, hängt, wie so viele der sogenannten Qualitätsmedien…/ mehr

Bernd Leber / 17.05.2017 / 12:30 / 16

Integration mit einer deutschen Fremdenlegion?

von Bernd Leber Die mediale Öffentlichkeit, die ja schon von jeher mit der Bundeswehr gefremdelt hat, hat nun mit den mittlerweile schon drei festgestellten rechtsradikalen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com