Gastautor / 13.07.2012 / 19:42 / 0 / Seite ausdrucken

Was meinen die Grünen, wenn sie Chancengleichheit sagen?

Eran Yardeni

Dass die Grünen den Begriff „Chancengleichheit“ genetisch umkonstruiert haben, um daraus die „Frauenquote“ zu zaubern, ist nicht neu. In einem früheren Artikel habe ich schon Mal gezeigt, wie die junge Generation der Öko-Partei das Erbgut des „Patriotismus“ manipulierte um daraus „Nationalismus“ zu machen. In beiden Fällen geht es um Missverständnisse, kombiniert mit intellektueller Faulheit und politischer Tüchtigkeit, die ständig zur Entstehung neuer begrifflicher Mutationen führen. Das Problem aber mit genetisch manipulierten Produkten, wie vor allem die Grünen wissen sollten, ist, dass auch wenn sie wie Tomaten aussehen und nach Gurken riechen, schmecken sie doch ein bisschen anders.

Um die künstliche Geburt der Frauenquote zu rekonstruieren, wäre es vielleicht hilfreich, wenn wir zuerst verstehen, wohin die Grünen das wackelige Boot der Frauenpolitik steuern wollen. Zu ihren Gunsten muss man sagen, dass sie das ganz laut und klar sagen: „Mit der Frauenquote und der Mindestparität ist unsere Partei einen wichtigen Schritt vorausgegangen. Frauen sind längst erfolgreich in allen Ebenen etabliert. Wir stehen dafür, dass Frauen die Hälfte der Macht und die Hälfte der Verantwortung bekommen.“

Auf den ersten Blick erscheint es logisch: Wenn Frauen ca. 50% der Bevölkerung ausmachen, was wäre dann natürlicher als 50% der Macht und der Verantwortung in weibliche Hände zu legen? Welche Prämissen aber ermöglichen diesen Schluss? Von welchen Annahmen gehen die Grünen aus? Eins ist sicher: Kein Grüner, nicht einmal Claudia Roth, würde sich für eine Frauenquote in Strafanstalten einsetzen, wo die Frauen nur ca. 5% der Inhaftierten ausmachen. Gegen diese Art von männlicher Hegemonie und Chauvinismus würde die Ökopartei nicht protestieren.

Die grüne Denkweise läuft mehr oder weniger so: Genau wie die Männer wollen auch die Frauen Machtpositionen besetzen und berufliche Verantwortung übernehmen. Deshalb sollte man erwarten, dass eine Gruppe, die 50% der Bevölkerung ausmacht, auch 50% der Machtpositionen besetzen würde. Wenn das aber nicht der Fall ist, wenn Frauen weniger Führungspositionen besetzen als ihr Anteil an der Bevölkerung ausmacht, wenn Frauen in bestimmten Bereichen unterrepräsentiert sind, kann das nur eins bedeuten: Diskriminierung.

Versucht man zu argumentieren, dass Frauen vielleicht andere Wünsche und Prioritäten im Leben haben als die machsüchtigen Männer, stößt man seht oft auf das folgende Gegenargument: Wenn Frauen nicht wollen, dann nur deswegen, weil ihnen immer wieder gepredigt wurde, dass sie einfach nicht können. Von hier bis zur erzwungenen Selbstbefreiung ist es nur ein Katzensprung.

Der nächste Schritt ist die negative Abstemplung von Frauen, die lieber ihre Kinder erziehen wollen als bei der Deutschen Bank im Vorstand zu sitzen. Der Zeitgeist des Feminismus ist deshalb genauso chauvinistisch wie der männliche Chauvinismus: der Erstere, nicht weniger als der Letztere, entscheidet für die Frauen, was sie sein sollen und wonach sie streben müssen.

Vor diesem Hintergrund soll die Forderung der Grünen nach „Hälfte der Macht und Hälfte der Verantwortung“ verstanden werden, vor allem wenn man auch mitrechnet, dass Frauen nur ca. 37% der Grünen-Mietgliederschaft ausmachen. So ist es bei den Grünen: Unterrepräsentierung wird durch Überrepräsentierung kompensiert.

Aber Sogar die Grünen wissen und zugeben, bewusst oder unbewusst, dass Männer und Frauen anders ticken – nicht besser, nicht schlechter sondern einfach anders. Hier ist nur ein Beispiel aus der Rede von Ekin Deligöz vor dem Bundestag („Chancengleichheit von Männern und Frauen“ ,9.3.2012):

„Warum wollen wir die Frauenquote? Warum kämpfen wir dafür? Weil es um die Sache geht. Es geht um die Inhalte; die Quote ist kein Selbstzweck. Wir wissen: Erst mit dem weiblichen Blick in den Führungsstrukturen können wir auch etwas für die Arbeitnehmerinnen insgesamt tun. Damit können wir etwas in der Geschäftskultur und in den Führungs- und Personalstrukturen ändern“.

Was ist das für ein weiblicher Blick, Frau Deligöz? Geht es vielleicht um denselben Blick, der die Frauen dazu führt, andere Prioritäten im Leben zu haben? Was würde passieren, wenn ein Konservativer über „weibliche Blicke“ sprechen würde?

Die Grünen verstehen die Frauenquote primär als Instrument im Kampf um die Chancengleichheit. Sie verwechseln „Chancengleichheit“ mit der sozialistischen Version des Begriffs nämlich mit der Ergebnisgleichheit. Der Unterschied zwischen den beiden ist sehr einfach. Nehmen wir als Beispiel den 100m Sprint. Chancengleichheit bedeutet, dass alle zur selben Zeit vom selben Startpunkt loslaufen, aber nicht, dass sie alle gleichzeitig das Ziel erreichen. Gleichheit im Ergebnis strebt aber genau das an.

Jetzt ist der feministische Paternalismus genauso perfekt wie widersprüchlich. Die Frauen sind genau wie die Männer, wenn es passt, d.h. wenn man dadurch eine geplante und koordinierte Umgestaltung des Arbeitsmarktes durchsetzen will; zugleich sind die Frauen doch anders, und genau das, was sie mit den gehemmten Männern nicht teilen, soll ihnen helfen, den Arbeitsmarkt zu revolutionieren. Das soll aber nicht von alleine passieren, es muss ihnen geholfen werden.

Das verstehen die Umweltretter als Chancengleichheit. Nett, nicht wahr?

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