Gunnar Heinsohn / 05.02.2020 / 12:00 / 4 / Seite ausdrucken

Was soll die Bundeswehr im Irak?

Die Bundeswehr soll mit „Capacity Building Iraq“ vorerst bis zum 31. Oktober 2020 im nahöstlichen Kriegsgebiet aktiv bleiben und vor allem waffentechnisches Training für die Regierungstruppen anbieten. Für das deutsche Militär „gilt der IS [Islamische Staat] im Irak und in Syrien als geschlagen, jedoch noch nicht als abschließend besiegt. Nach wie vor sind internationale Missionen notwendig, um den Irak zu stabilisieren.“

Nach Ausschaltung des iranischen Terror-Strategen Qasem Soleimani durch US-Einheiten am 2. Januar 2020 werden die deutschen Standorte in Bagdad und Tadschi aus Sorge vor Teheraner Gegenschlägen vorübergehend ausgedünnt. Gleichwohl verspricht die Ministerin Kramp-Karrenbauer am 9. Januar 2020: „Wir wollen diese Mission fortführen.

Das Pendeln zwischen Abziehen und Weiterkämpfen im Irak hat Tradition. So erleiden nur drei Jahre nach ihrem schnellen Sieg gegen Saddam Hussein im Jahr 2003 die US-Truppen schmerzliche Verluste durch stetig stärker werdende Rebellengruppen. Eine Spezialkommission unter dem ehemaligen republikanischen Außenminister James Baker und dem demokratischen Senator Lee Hamilton soll diese unerwartete Komplikation aufklären. Sie engagieren 44 der besten Aufstandsexperten weltweit. Gleichwohl verkünden sie im Dezember 2006 resigniert: „Unsere Regierung kann die Aufstandswelle im Irak und auch die Rolle der Milizen immer noch nicht verstehen.“

Zwischen Ambitionen und verfügbaren Positionen

Bekannt wird immerhin, dass die Kommission auf einen Demografen verzichtet hatte. Ob die Bundesregierung nach weiteren fünfzehn Jahren Zeit fürs Recherchieren mehr herausbekommen hat als die US-Kommission, ist zumindest öffentlich nicht mitgeteilt worden. Was kann man einem anstehenden Berliner Arbeitskreis mit auf den Weg geben?

Deutschland hatte 1960 gut neunmal so viele junge Männer im besten Kampfalter von 15 bis 29 Jahren wie der Irak (8,4 Millionen zu 0,9 Millionen). 2030 wird der Irak mit 7,4 zu 7,1 Millionen in Führung liegen. Sein demografischer Sturmlauf geht einher mit bisher dreizehn militärischen Konflikten, in denen rund 600.000 Menschen umkommen. Bei Kinderzahlen pro Frau von sieben 1970 und immer noch vier im Jahr 2020 wächst von unten immer mehrfach nach, was oben verblutet. Von 5,7 auf gut 40 Millionen versechsfacht sich die Bevölkerung in nur 70 Jahren (1950-2020). Im Jahr 2050 sollen es über 70 Millionen sein (siehe hier).

Iraks Kriegsindex steht 2020 bei 5. Auf 1.000 rentennahe Männer von 55 bis 59 Jahren folgen 5.000 Jünglinge zwischen 15 und 19 Jahren, die den Lebenskampf aufnehmen müssen. In Deutschland sind es bei einem Kriegsindex von 0,7 nur 700.

Iraks Kühnste greifen zu den Waffen

Dabei denken die chancenlosen Iraker keineswegs zuerst an Gewalt, sondern an Auswanderung. In Deutschland aber sind schon 2016 fast fünfzig Prozent von ihnen auf Hartz IV angewiesen. Da dieser Ausweg für den Abbau des demografischen Drucks zunehmend verstellt wird, muss daheim ein Gleichgewicht zwischen Ambitionen und verfügbaren Positionen ausgekämpft werden. Doch die Angebote gehen zurück, weil durch industriellen Niedergang zwischen 1990 und 2018 das Pro-Kopf-Einkommen von 10.000 auf weniger als 6.000 Dollar absinkt (siehe hier und hier).

Hochqualifiziertes Personal zum Aufbau von Hightech-Branchen für die Konkurrenz mit China gibt es nicht. Der Irak gehört zu knapp 160 von gut 200 Nationen weltweit, wo unter 1.000 Kindern weniger als 10 die mathematischen Fähigkeiten für die Industrien der Zukunft mitbringen. In Frankreich sind es immerhin 25 und in Deutschland sogar 53, die aber auch nicht ausreichen, um den 300 bis 500 in Ostasien Paroli zu bieten.

