Tom David Frey, Gastautor / 06.09.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Der Trump-Faktencheck (1): Teufel, Heiland oder… Antisemit?

Von Tom David Frey.

Was, wenn Donald Trump weder der Teufel noch der Heiland wäre? Angenommen, er wäre einfach nur ein Politiker mit Vor- und Nachteilen. Tom David Frey wagt in seinem Buch, das wir in Auszügen vorstellen, die Abwägung. Teil 1: „Der ,antisemitische' Präsident“. 

Einerseits ist Trump, der eine ausländische Frau heiratete und dessen Tochter selbst zum orthodoxen Judentum konvertiert ist, mit Sicherheit nicht politisch rechtsradikal. Gleichzeitig ist der Patriot Trump mit Sicherheit kein linker Genosse im Klassenkampf. (…) Dann vielleicht ein waschechter Antizionist? Auch hier wird es schwierig, war es doch Präsident Trump, der sich als Erster traute, die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt zu besiegeln, indem er die amerikanische Botschaft von der Mittelmeermetropole Tel Aviv nach Jerusalem verlegte. (…) Was hat der Mann, dessen jüdischer Berater auch der Vater seiner drei ebenfalls jüdischen Enkel ist, getan, dass ihm der Vorwurf des Antisemitismus gemacht wird?

Trump-Judentum-Aufreger 1

„Ich will Ihr Geld nicht, deshalb werden Sie mich wahrscheinlich nicht unterstützen, weil Sie dummerweise Geld geben wollen; Trump will kein Geld. (...) Einige von uns verhandeln Deals nach. Ich würde sagen, etwa 99,9 %. Gibt es irgendjemanden in diesem Raum, der nicht nachverhandelt? (...) Vielleicht mehr als in jedem anderen Raum, in dem ich je gesprochen habe. (...) Ich weiß, warum Sie mich nicht unterstützen werden, Sie werden mich nicht unterstützen, weil ich Ihr Geld nicht will. (...) Aber ich würde mich über Ihre Unterstützung freuen, aber ich will Ihr Geld nicht, und ich weiß es zu schätzen.“

Da stand Donald Trump, auf der Bühne der RJC, der Republican Jewish Coalition. Die Organisation, gegründet im Jahr 1985, versteht sich als Brücke zwischen der jüdischen Community und republikanischen Gesetzgebern. Dem Namen gerecht werdend, vertritt sie eine republikanisch-konservative politische Position, bringt aber auch nichtkonservative Juden mit den republikanischen Gesetzmachern in Kontakt. 

Ja, das waren unschöne Aussagen, die Trump da von sich gab – obwohl nicht untypisch für den Geschäftsmann und damaligen Präsidentschaftskandidaten, der doch so viele seiner Worte überspitzte und mit Vorurteilen um sich warf. Zur Ehrlichkeit gehört, dass das jüdische Publikum vor Ort über die meisten der Kommentare Trumps – allerdings nicht über alle – herzlich lachte.

Unangebrachte Zuspitzungen

Warum sind Trumps Worte dennoch kritisch?

Kritisch sind Trumps Worte nicht, weil er mit ihnen Hass ausdrückte – denn das tat er nicht. Wenn Trump überhaupt einmal Menschen außer sich selbst bewundert, dann solche, die sich durchsetzen können und die erfolgreich sind.

Trump, redefreudig und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, bediente während seiner rund halbstündigen Rede dennoch gleich zwei der bekanntesten Stereotype über Juden. Zum einen sprach er vom Geld der Juden und vom Versuch, dieses für politische Zwecke zu nutzen. Damit bediente er verbal das Stereotyp des reichen und hinter den Kulissen agierenden Juden, der die Fäden in der Hand hält. Zum anderen brachte Trump wie selbstverständlich das Stereotyp des erfolgreichen, vielleicht sogar gerissenen Geschäftsmanns auf den Tisch, als er 99,9 Prozent aller im Raum befindlichen Personen ein Nachverhandlungstalent attestierte.

Problematisch sind die für viele harmlos anmutenden Worte Trumps, weil die allermeisten Juden in Amerika weder reiche Geschäftsleute noch Könige am Verhandlungstisch sind. Wie so oft sind Trumps Zuspitzungen, ob beim Thema Mexikaner, Muslime oder Juden, höchst unangebracht. Aber unwidersprochen gibt es sie, die reichen jüdischen Manager und Unternehmer. Allerdings auch die jüdischen Durchschnittshaushalte. Und selbst jüdische Armut existiert, zum Beispiel in der New Yorker Ultraorthodoxen-Community ist sie an vielen Stellen sichtbar.

