Altkanzler Schröder und Parteigenossen fordern jetzt gegen Pegida den “Aufstand der Anständigen”. Nach dem Vorbild aus dem Jahr 2000. Aber was geschah damals wirklich?
Das Thema ist durch die Großdemonstration in Paris nur vorübergehend in den Hintergrund gerückt, es wird bereits wieder aktuell: In der SPD mehren sich die Stimmen für einen „Aufstand der Anständigen“ – gegen Pegida. Altkanzler Gerhard Schröder war einer der ersten, der den Begriff noch vor Weihnachten ins Gespräch brachte. Und zwar nach dem Vorbild der Großdemonstration in Berlin im Jahr 2000, die ebenfalls unter diesem Motto lief.
Es geht mir jetzt nicht um das bizarre Phänomen, dass nur wenige Tage nach dem Massenmord in Paris eine Großkundgebung stattfinden soll, die sich weniger gegen diesen Massenmord richten dürfte, sondern konsequent Front machen wird gegen diejenigen, die ihre Angst vor solchen Taten artikulieren. Es geht mir um das, was im Jahr 2000 tatsächlich geschehen war.
Schröder marschierte damals an der Spitze der Demonstration am 11. November. 200.000 folgten ihm, um “gegen Ausländerfeinde und Rassisten” zu demonstrieren, worauf sich die Spruchbänder und Parolen bezogen. Anlass war ein Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge am 2. Oktober. Rechtsradikale Strukturen dürften keine Chance haben, sagte Schröder auf der Demo.
Einen knappen Monat nach der Demonstration aber, im Dezember 2000, kam heraus: Der Anschlag war von einem gebürtigen Marokkaner und einem staatenlosen Palästinenser verübt worden. Paul Spiegel, damals Präsident des Zentralrats der Juden, sagte: “Erleichterung empfinde ich nicht.” Die Polizei fand in den Wohnungen der beiden Täter
Nazi-Symbole. Sie gestanden die Tat und erklärten sie zum Racheakt für die Erschießung eines palästinensischen Jungen im Gazastreifen. Spiegel fürchtete “eine Bündelung von Rechtsradikalismus in Deutschland und nahöstlichem Fanatismus”. In den Jahren davor und danach hatten mehrere Anschläge Rechtsradikaler auf Ausländer stattgefunden, von den NSU-Morden ahnte damals noch niemand etwas.
Es gab an der Synagoge eine Überwachungskamera. Doch sie durfte den Bürgersteig, von dem aus die beiden die Molotowcocktails geworfen hatten, aus Datenschutzgründen nicht erfassen. Das verlockt zu einem Gedankenspiel: Was wohl geschehen wäre, wenn mithilfe der Kamera die arabischstämmigen Täter bereits in den Folgetagen überführt worden wären? Hätte die Demonstration dann auch stattgefunden, aus Anlass des Anschlags auf die Synagoge? Mit Schröder? Und wenn ja: Welche Tonlage hätte dort geherrscht?
Noch etwas: Bundesjustizminister Heiko Maas wirft den Pegida-Anhängern vor, den Massenmord von Paris für ihre Zwecke auszuschlachten. Maas selbst sollte wissen, dass die SPD beim Ausschlachten solcher Ereignisse keine Skrupel kennt. Noch am Tag des Tsunami in Japan, der fast 16.000 Menschen das Leben kostete und das AKW Fukushima zerstörte, nur wenige Stunden später, erneuerte die SPD lautstark ihre alte Forderung nach dem Abschalten der deutschen Atomkraftwerke. Alles nach dem Motto: Wir haben es ja schon immer gesagt. Bereits am 12. März, einen Tag nach dem Beben, war sie damit in den Zeitungen präsent.
Die SPD hat dabei Glück, dass sie auch in diesem Zynismus noch getoppt wurde, nämlich von der grünen Spitzenfrau Claudia Roth: Die behauptete noch Jahre nach dem Unglück von Fukushima über Facebook, dass die 16.000 Todesopfer auf das Konto des havarierten AKW gegangen seien.
Und, um im Thema zu bleiben: Maas will ja jetzt in Dresden keine Montagsdemonstration, sie wäre heuchlerisch und zynisch, sagt er. Dieselbe war allerdings seit mehreren Wochen geplant. Stellen wir uns vor, die SPD hätte im Jahr 2011 seit Längerem sowieso eine Großkundgebung gegen die Atomkraft geplant gehabt, angesetzt für den 13. oder 14. März. Ob die SPD-Strategen die Demo nach dem Unglück – so wie es Maas jetzt ja verlangt – abgesagt hätte?
Soviel zum Thema Zynismus, Heuchelei und Verlogenheit. Wer die Pegida-Bewegung stärken will, der verfahre weiter so wie es derzeit einige führende SPD-Köpfe tun, er wird sein “blaues Wunder” erleben. Übrigens: Sigmar Gabriel hat am Sonntag bei dem, was er aus Paris übers Fernsehen sagte, gottlob eine bessere Figur gemacht.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog Donner und Doria