Thilo Schneider / 11.07.2018 / 07:54 / Foto: Pixabay / 26 / Seite ausdrucken

Thilos WM-Tagebuch 10

So. Die Uhr tickt, diese grottige WM nähert sich dem verdienten Ende, und ich wünschte, mit der Kanzlerschaft Merkels wäre das auch so. Aber Politik ist eben kein Sport, sondern ein ewiges Endspiel, das immer wieder in die Verlängerung geht. Zumindest unter Angela der Barmherzigen.

Die Viertelfinale habe ich zwar gesehen, konnte ich aber aufgrund anderer unschöner Nebensachen der Welt nicht kommentieren, aber die Ergebnisse sind sowieso bekannt. Dadurch, dass die „Mannschaft“ so früh raus war, hatte ich Zeit, mich um andere unwichtige Sachen zu kümmern. Pech für Herrn Dipl.-Kfm. Siegfried Ermer und Herrn Dipl.-Jur. (Univ.) Stephan Weinberger, Ibrahim (27 und Backwarenfreund) und Klaas Klever. Können sie sich bei Özil und Friends bedanken. Sonst wäre mir das durchgerutscht.

Die Viertelfinale waren auch, sieht man von schauspielerischen Einlagen von Neymar und dem Spiel Russland gegen Kroatien ab, eigentlich eher sterbenslangweilig und ließen sich nur unter der hiesigen Gesellschaftsdroge „Äppelwoi“ bis zum Ende durchhalten. Insgesamt lässt sich über diese WM sagen, dass man im Grunde nur die ersten und die letzten 10 Minuten der regulären Spielzeit sehen musste, ansonsten tat sich in der Empfangshalle des DFB mehr als in den Stadien von Putins Reich.

Bierhoff übt harte Selbstkritik an Özil und nimmt diese dann zurück, Lothar Matthäus und Tim Wiese durften aus dem Friedhof der Fussballmaskottchen röcheln, und wie einst beim Kirchenschisma belegen sich alle Beteiligten und Unbeteiligten gegenseitig mit Bannflüchen. Der Baba von Özil empfiehlt ihm den Rücktritt, 37 Prozent aller deutschen Bundestrainer fordern das gleiche von Löw, und last but not least fordert Aiman Mazyek (das ist der Kampfzwerg des Zentralrats der Muslime) das vom DFB. Gewinner ist Horst Seehofer – der bleibt im Amt.  

Herzblut und kein Schaulaufen

Frankreich hat Uruguay aus dem Wettbewerb gedrückt, die Belgier haben die Brasilianer auf dem Gewissen, die ziemlich unverhofft nach Hause fuhren, die Engländer haben souverän die Schweden aus dem Wettbewerb gekegelt (sogar die „Mannschaft“ hat gegen die gewonnen) und lediglich Russland gegen Kroatien war der erhoffte „Bitch-Fight“ – und dazu ein paar Worte:

Es gibt Spiele, die sind nett. Und es gibt Spiele, die sind legendär. Die Partie Russland gegen Kroatien war so ein Spiel. Hier standen zwei Mannschaften auf dem Platz, die beide unbedingt gewinnen wollten. Vielleicht nicht mit den größten spielerischen Mitteln. Aber mit einem Herzblut und einer Leidenschaft, wie man sie sonst eher von südamerikanischen Mannschaften und ganz früher von der deutschen und englischen Nationalmannschaft gewohnt war.

Du liegst 1:0 hinten? Egal, spiele weiter und mache den Ausgleich. Du liegst 2:1 in der Verlängerung hinten? Who the hell cares – du hast noch 19 Minuten Zeit. Die beiden Slawenmannschaften haben sich absolut nichts geschenkt. So soll, ja muss Fussball sein. Feuer, Leidenschaft und Herzblut und kein Schaulaufen für die Vereine und Scouts dieser Welt. So und nur so. Wenngleich den Russen im Elfmeterschießen die Nerven durchgegangen sind (ich schwöre, man sieht am Antritt, ob ein Spieler trifft), ich hätte es verdammt noch einmal fair gefunden, wenn die Fifa beide Mannschaften weiter gelassen hätte. Einfach zur Belohnung für eine derartige Dramatik. Was für ein Unterschied zu dem bräsigen Gehampel der „Mannschaft“, die „einfach kein Rezept gefunden“ hat oder den theatralischen Ergüssen der Argentinier und Brasilianer.