Als Gruppe betrachtet, schneiden Juden in Amerika dennoch überdurchschnittlich gut ab. (…) Die vielen unterschiedlichen Zahlen dazu sind aber deshalb besonders schwierig zu bewerten, weil bei Juden immer die Frage im Raum steht, wie man sie überhaupt definiert: als religiöse oder als ethnische Gruppierung. Je nachdem, wie man die Frage beantwortet, könnte man nämlich zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in puncto Wohlstand kommen. (…) 

Höchst fragwürdiges Stereotyp

Wenn man nun aber zu dem Schluss kommt, wie auch immer man das Thema interpretiert und wie auch immer man eine Statistik aufstellt und auswertet, dass es in Amerika in der Tat überdurchschnittlich viele wohlhabende Juden gibt, dann ist das der aktuellen Datenlage nach zutreffend. Amerikanische Juden sind finanziell überdurchschnittlich erfolgreich. Und das kann man auch stehen lassen, ohne auf Armut innerhalb der jüdischen Gemeinden zu verweisen und ohne abermals zu erwähnen, dass Asiaten und Hindus ebenfalls überdurchschnittlich gut dastehen. Es sind also nicht nur „die Juden“, die auf der Erfolgsleiter recht weit oben rangieren.

Allerdings ist die Verbindung, die Trump aufbaute, das Stereotyp vom „reichen Juden“, das er in die Welt posaunte, trotzdem höchst fragwürdig. Denn der damalige US-Präsidentschaftskandidat spielte nicht mit irgendeiner Aussage, sondern mit einem alten und mit viel Blut befleckten Vorurteil. Die Wut, die sich immer wieder entlud, weil Neid auf den Erfolg einiger wohlhabender Juden um sich gegriffen hatte, ist dabei historisch doppelt bitter. Einerseits, weil der Erfolg das Resultat einer Kultur des Lernens und harter und oftmals riskanter Arbeit gewesen war. Andererseits aber auch, weil Erfolg auch Ansporn hätte auslösen können anstatt Gier und Neid.

Hinzu kommt, dass viele der wohlhabenderen Juden Europas sich nur ins damals verschriene Zinsgeschäft begeben hatten, weil ihnen andere Berufswege untersagt worden waren. Teilweise hatte niemand Geringeres als die mächtige abendländische Kirche dafür gesorgt, dass Juden zum Zinsgeschäft gezwungen wurden. Das taten sie, um Christen vom verpönten Geldverleih abzuhalten (…). Dennoch verhalten sich viele der sich aufgeklärt fühlenden Menschen heute nicht wirklich anders. Der neue Pool des Nachbarn oder die schicke neue Luxuslimousine kitzeln in vielen Menschen negative Gefühle wach. Anstatt sich zu freuen und sich vom Erfolg anstecken zu lassen, spüren sie ein Gefühl von Minderwertigkeit. (…)

Falsch, aber nicht hasserfüllt

Obwohl Trumps Kommentare, wie üblich, stark zugespitzt und vor allen Dingen unangebracht waren, so waren Teile davon dennoch nicht gänzlich unzutreffend. Denn Trump hielt seine Rede nicht irgendwo vor einer Ansammlung an amerikanischen Juden jeder Einkommensklasse. Die Republican Jewish Coalition, vor der Trump seine Ansprache hielt, beschreibt sich auf ihrer Website selbst als Organisation, die Kandidaten „politisch wie finanziell“ unterstützt, sollten sich „Prioritäten und Prinzipien“ von Kandidaten mit denen der Organisation überschneiden.

Das viele Gerede über Geld fuhr Trump vor einem jüdischen Publikum zwar besonders hoch, was die Kritik auch berechtigt, allerdings waren seine Worte nicht gänzlich falsch, ging es doch wirklich um Geld – wie es in jedem amerikanischen Wahlkampf um (viel) Geld geht. Dabei gibt es massenweise unterschiedliche Organisationen, die versuchen, politisch Einfluss zu nehmen, unabhängig von der Religion oder der Ethnie der Spender.

