Burkhard Müller-Ullrich / 17.04.2010 / 18:01 / 0 / Seite ausdrucken

Vulkanaschenotizen (2)

Heute Mittag von Köln nach Berlin gefahren, und kaum eine Wolke am Himmel. Eine gewisse Irritation stellt sich ein beim angestrengten Starren in die stahlblaue Luft, nicht nur wegen der weiterhin abwesenden Flugzeuge, sondern auch aufgrund des Fehlens jeder sichtbaren Aschespur. Natürlich, wir bekamen gesagt, daß man die Vulkan-Wolke nicht sehen kann, aber Hören und Sehen klaffen wieder einmal so stark auseinander, daß man schon die BILD-Zeitung aufschlagen muß, um einen visuellen Ausdruck der herrschenden Gefühlslage zu finden. Dort, neben dem Titel: „Das Asche-Monster“ ist ein genial aufbereiteter Landkartenausschnitt des Eruptionsgebiets auf Island zu erkennen, ein Hauptkrater und zwei Nebenkrater, die eine totenschädelartige Figur formen, das Asche-Monster eben, ein spuckender Spuk.

In dem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, wie hoch der Einbildungs-Anteil an diesem ganzen gespenstischen Geschehen ist. Einbildung gewiß sind die Schlieren am Himmel, die das geblendete Auge nach einer Weile hier und da auszumachen wähnt, aber steckt vielleicht auch etwas Einbildung in der verordneten Schockstarre des gesamten Luftverkehrs? Ist das totale Flugverbot möglicherweise übertrieben, so eine Art Schweinegrippenkampagne im aerodynamischen Bereich? Die Luftwaffe könne ja sehr wohl fliegen, heißt es, bloß nicht mitten durch die Asche.

Allerdings: wo ist die Mitte bei einer transkontinentalen… Wolke? Die Wolkigkeit als solche ist das eigentlich Erregende an dem Phänomen. Dieses „Wir-können-nicht-mit-Bestimmtheit-sagen“, das derzeit alle offiziellen Statements ziert, lädt unsere Phantasie zu eigenen Anstrengungen geradezu ein, denn was der Mensch nicht weiß, das muß er sich erklären. Die Wolke also hat eine so gigantische Ausdehnung erreicht, daß sich die Asche ebenso gigantisch verdünnt haben muß, denke ich mir – und schäme mich zugleich, als Laie überhaupt darüber nachzudenken. Aber gehören solche unqualifizierten Gedanken nicht sowieso zum Luftverkehr? Macht sich nicht jeder Flugpassagier, der technisch nichts davon versteht, seine ganz eigenen Vorstellungen von dem magischen Vorgang des Fliegens? Ist nicht das Fliegen schlechthin eine Phantasie?

Wahrscheinlich steckt in dieser Phantasie soviel Energie, daß die Maschinen schon durch den geistigen Auftrieb in der Luft gehalten werden. Eine solche Luftfahrt-Theorie ist zumindest ebenso plausibel wie das gefühlte Zusammenrücken der Völker Europas unter einer gemeinsamen Decke aus Staub.

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