In den gestrigen Parlamentswahlen hat Israel sich klar entschieden – für ein Unentschieden. Den Vorhersagen zum Trotz gewann Außenministerin Tzippi Liwni den Kampf gegen Oppositionsführer Benjamin Netanjahu. Liwnis Regierungspartei Kadima bleibt mit voraussichtlich 30 Mandaten nicht nur die stärkste Kraft im Parlament. Wider Erwarten verbesserte Liwni sogar das Wahlergebnis vor drei Jahren. Damit hat sie ihre Führungskraft unter Beweis gestellt. Ein großer Teil Israels entschied sich für ihre Politik einer Fortführung des Friedensprozesses, und damit letztendlich auch für territoriale Kompromisse. Doch auch die Rechte wurde stärker. Der ultra-nationalist Avigdor Liebermann wurde wie erwartet zur drittstärksten Kraft im Parlament. Ohne ihn ist die Bildung einer Regierung unmöglich geworden.
So bleibt die ewige Pattsituation bestehen. Das Parlament, die Knesset, ist zwischen Rechten und Linken entzweit. Mit zwölf Parteien, die wieder einmal in die Knesset einziehen werden, wird jede Koalition aus mehr als vier Partnern bestehen müssen und sehr instabil sein. Die Rechte besitzt zwar eine kleine Mehrheit von 63 der insgesamt 120 Mandate. In der Frage der Trennung von Staat und Religion ist sie jedoch tief gespalten. Dem Rechten Netanjahu dürfte eine Koalitionsbildung sehr schwer fallen. Auch Liwni kann ohne einen Schulterschluss mit einem Teil der Rechten nicht regieren.
In den letzten zwei Jahrzehnten gelang es keinem Premier, eine Legislaturperiode bis zum Ende zu regieren. Alle drei Jahre wechselte Israel die Richtung. Langfristige Prozesse, wie Friedensverhandlungen oder wirtschaftlicher Aufbau, sind unmöglich geworden. Die dringlichste Aufgabe für Israels Politiker ist angesichts des neuen alten Patts deswegen die Reformierung des politischen Systems. Dazu müssen sich die Großen zusammenraufen. Sollte das nicht geschehen, steht Israel in naher Zukunft wieder eine Wahl ins Haus.