Schaut man sich die „Prioritäten und Prinzipien“ der Republican Jewish Coalition an, dann sind diese eigentlich nur durchschnittlich republikanisch. Zu den Prinzipien, anhand derer die Organisation entscheidet, welche Kandidaten sie bezuschusst, zählen ein Fokus auf eine starke nationale Sicherheit, ein schlanker Regierungsapparat, außerdem eine wirtschaftsfreundliche Politik. Drei typisch konservative Themenblöcke, die auch christliche und andere den Republikanern nahestehende Organisationen fordern.

Genauso wenig allerdings, wie die Mitglieder der Republican Jewish Coalition durch den Einsatz von Geldern eine Weltverschwörung planten, war Trumps Kommentar in einem hasserfüllten Sinne antisemitisch. Er war, wie so oft, bewusst reißerisch formuliert, maximal zugespitzt, und er kann durchaus falsch interpretiert werden. Gerade dann, wenn man ihn aus dem Kontext reißt. Was irgendwo auf der Welt irgendwelche Antisemiten mit Sicherheit auch getan haben und was mit aller Härte abzulehnen ist.

Ja, Trumps Spiel mit einem antisemitischen Stereotyp war falsch, hasserfüllt allerdings war es nicht.

Trump-Judentum-Aufreger 2

In einem im Dezember 2021 geführten Interview mit dem israelischen Journalisten Barak Ravid kam es dann erneut zu einem Eklat. Abermals bediente Donald Trump alte Vorurteile gegenüber Juden. Und davon gleich mehrere.

„Es gibt Menschen in diesem Land, die jüdisch sind und Israel nicht mehr lieben. (...) Die jüdischen Menschen in den Vereinigten Staaten mögen Israel entweder nicht oder sie interessieren sich nicht für Israel.“

Trumps Enttäuschung rührte daher, dass er die vorangegangene Präsidentschaftswahl verloren hatte. Obwohl er im Jahr 2020 mehr Stimmen hatte verbuchen können als jeder Präsident vor ihm, mehr Stimmen, als sie Bill Clinton oder Barack Obama je bekommen hatten, mehr Stimmen, als er selbst 2016 hatte ergattern können, so hatte Herausforderer Joe Biden ihn dennoch geschlagen. Platz 2 für Trump, der nur Platz 1 akzeptieren wollte. In großen Teilen hatten auch die Juden Amerikas, wie die meisten Minderheiten, für Trumps Herausforderer Biden gestimmt. Eine klare Absage an den US-Präsidenten, der für Israel eingetreten war, wie wenige vor ihm.

Allerdings gibt es hierzu zwei wichtige Beobachtungen:

Zum einen ging „die jüdische Stimme“ in den Wahlen nicht an Joe Biden. Eine Umfrage des Pew Research Centers aus dem Wahlkampfjahr 2019 und dem Wahljahr 2020 verdeutlicht das. Die Umfrage ergab zwar, dass sich 71 Prozent aller Juden Amerikas mit den Demokraten identifizierten und nur 26 Prozent mit den Republikanern. Allerdings lohnt ein Blick auf eine Entschlüsselung der unterschiedlichen innerjüdischen Konfessionen, denn dort ist das Bild bei weitem nicht so eindeutig, wie es das von außen scheint. Unter orthodoxen Juden, die nur rund 10 Prozent der Juden Amerikas ausmachen, identifizierten sich rund 20 Prozent mit der Demokratischen Partei – hingegen ganze 75 Prozent mit Trumps Republikanern.

Frömmigkeit und Parteipräferenzen

Die größte jüdische Konfession Amerikas allerdings, das tendenziell links-liberale Reformjudentum, zeigte ein ganz anderes Verhältnis zu den beiden Parteien. Rund 80 Prozent der befragten Reformjuden hielten es mit Bidens Demokraten und nur 18 Prozent mit den Republikanern.

Die Parteienfrage unter amerikanischen Juden war 2020 deshalb eine klare Frage der konfessionellen innerjüdischen Ausrichtung. Je religiöser die Gruppe, desto eher tendierte sie zu den Republikanern. Je weltlicher, desto mehr tendierte sie zu den Demokraten. Ein Muster, das nicht nur bei Juden, sondern auch bei den Angehörigen anderer Religionen zutreffend ist.

Die Juden“ hatten also weder für noch gegen Trump gestimmt.

