Rainer Bonhorst / 29.05.2015 / 14:56 / 7 / Seite ausdrucken

Warum haben wir keine Loretta?

Warum haben ausgerechnet die Vereinigten Staaten von Amerika, wo Soccer nur ein Nebensport ist, die Trockenlegung des Fifa-Sumpfes übernommen? Klar, das kann man fragen. Interessanter ist die Frage: Warum hat Europa, die Hochburg des Fußballs, dem Jahrzehnte langen Korruptionstreiben dieser ehrenwerten Gesellschaft ebenso lange tatenlos zugeschaut?

Es gibt eine Antwort, die nicht jedem gefallen wird. Man kann sie auf den Nenner bringen: typisch Amerika, typisch Europa.

In Amerika hat man die Angewohnheit, zu handeln, wenn ein Problem auftaucht. In Europa pflegt man das kluge Klagen, die gediegene Empörung, das tatenlose Kopfschütteln, nicht selten auch das Aussitzen. Ob Balkankrieg, ob Fifa-Sumpf: die einen tun was, die anderen diskutieren auf hohem Niveau und aus der Distanz. Die Diskutierer blicken mit leichtem Hochmut, ja manchmal sogar angewidert auf die herab, die einfach mal zupacken. Das europäische Diskutieren und Sich-leicht-erhaben-fühlen hat in unserem lieben Deutschland ein besonders schönes Zuhause. Allerdings ist es ein brüchiger Hochmut.

Tatsächlich verhält man sich bei uns immer wieder wie ein halb Erwachsener, der gerne über die Alten herzieht, der aber zu ihnen rennt, wenn es brenzlig wird und wenn er Angst vor der eigenen Courage hat. Und wenn die Eltern es gerichtet haben, kann wieder fröhlich über sie gemeckert werden. Im Familienleben ist das gestattet. Es gehört zum ewigen Generationen-Spaß. Wenn aber ein Land oder ein ganzer Kontinent sich wie eine Gruppe Halbstarker verhält, dann ist das nicht nur komisch.

Im Balkankrieg hat das europäische Zaudern, Zögern und Grübeln viele Menschenleben gekostet, bis die Amerikaner kamen und unser Problem angepackt haben. Das wüste Treiben der Fifa hat keine Menschenleben gekostet sondern nur viele schmutzige Millionen. Aber auch hier sind es nun die Amerikaner, die am wenigsten mit dem Mist zu tun haben, die aber mit dem Aufräumen ernst machen.

Wenn ich mir Michel Platini und Loretta Lynch nebeneinander vorstelle, brauche ich keine Minute, um zu sehen, wer der „Mann“ ist und wer das Weichei, das man in Amerika einen „wimp“ nennt.

Bei feinsinnigen Kritikern, wie Wladimir Putin, wird Amerika natürlich als anmaßender Weltpolizist getadelt. Wir wollen Putins Motive hier nicht näher würdigen. Aber in der Rechtspolitik gibt es einen sehr einfachen Grundsatz: Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, sind nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Ohne Polizei geht nun mal nichts. Und wenn sich Loretta Lynch als einzige traut, den Sheriff zu spielen, dann müssen sich die vielen Nicht-Sheriffs fragen, ob ihnen ihr Jahre langer Schlaf nicht vielleicht doch etwas peinlich ist.

Auch die vielfältigen Motive Amerikas, den Weltpolizisten zu geben, will ich hier nicht näher untersuchen. Nicht mal die der Loretta Lynch. Doch gerade die Wimps des europäischen Fußballfunktionärswesens sollten der Justizministerin dankbar sein und vielleicht sogar von ihr lernen. Sie handelt wie eine Erwachsene und nicht wie ein halbes Kind. Sie handelt amerikanisch und nicht europäisch.

Die eigentliche Frage lautet also: Warum haben wir keine Loretta?

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Leserpost

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Rene Havekost / 30.05.2015

Sehr geehrter Herr Bonhorst, ihre Frage, warum wir keine Loretta haben, wurde ja in ihrem Beitrag schon ausführlich beantwortet. Feigheit, Zögerlichkeit, letztendlich: Angst sind die Hauptursachen. Die Gründe dafür liegen tief und sind besonders in der deutschen Geschichte stark verankert, auch mittlerweile Bestandteil deutscher Genetik. Niemand möchte es hier riskieren ans Kreuz linker Meinungshoheit genagelt zu werden. Hinter verdeckter Hand munkelt man sogar, dass ,würde die Politik Klartext reden, es in Deutschland zu öffentlichem Aufruhr käme. Das passiert ja schon bei kleinsten Anlässen (Umbau eines Bahnhofs, Atommülltransporte, 1-Mai-Demos, Wirtschaftsgipfel, etc.). Minderheiten haben es geschafft, die Medien und den öffentlichen Diskurs zu Dominieren und jene regelmäßig in Aufregung zu versetzen. Die große Mehrheit schweigt und möchte ihre Ruhe haben. Die Gründe sind durchaus verständlich. Die meisten Menschen haben nämlich hauptsächlich damit zu tun, ihr Leben zu organisieren. Das Chaos wird wachsen, auch angesichts der rasant wachsenden Erdbevölkerung in den Problemzonen dieser Welt. Altkanzler Schmidt, der absolut nichts mehr zu verlieren hat, traut sich als einer von wenigen die Dramatik dieser Entwicklung klar zu Benennen. Die Dinge Verharmlosen und Beschwichtigen, Narkotika in Form von Erziehung zur Kaufsucht, Kulturkitsch und Massenverblödung, auch des sogenannten öffentlich rechtlichen Fernsehens, tun ihr übriges Wer die Wahrheit sagen möchte, sollte ein schnelles Pferd besitzen. (altes chinesisches Sprichwort). Wer hat das schon.