Gestern dann das Halbfinale. Frankreich gegen Belgien, klar ist somit: Wenigstens eine französischsprachige Mannschaft wird im Finale stehen. Die Belgier machen anfangs den abgekochteren Eindruck und haben fast 60 Prozent Ballbesitz weil sie „ihr Spiel von hinten heraus organisieren“, was im Klartext heißt, dass sie den Ball in Permaschleife in die Abwehr spielen, die spielen dann über die Flanken nach vorn, weil da aber Franzosen herumstehen, geht es von da aus wieder nach hinten und das Nichtspiel beginnt von vorne. Das Ganze hat augenscheinlich Methode, nennt sich im Fachjargon „Leckerbissen für Taktikliebhaber“ und ist so spannend wie eine Diskussion zwischen Renate Künast und Claudia Roth und so unterhaltsam wie eine „Wutrede“ von Martin Schulz.

Nächstens in der Schlafforschung

So sollen die Franzosen am Mitspielen gehindert und eingelullt werden. Das Ganze funktioniert derart gut, dass ich nach 20 Minuten einschlafe, will aber dem davor geleerten Lambrusco auch nicht ganz die Unschuld daran geben. Zum Pech für die Belgier klappt das nicht nur bei mir, den Zuschauern und den Franzosen, sondern auch bei ihnen selbst. Das belgische Spiel ist derart verschnarcht, dass es wahrscheinlich nächstens in der Schlafforschung eingesetzt werden wird.

In der 51. Minute rächt sich das, als Umtiti in den Strafraum der Belgier schlafwandelt und das 1:0 einköpft. Das war es dann auch schon. Die Belgier, die „Red Devils“ finden die berühmte Ausrede des „fehlenden Rezepts“, es wimmelt von mehr Franzosen im französischen Strafraum als bei der Befreiung von Paris. Wenigstens können die Spieler die Beleidigungen ihrer Gegenspieler verstehen. Als nach quälend langen 96 Minuten die Partie unter tatkräftiger Zeitverzögerung der Franzosen durch taktische Wechsel und endloses „am-Boden-herumwälzen“ abgepfiffen wird, haben es die Belgier mal wieder grandios verkackt. Wie jedes Mal, wenn sie als „Geh-Heim-Favorit“ gehandelt werden.

Ich persönlich würde es zwar den Kroaten gönnen, im Endspiel gegen Frankreich zu stehen (und – ich würde mir den Hintern weglachen, wenn sie gewönnen, die Quote lag bei 28 bei Oddset), aber die Schlacht um Russland zwischen Frankreich und England stelle ich mir aus historischer Sicht einfach dramatischer vor – zumal ich beiden den zweiten Stern gönnen würde.

Es ist heute Abend sehr still hier. Keine Autokorsos in der Stadt. Können wir nicht Waffen nach Frankreich liefern? Ich hätte gerne französische Einwanderer. Zumal die nur kurz über den Rhein müssten. Das ist mit einer Luftmatratze zu machen.  

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Leserpost

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W.Schneider / 11.07.2018

Dennoch bin ich den Belgiern dankbar, dass sie durch ihren Sieg gegen Brasilien uns weitere unterirdische Schauspieleinlagen eines Schmierenkomödianten erspart haben. Aber mit Mbappe´steht schon ein Nachfolger bereit.

Robert Sleigh / 11.07.2018

“Diese grottige WM nähert sich dem verdienten Ende” Als Engländer, sehe ich das bisher etwas anders

Eugen Karl / 11.07.2018

Danke für “Die Viertelfinale”! Ich kann das pseudodeutsche Geschwätz unserer Sportreporter von den “Finals” kaum mehr ertragen.

Ute Dauge / 11.07.2018

Lieber Herr Schneider, ich kann mich nicht sattsehen an dem Bild des schlafenden Hundes. Am Liebsteb würde ich mich dazukuscheln und Fußball Fußball sein lassen.

Ulv J. Hjort / 11.07.2018

Mir ist vøllig schleierhaft,wie man sich heute noch fuer fussball im allgemeinen und die WM im speziellem interessieren kann . Es geht hier doch nur noch um drei dinge : GELD,GELD und GELD ! Mit “Sport” hat das ueberhaupt nichts mehr zu tun . Es reicht mir vøllig ,wenn ich zufællig in den nachrichten das eine oder andere ergebnis erfahre. Aber das ende der WM ist abzusehen und die tour de france werd ich auch noch ueberstehen (durch wegschauen ). Will hier aber niemandem aufs fuesschen treten ,ist nur meine presønliche einstellung.