Die andere Beobachtung ist die, dass es zutreffend ist, dass Donald Trump sich als Freund des einzigen jüdischen Staates klar hervorgetan hatte. Er war es gewesen, der die auf dem Papier schon lange existierende Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt mit der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich umgesetzt hatte. Außerdem war er es gewesen, der das von israelischer Seite als größte akute Bedrohung des jüdischen Staates angesehene JCPOA-Abkommen mit dem Iran aufgekündigt hatte, wie es der israelische Ministerpräsident Netanyahu schon seit Jahren gefordert hatte.

Trump hat viel für Israel getan

Auch war Trump ein Deal gelungen, wie er noch keinem seiner Amtsvorgänger geglückt war: die Unterzeichnung der Abraham Accords. Dass so wenige von der Bedeutung dieser vielleicht größten außenpolitischen Leistung des ehemaligen Präsidenten wissen, hängt wohl mit der in den Medien geringen Popularität Trumps zusammen. Das dem Friedensnobelpreis würdige Dokument fand wenig Beachtung, und das trotz seiner enormen Wichtigkeit, für die andere Politiker flugs die Titelseiten der großen Magazine für sich hätten einnehmen können. (…)

Trump lag also mit seiner Einschätzung nicht gänzlich falsch, als er sagte: „Kein Präsident hat mehr für Israel getan als ich.

Seine Fehleinschätzung jedoch war eine andere. Das Problem an Trumps Worten war, dass er für die Unterstützung Israels von amerikanischen Juden eine Art „Gegenleistung“ zu erwarten schien. Damit bediente er die alte Mär vom Juden, der einem anderen Land als seiner Heimat loyal ist. Denn obwohl auch viele amerikanische Juden eine Verbindung zu Israel haben, so sind sie Amerikaner, die aus freien Stücken in den Vereinigten Staaten leben. Und das zum Großteil seit Generationen. Deshalb verwundert es nicht, dass viele amerikanische Juden sich auf den Schlips getreten fühlten, als der US-Präsident für seine Unterstützung Israels von ihnen, die sie so wenig israelische wie japanische oder kongolesische Staatsbürger waren, eine Gegenleistung zu erwarten schien.

Was sich wie eine Kleinigkeit anhören mag, ist allerdings ein bekanntes Stereotyp. Fälle, in denen Juden eine von außen fehlerhaft attestierte mangelnde Loyalität mit der Heimat vorgeworfen wurde, die nicht selten verhängnisvolle Folgen hatte, gibt es viele. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Fall Dreyfus, bekannter als die „Dreyfus-Affäre“. (…) 

Die Annahme, Juden müssten loyal zu Israel stehen

Auch heute kommt es vielerorts zu dem Phänomen, dass Juden ihre Heimat abgesprochen wird und sie stattdessen mit Israel gleichgesetzt werden. Nicht nur Trump scheint von dem Gedanken beeinflusst zu sein, Juden müssten Israel, oder aber denen, die Israel Gutes tun, gegenüber loyal sein. In den Köpfen vieler Menschen scheinen Juden, ob sie Amerikaner, Franzosen, Schweden oder Deutsche sind, in erster Linie eben doch eines zu sein – Juden. Und Juden stehen für sie in vielen Fällen synonym für Israel, für dessen Konflikte und Entscheidungen, in die sie dann unfreiwillig hineingezogen und für die sie nicht selten verantwortlich gemacht werden. (…)

An diesen im Westen wieder stetig anwachsenden Entwicklungen, die schon lange vor 2016 ihren Lauf nahmen, ist Donald Trump nicht die Schuld zu geben. Und trotzdem sind seine Worte, die nur teilweise akkurat sind, falsch und bedienen abermals ein Stereotyp, ganz ohne dabei in irgendeiner Form einen produktiven Fortschritt zu machen. Eine Lose-Lose-Situation, die harsch und falsch ist, bei der allerdings der Begriff des Antisemitismus nicht der richtige zu sein scheint. Denn auf eine seltsame Weise ist Trump eine Ausnahme. Er scheint felsenfest antisemitische Stereotype im Kopf zu haben: Da ist der „reiche Jude“, der „die Politik beeinflussende Jude“, der „Israel-loyale amerikanische Jude“.