Kann da überraschen, dass Iraks Kühnste zu den Waffen gegen heimische Eliten greifen? Dabei töten Sunniten eher Iraner und ihre Hilfstruppen, während Schiiten lieber auf NATO-Soldaten schießen. Zur Versorgung beider Fraktionen gibt es Rekruten für Aufstände und ihre Milizen auf Jahrzehnte hinaus. Die deutsche Verteidigungsministerin sollte deshalb die Methoden und Erfolgsaussichten ihrer Mission für die Stabilisierung des Irak offenlegen.

Gunnar Heinsohn lehrt seit 2011 Kriegsdemografie am NATO Defense College (NDC) in Rom. Eine gekürzte Fassung des Text erschien zuerst in der WELT.

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Karla Kuhn / 05.02.2020

“Die deutsche Verteidigungsministerin sollte die Methoden und Erfolgsaussichten ihrer Mission für die Stabilisierung des Irak offenlegen. JA aber zuerst soll AKK SÄMTLICHE POLITIKER KINDER (m,w.d) und ALLE   Politiker bis FÜNFZIG ind Feld schicken !! Warum sollen unser jungen Männer noch die Köpfe hinhalten ?  Das würde nicht nur das überbordende Parlament entlasten, sondern auch vielen Politikern wieder zeigen WIE Bodenständigkeit geht !

Peter Sticherling / 05.02.2020

Herr Heinsohn, erwarten Sie wirklich, dass deutsche Verteidigungsministerin die Methoden und Erfolgsaussichten ihrer Mission für die Stabilisierung des Irak offenlegen kann? Da erwarten Sie aber was von Putzfrau Gretel. Das kann sie doch überhaupt nicht.

Dr. Gerhard Giesemann / 05.02.2020

Tja, wenn AKK auf Wirklichkeit trifft ... . Und die gesamte Weibertruppe da in Berlin. Der teutsche Mann hält sich da raus, gehen NIE in ein Armee, wo Frauen in der Etappe hocken, auf dem Spieß (vulgo “Hauptfeld” im BW-Jargon), gar das Sagen haben - das mindert deine Überlebenschance erheblich: Etappe ist schon besetzt. Schluss mit Etappenhengst, dort nur noch Stuten. Besser: Du übergibst die Weiber dem Feind, läufst über, weil es dort auch nette Töchter gibt, jede Menge. Die teutschen Weiber hier machen so lange den Feind fertig mit ihrem Kram. Allez.

Andreas Rochow / 05.02.2020

Die irrational anmutenden hektischen Aktivitäten Merkel-Deutschlands auf dem afrikanischen Kontinent sind nichts als kurzfristige Symbolpolitik. Sie finden statt, obwohl wirkliche Experten bspw. für Demographie, Wanderungsbewegungen, Nation Building finden, dass “nachhaltige” Entwicklungszusammenarbeit anders aussehen sollte. Insbesondere die Einladung und Ermunterung zu unkontrollierten Massenmigration und die widerrechtliche Eröffnung von opferreichen Schlepper-Seenot-Rettungsrouten - das steht fest! -  haben Dynamik in die Migrationsbewegung und eine unverantwortliche Zunahme der der zu beklagenden Todesfälle durch Ertrinken im Mittelmeer gebracht. Der politische Irrglaube, die INFOLGE FALSCHER ANREIZE bald in die hundert Millionen gehenden Migrantenschwärme nach EU und D wären ohne Gefährdung von Frieden, Sicherheit und Demokratie zu bewältigen, ist eine hochgefährliche zerstörerische Dummheit! Ein Nutzen für die Völker Afrikas ist nicht zu erkennen! Die von globalistischen Ideologen der UN angetriebene verfehlte Umsiedlungs-Politik wird der deutschen und EU-ropäischen Bevölkerung bald nicht mehr als humanitär zu verkaufen sein! Diesbezüglich müssen wir entschieden auf Distanz zu UNO-Diktaten gehen und darauf achtgeben, dass wir uns mit dem schrecklichen Aktivismus und mit einer übernationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht selbst eine Falle gestellt haben. Falsches ist auch falsch, wenn man es für alternativlos erklärt! Die demographische “Krise” ist durch Menschenimporte nicht beizulegen. Die Fluchtbewegungen haben primär NICHTS mit “Klimawandel” und “Fachkräftemangel” zu tun. Der afrikanische Patient krankt NICHT am Sonnenbrand, sondern an Misswirtschaft, katastrophaler Infrastruktur und schändlicher Fehlallokation internationaler Hilfen, die Korruption und Islamismus fördern! Der von den United Nations diktierte Compact on Migration ist eine ideologische Kampfansage gegen den Westen, der das nicht überleben wird.

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