Der Zusammenhang zwischen der immer stärker um sich greifenden Herstellung von Biosprit und dem Welthunger wird – von interessierter Seite – gern in Frage gestellt. Eine Studie der englischen Umweltorganisation “Oxfam” hat jetzt allerdings eindrücklich die enge Beziehung zwischen beiden Entwicklungen bestätigt. Ihr Resumee: Internationale Agrarinvestoren und Bioenergieproduzenten haben weltweit Ackerflächen aufgekauft, die eine Milliarde Menschen ernähren könnten.
Kapitalkräftige Investoren aus den Industrieländern, aber auch aus Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien sind seit einigen Jahren kräftig dabei, ertragreiche Böden auch und gerade (weil sie noch billig sind) aus den Hungerländern Afrikas aufzukaufen. Oxfam hat für seine Analyse viele tausend solcher Land-Deals aus den Jahren 2000 bis 2010 zugrunde gelegt. “Bei 60 Prozent davon ging es um Ackerflächen in Ländern mit ernsthaften Hungerproblemen”, schreiben die Autoren. Und: “Hinter fast sechzig Prozent dieser Verkäufe stand die Absicht, Bioenergiepflanzen anzubauen.”
Im westafrikanischen Liberia seien ein Drittel der Ackerböden betroffen gewesen, in Kambodscha zwei Drittel, heißt es bei Oxfam in London, wo man auch davon ausgeht, dass sich die Vertragsabschlüsse gerade in den Jahren 2008 und 2009, als die Nahrungspreise weltweit explodierten, verdreifacht hätten. Selbst wenn Nahrungsmittel angebaut würden, so hätte die Bevölkerung in den betreffenden Ländern nichts oder nur wenig davon. Die Ernteprodukte, zumeist für den Tank gedacht, gehen fast ausschließlich ins Ausland. Aufgrund der geringen Wertschöpfung und Arbeitsintensität bleibt wenig bis gar kein Geld im Land selbst.
Oxfam kritisiert in dem Zusammenhang vor allem die Weltbank, die durch ihre Förderpolitik die Bodenspekulation und die Entwicklung insgesamt im Schlechten vorantreibe. Die Umweltschützer fordern die britische Regierung auf, ihren Vorsitz in der Staatengruppe G-8 zu nutzen, einen Schwenk in dieser Politik einzuleiten. “Dringend” müsse London jetzt “in der EU dafür sorgen, dass die Zielvorgaben für Biosprit revidiert werden, einem entscheidenden Motor hinter den Landaufkäufen.”
Die Studie von Oxfam unterstreicht, wie Recht Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel aus der Sicht seines Amtes hatte, als er kürzlich den sofortigen Verkaufsstopp des Biosprits E-10 forderte. Darf man hoffen, dass die Forderung nicht nur die Angelegenheit einer Sonntagsrede war? Will Niebel diesen Eindruck vermeiden, sollte er bald wieder an seine Forderung erinnern – und nachlegen. Mit einer Kabinettsvorlage, für einen Vorstoß in der EU auch von Seiten Deutschlands.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT