Gil Yaron / 21.04.2007 / 08:56 / 0 / Seite ausdrucken

Danke, Hisbollah!

Es war einer der längsten und schwersten Kriege in der Geschichte Israels. Im zweiten Libanonkrieg im letzten August waren mehr als eine Million Israelis über einen Monat entweder auf der Flucht vor den Raketen der Hisbollah, oder verbrachten den Krieg gemeinsam in Luftschutzbunkern. Neun Monate später berichten die Krankenhäuser in Nordisrael über zumindest einen positiven Nebeneffekt des Krieges: die Geburtenrate ist dramatisch angestiegen. “In den kommenden zwei Monaten rechnen wir mit einem Zuwachs von 20-30% in der Geburtenrate”, sagt Dr. Sohar Schiffra, Chefärztin der Wöchnerinnenstation im Ziv Krankenhaus in Safed, einer Stadt in Galiläa im Norden Israels. “Eine große Zahl von Frauen hat sich bei uns bereits angemeldet.”

“Es handelt sich um ein bekanntes Phänomen”, sagt Dr. Alexander Misruhin, der die Psychiatrie bei Ziv leitet. Ähnliches sei auch nach den beiden Weltkriegen bereits beschrieben worden. “Menschen suchen beieinander Halt und Schutz. So kommt man sich natürlich auch physisch näher”, sagt Misruhin. “In dieser Zeit höchster Bedrohung gesellt sich oft der Wille hinzu, unveränderbare Fakten zu schaffen und ihre Familie zu erweitern”, erklärt der Psychiater. Für Nirit Jaakov, eine 24-jährige Sekretärin in einer Zitrusfruchtplantage, ist die Geburt ihrer Tochter Romm ein Signal an die Hisbollah:” Die wissen genau, was bei uns vorgeht. Romm ist Symbol dafür, dass wir uns trotz allem vermehren und für immer hier bleiben werden.” Ihr starker Glaube lässt sie in Romm ein göttliches Zeichen sehen:” Mein Mann und ich haben schon lange versucht, ein Kind zu zeugen. Gerade im Krieg ist es uns gelungen. In der ersten Woche des Krieges war ich in fürchterlichem Druck.” Fast 4000 Raketen schoss die Hisbollah letzten Sommer auf israelische Städte ab:” Die Einschläge haben mich in Hysterie versetzt. Ich habe mich dauernd erbrochen, konnte nichts runterkriegen. Gerade in dieser Situation schwanger zu werden, nachdem es unter normalen Umständen nicht funktionierte, ist ein Wunder.”

Andere zählen pragmatischere Ursachen auf. Für Dina Meirov, eine 28-jährige Elektronikingenieurin, kam der Krieg fast wie gerufen. “Mein Mann und ich wollten schon lange ein zweites Kind haben, aber wir kamen nicht dazu”, sagt sie. Sie arbeitet tagsüber und studiert abends, ihr Ehemann Sergei schiebt in derselben Fabrik die Nachtschicht. “Wir haben uns schlicht nie gesehen. Die Beziehung fand über Handy statt.” Doch als die Katyushas begannen, auf Nordisrael herabzuregnen, flüchtete das Paar zur Tante nach Tel Aviv. “Dort verbrachten wir den Krieg in einem kleinen Gästezimmer, wir hatten füreinander Zeit”. Heute hält sie den kleinen Lior in ihren Armen. Obwohl die Meirovs den Krieg nur indirekt miterlebten, wollen sie jetzt ihre Heimatstadt Carmiel verlassen:” Wir ziehen nach Tel Aviv. Hier ist es mir zu unsicher.”

Besonders bei den Erwachsenen hat der Krieg seelische Spuren hinterlassen. “Menschen schauen pessimistisch in die Zukunft, niemand will etwas planen, da man sich hier noch zu unsicher fühlt”, sagt Dr. Misruhin. Doch gerade den Paaren, die sich inmitten des Krieges entschlossen, Leben zu zeugen, sagt Misruhi eine gute Zukunft voraus:” Erfahrungsgemäß bleiben Paare, die solche Krisensituationen überstehen, länger zusammen. Instabile Beziehungen zerbrechen daran, stabile Ehen aber schaffen gemeinsame Erinnerungen und ein Gefühl der Loyalität, das Jahre anhält.” Dina bestätigt das:” Mein Mann und ich verstehen uns seit dem Krieg noch viel besser. Aber am meisten wünsche ich mir, dass unsere Tochter in Frieden aufwächst.”

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