Wolfgang Schlage / 30.05.2015

Jaaahhhh, auch ich bin in vielen Dingen ein Freund der USA. Aber in diesem Fall möchte ich auch auf die Nachteile von deren System hinweisen: a) Rechtliche Verfahren setzen vielfach am Symptom an. Glaubt irgend jemand dass die FIFA in der Tiefe reformiert wird? Im Moment sieht es nicht so aus. Der Neoptismus in der Dritten Welt - das nährt die FIFA-Korruption - wird sich nicht ändern, nur weil jetzt sieben Leute im Gefängnis sitzen. In den USA werden jede Woche irgendwelche Politiker wegen Korruption angeklagt, aber das politische System wird trotzdem kaum weniger korrupt, wie es scheint. Es sitzen nur ein paar Leute im Gefängnis und die Korruption betreiben jetzt andere, die sich überlegen, was sie tun müssen, um nicht erwischt zu werden. b) Die “Tatkraft” der USA in diesen rechtlichen Fragen kommt auch daher, dass dort die Anklagebehörden von gewählten Karrierepolitikern geführt werden, die mit diesen Fällen ihre Chancen auf den nächsthöheren Karriereschritt (Gouverneur, US-Senator, Präsident) erhöhen. Es werden deshalb gern die Fälle verfolgt, die hohe Aufmerksamkeit versprechen. Ob jemand erwischt und angeklagt wird, hängt daher auch von der politischen Opportunität ab. Und die Angeklagten werden dann gern in demütigender Weise der Presse vorgeführt, weil das karrieredienlich ist. Ist das so erstrebenswert? c) Ich bin auch nicht begeistert von der exterritorialen Anmaßung der US-Rechtsprechung. Die US-Gerichte können in manchen Fällen einen Fall an sich ziehen, der mit den USA *nichts* zu tun hat und in einem Umfeld passiert, von dem US-Geschworene weniger als nichts verstehen, nur weil eine Zahlung über eine US-Bank abgewickelt wurde (passiert oft, weil das internationale Bankensystem ihr Zentrum in New York hat) oder das US-Kommunikationssystem benutzte (dafür muss man nur eine E-Mail schreiben). Ich bin den USA dankbar für ihr Eingreifen im Ex-Jugoslawien. Ich wäre auch für eine klarere Unterstützung der Ukraine. Aber das US-System hat auch seine Nachteile.

Matthias Kranzkowski / 29.05.2015

“Das europäische Zaudern, Zögern und Grübeln” kostet” viele Menschenleben” in der Ukraine. “In Europa pflegt man das kluge Klagen, die gediegene Empörung, das tatenlose Kopfschütteln, nicht selten auch das Aussitzen,” über die Lage in der Ukraine. In der Ukraine führt Russland einen Angriffskrieg gegen die freie Welt. Aber Deutschland hat das Schicksal der Menschen in der Ukraine, in den Baltischen Staaten, in Polen und in Israel nie interessiert. In Deutschland gibt es wichtigere Themen: Klimawandel, AfD, Pegida, Homoehe ...

Dr. Matthias Popp / 29.05.2015

Liebe Achse, baut doch einfach mal so einen Like-Button ein. Hier spricht ein IT-Laie, aber wie kann ich denn diesen tollen Artikel unkompliziert z.B. auf Facebook stellen? Kann wirklich auch an meiner Ahnungslosigkeit liegen. Trotzdem, vielleicht gibt es da Optimierungsmöglichkeiten. Viele Grüße Matthias Popp

Michael Lorenz / 29.05.2015

“Die eigentliche Frage lautet also: Warum haben wir keine Loretta?” Antwort: Weil wir einen Heiko Maas haben. Somit lautet die eigentlich-eingentliche Frage: Wie konnte das passieren? Denn an die Macht geputscht hat sich dieser Tiefpunkt der bundesrepublikanischen politischen Landschaft bekanntermaßen NICHT. Wenn wir das geklärt haben, haben wir vermutlich nicht weniger geklärt als die zentrale, tiefe Ursache für das traurige Bild, das Europa derzeit auf allen Ebenen liefert. Es wäre sehr wünschenswert, dass bis 2017 geklärt zu haben und dann das Unsrige als Wähler dafür zu tun, die Notbremse zu ziehen!

Klaus Kalweit / 29.05.2015

Das wüste Treiben der Fifa hat keine Menschenleben gekostet? Wirklich? Was ist mit den Bauarbeitern in Katar? Da war, als es noch Thema war, von 700 Toten die Rede. Beckenbauer Franz ist hingereist, hat aber nichts gesehen, nur glückliche Handwerker. Wie die Scheichs dem aufgeweckten Kaiser Franz den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestaltet haben, wurde öffentlich nicht bekannt. Ich habe lange nichts mehr darüber gehört. Will man dieses unangenehme, oder darf ich sagen: mörderische Thema jetzt totschweigen? Ist da die FIFA auch am Werke?

Waldemar Undig / 29.05.2015

Ja, wir können den Amis dankbar sein. Mal sehen, was so alles jetzt ans Licht kommt…

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