Allerdings, und das ist ausschlaggebend, verachtet Trump Juden nicht oder ruft in irgendeiner Form zu Hass gegen sie auf. Trump ist kein Mann der leisen Töne, entsprechend werden seine markigen und zugespitzten Verallgemeinerungen, in diesem Fall sind es sogar Stereotype, mit Sicherheit von Menschen auch missbraucht, was zu verurteilen und worauf hinzuweisen ist. Wie bei so vielen anderen Themen auch, täte Trump gut daran, sensible Themen nicht auszusparen, aber sich dennoch über Reichweite und Verantwortung bewusst zu sein. Und auch darüber, wie einzelne Sätze heute, geschickt geschnitten, eine vom eigentlichen Ziel abgeänderte Botschaft transportieren können.

Trump-Judentum-Aufreger 3

Trumps vielleicht fatalste Handlung mit Hinblick auf Antisemitismus war keine seiner durchaus mit antisemitischen Stereotypen spielenden Aussagen selbst, sondern war ein Treffen im Jahr 2022, indem der ehemalige Präsident mit Rapper „Ye“ dinierte, der mit bürgerlichem Namen Kanye Omari West heißt. Dem Abendessen wohnte außerdem Nicholas Fuentes bei. Fuentes, ein junger Podcaster mit klar rechtsradikalem Weltbild, wurde zu dem Dinner allerdings nicht von Trump eingeladen. Es war West, der den rechtsradikalen Verharmloser des Holocaust mit nach Florida in Trumps Anwesen Mar-a-Lago gebracht hatte. Da Fuentes allerdings einen recht niedrigen Bekanntheitsgrad innehat, ist Trumps Aussage tendenziell glaubhaft, von dessen rassistischen wie antisemitischen Kommentaren vorab nichts gewusst zu haben.

Die Beziehung Trump–West jedoch reicht viele Jahre zurück. Bereits im Dezember 2016 besuchte West den frisch gewählten, aber noch nicht vereidigten Präsidenten Trump in New York. Es folgten Tweets, in denen West seine Sympathie für Trump ausdrückte, außerdem fiel West immer wieder durch das Tragen von Trumps roter Make America Great Again Kappe auf. Der offen mit Bipolarität kämpfende Rapper und ehemalige Milliardär West, der in Interviews immer wieder mit sprichwörtlichem Wahnsinn auffällt, zum Beispiel, indem er gänzlich sein Gesicht verhüllt oder laut „Lalalala“ ruft, wenn eine Nachfrage seinen wirren Wortschwall zu unterbrechen droht, war zu dem Zeitpunkt des fatalen Treffens mit Trump bereits ein langer Bekannter des ehemaligen US-Präsidenten.

Was aber war passiert, dass das Treffen Trumps mit West im Jahr 2022 zu einem heiß diskutierten Thema machte? West folgten zum Zeitpunkt des Treffens bei Twitter rund 31 Millionen Menschen. Zumindest taten sie das bis zur Sperrung von dessen Account.

Der im Jahr 1977 geborene Ex-Ehemann von Model Kim Kardashian twitterte im Oktober 2022, also nur rund einen Monat vor dem Treffen mit Trump: „Ich bin heute Nacht ein bisschen müde, aber wenn ich aufwache, werde ich death con 3 auf JÜDISCHE MENSCHEN sein. (…)“.

Zum Verständnis: „Death con 3“ ist eine Wortmischung aus „Defcon 3“ und „Death“.

Defcon 3 ist dabei die höchstmögliche Stufe der Alarmbereitschaft der US-Streitkräfte. Und Death ist unmissverständlich. In seinem Tweet rief West also die höchstmögliche „Todesbereitschaft“ gegen Juden aus, was als unmissverständliche Androhung von Gewalt gegen eine Minderheit gewertet werden muss. Dass Trump sich mit West nur rund einen Monat nach diesen klar antisemitischen Morddrohungen traf, ist schockierend. 

Trumps größter Feind: das eigene Ego

Wie so oft scheint Trumps größter Feind das eigene Ego zu sein. Sich mit jedem an den Tisch zu setzen, der finanziell erfolgreich und einflussreich ist, nur, weil derjenige dem eigenen Ego schmeichelt, ist sowohl politisch als auch menschlich falsch wie gefährlich. Wo bei Nicholas Fuentes davon ausgegangen werden kann, dass Trump ihn und seine hasserfüllten Worte zum Zeitpunkt des Treffens wirklich nicht kannte, so kann sich Trump bei West nicht herausreden. Die beiden kannten sich seit Jahren persönlich, außerdem hatte die Hetze des Rappers ein großes mediales Echo ausgelöst, das Trump nur schwerlich hätte übersehen können.