Thorsten Schmidtke / 11.07.2018

Sehr schöner Text, Herr Schneider, und sehr treffend formuliert. Früher gab es bei einer WM mal das ein oder andere Grottenspiel, es waren aber zum Glück immer nur Ausnahmen. Heute hat sich das Verhältnis eigentlich gedreht. Der überwiegende Teil der Spiele - egal ob in der Gruppen- oder in der K.O.-Phase - ist einfach nur noch zum Abgewöhnen. Dummes Ballgeschiebe und immer auf Nummer Sicher gehen ist einfach nur sterbenslangweilig. Statt zu ermitteln, wie groß der jeweilige Ballbesitz ist, sollte man vielleicht eher ermitteln, wieviel Zeit eine Mannschaft in der gegnerischen Spielhälfte gewesen ist. Oder man übernimmt so eine nette kleine “Erfindung” aus dem Basketball: Ein Angriff muss innerhalb einer vorgegebenen Zeit abgeschlossen werden, ansonsten gilt es als Zeitspiel und der Gegner bekommt den Ball. Und grundsätzlich wird bei jeder Unterbrechung, und mag sie noch so kurz sein, die Zeit angehalten. Gibt es bei anderen Ballsportarten schließlich auch. Dann kann sich ein Neymar noch so lange auf dem Boden herumrollen, es bringt keinen Vorteil. Jedenfalls lässt das alles nichts Gutes befürchten, wenn demnächst bei einer WM noch mehr Mannschaften in die Gruppenphase starten… Grüße

Alexander Brandenburg / 11.07.2018

Ja. Es gibt noch das immer neue Kampfspiel der Männer um den Ball und um den Sieg. Auch gibt es noch einen Patriotismus und ein nationales Selbstbewusstsein. Die Russen und die Kroaten haben auch demonstriert, dass man nicht bei jedem Foul wie ein Kegel umfallen muss und dass man bis zum Abpfiff kämpft, kämpft und kämpft. Das ist kein Plädoyer für Aggressivität und Nationalismus, sondern für ein fast alle Völker verbindendes Spiel junger Männer, das noch nicht ganz den Tugendwächtern und der politischen Korrektheit folgt, wenn auch dem großen Geld. Mit der grün- bunten Mentalität der DFB-Clique und der Auswahl der Spieler nach der politischen Opportunität kommt man auf einer Welt-Meisterschaft nicht weiter.  Mit der alle Fans verachtende Umwidmung in eine Merkel- “Mannschaft”, um die Distanz, ja den Hass auf die eigene Nation auszudrücken, gewinnt man kein einziges Spiel. Außerdem gehört der Nivea-Mensch zu den besonders vermerkelten Figuren, die sich zumeist durch korruptive Grundeinstellung und mangelhafte Fachlichkeit auszeichnen. Löw und die Merkelianer haben ihre Zeit überlebt. Ein Neuanfang mit diesem Fußball-Sumpf ist genauso wenig möglich wie mit dem merkelschen Polit-Sumpf.

Sepp Kneip / 11.07.2018

Was soll man zu dieser Fußball-WM sagen? Sie ist eine der langweiligsten, an die ich mich erinnern kann. Und das sind seit 1954 schon viele. Und die deutsche Nationalmannschaft, pardon, die gibt es ja nicht mehr, nur noch “Die Mannschaft”. Was macht diese Mannschaft? Fliegt als Gruppenletzte in der Vorrunde raus. Für wen soll man sich denn auch noch anstrengen, wenn man nicht mehr für seine Nation kämpfen darf? Aber es gibt noch zwei mit Nationalstolz in dieser Mannschaft. Die widmen ihr Spiel “ihrem” Präsidenten. Jetzt weiß man auch, warum die Mannschaft nicht mehr deutsche Nationalmannschaft heißen darf. Nun hat aber Merkel die Kicker doch im Trainingslager besucht. Man kann nur annehmen, dass sie ihnen keinen Mut zugesprochen, sondern sie dazu verdonnert hat, nur ja nicht Weltmeister zu werden. Vielleicht hat sie zur allgemeinen Verunsicherung das Treffen der beiden “National”-Spieler mit Erdogan ja selbst inszeniert? Vielleich wie bei der letzen Europameisterschaft, als gleich zwei Leistungsträger der “Mannschaft” ihre Hände zuhilfe nehmen mussten, um ja nicht ins Endspiel zu kommen? Vielleicht weil der Fußball Deutschland nicht mehr zu Ruhm unsd Ehre verhelfen darf? Und da sagt man, Fußball sei unpolitisch.

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