Dass Trump sich mit West traf, weil dieser ein Antisemit ist, dafür fehlen die Belege und das ist unwahrscheinlich. Zudem passt ein solches Verhalten nicht zu Trumps politischen Idealen. Mit großer Sicherheit war West auch weder politisch noch intellektuell dazu fähig, Trumps politische Ziele zu beeinflussen. Weder lud Trump West wegen dessen eindeutig antisemitischen Tiraden ein, noch verfolgte Trump je selbst eine antisemitische Agenda, die zu Wests gestörtem Weltbild passen würde. Allerdings sorgte Trumps Gier nach Zuspruch zu einem Wegsehen, zu einem Übersehen von Wests Anstachelung zu Gewalt gegen Juden.

Einschätzung

Das Treffen Trumps mit West, gepaart mit seinen vielen in die Welt posaunten Stereotypen, kann als latent antisemitisch gedeutet werden. Sich mit einem expliziten Judenhasser zusammenzusetzen, nicht zum politischen Duell, sondern zum netten Abendessen, entspricht mindestens einer stillschweigenden Duldung.

Wer den klugen Worten Papst Bonifatius VIII. Vertrauen schenkt, der kommt zu einem traurigen Schluss. Dem im Jahre 1303 in Rom verstorbenen Oberhaupt der katholischen Kirche werden die Worte zugeschrieben: „Wer schweigt, stimmt zu, wo er hätte sprechen müssen oder können.“

Wenigstens im Beisein seiner nächsten jüdischen Familie – bestehend aus Tochter Ivanka Trump, Arabella, Joseph, Theodore und Jared Kushner – überkommt Trump, der als Präsident nicht antisemitisch handelte, seitdem hoffentlich dennoch ein Gefühl der Scham dafür, dass er dem Hass auf Juden, letztlich auch auf die eigene Familie, eine so prominente Bühne bot.

Auszug aus Das Donald Trump Buch: Die Hauptvorwürfe im Faktencheck, Independently published (27. Juli 2023), 447 Seiten von Tom David Frey. Hier bestellbar.

Weitere Textauszüge folgen.

 

Tom David Frey, geboren 1992, ist Doppelstaatsbürger, Unternehmer und Kreativschaffender. Dokumentarfilme, Blogposts und Podcasts  erscheinen auf https://www.tomdavidfrey.de.

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Leserpost

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Uwe Schäfer / 06.09.2023

Mir ist völlig egal, dass Donald Trump wahrscheinlich ein Großkotz ist, jedem Rock nachjagt und wahrscheinlich ziemlich viel Dreck am Stecken hat. Das was zählt ist, dass er (soweit ich informiert bin) als einziger US-Präsident der letzten Jahrzehnte keinen Krieg vom Zaun gebrochen hat, außenpolitisch viel positives erreichte und seinem Land bestimmt besser Gedient hat als Clinton, Obama und der jetzige völlig senile und ferngesteuerte Amtsinhaber. Außerdem hätte es mit ihm den Ukrainekrieg mit absoluter Sicherheit nicht gegeben wohingegen sofort klar war, dass unter Biden ein Krieg vom Zaun gebrochen würde. Ich würde mich aus verschiedenen Gründen sehr freuen, wenn er eine zweite Amtszeit bekäme. Leider sieht es dafür nicht gut aus.

Donatus Kamps / 06.09.2023

“Trumps Enttäuschung rührte daher, dass er die vorangegangene Präsidentschaftswahl verloren hatte. Obwohl er im Jahr 2020 mehr Stimmen hatte verbuchen können als jeder Präsident vor ihm, mehr Stimmen, als sie Bill Clinton oder Barack Obama je bekommen hatten, mehr Stimmen, als er selbst 2016 hatte ergattern können, so hatte Herausforderer Joe Biden ihn dennoch geschlagen. Platz 2 für Trump, der nur Platz 1 akzeptieren wollte.”——- Auch wenn es hier bei Achgut zum 185. Mal ist: Trump hat die Präsidentschaftswahl gewonnen, aber die anschließende Wahlmanipulation in den Tagen nach der Wahl, als so lange in den demokratischen Hochburgen der Swing-Staaten “Briefwahlstimmen gezählt wurden”, bis Biden an ihm vorbeigezogen war, verloren.

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