Seit Wochen schliddern die Hamburger jeden Morgen über dick vereiste Straßen zur Arbeit. Damit hat Kay B., 27, keine Last, denn er verbringt die Tage auf einem Baum. Den und 396 seiner Artgenossen wollen Kay und die Jungs von „Robin Wood“ vor dem Energieversorger Vattenfall retten. Der verbrecherische Schweden-Konzern möchte die Bäume weg haben, um eine Fernwärmeleitung von seinem neuen Kohlekraftwerk im Stadtteil Moorburg zu den Verbrauchern zu bauen. Da in Hamburg, wie anderswo auch, der Strom aus der Steckdose und die Wärme aus dem Heizkörper kommen, ist das Kraftwerk nicht nur überflüssig, sondern auch umweltfeindlich und dient einzig und allein den Profitinteressen seiner Betreiber. Leider gelang es trotz größter Anstrengungen weder den in Hamburg mitregierenden Grünen noch ihren zahlreichen Buddy-Organisationen, etwa dem Nabu, das Monstrum zu verhindern. Eine Klage des Nabu gegen die Baugenehmigung für die Wärmeleitung ging auch in die Hose…
Nun können nur noch Kay und seine Freunde den Bäumegenozid verhindern. Wenn es ihnen gelänge, die bevorstehende Räumung des besetzten Waldareals bis zum März aufzuhalten, indem sie sich an Bäume ketten oder so was, würde die Vogelschutzverordnung (Schutz der nistenden Gefiederten) die Abholzung zumindest verzögern. Man muss alles probieren! „Wer nicht kämpft,“ sagt der tapfere Kay, „hat schon verloren.“
Kay hat ein Ziegenbärtchen und eine praktische Filzlockenfrisur und trägt eine zünftig abgeschabte Lederjacke, die beim Klettern im Wald nicht stört. Er kann die Kälte gut ab, lebt er doch bereits seit Oktober 2009 im Freien. Der Obdachlosenzeitung „Hinz & Kunzt“ erzählte er, wie sein Leben bisher verlief. Nach der Bundeswehr ging er nach Hamburg und machte verschiedene Praktika. „Die Ausbildung zum Masseur klappte nicht,“ heißt es bei Hinz & Kunzt; eine hübsche Formulierung, die den Grund des Nichtklappens im Ungefähren hält. Wir dürfen annehmen, dass ausbeuterische Arbeitsbedingungen und unmenschlicher Leistungsdruck dazu geführt haben, dass aus dem Massieren nichts wurde. Danach lebte Kay drei Jahre in einem Bauwagen und zog dann mit Freunden in eine WG. Hinz & Kunzt: „Als die sich auflöste, landete er auf der Straße.“ Eines von vielen ähnlichen Schicksalen aus der sozialen Kälterepublik Deutschland. Ein junger, idealistischer Mensch, der seinem Leben einen Sinn geben möchte, wird von der abgestumpften, konsumverblödeten Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt und marginalisiert.
Kay hat derzeit viel um die Ohren. Wegen der Baumaktion kann er auch keine Hinz & Kunzt-Exemplare verkaufen, womit sich Hamburger Obdachlose ein Zubrot verdienen. Im Moment zählt für ihn nur eines: er muss seine eigene Plattform im fünften besetzten Baum bauen! „Je mehr von uns in den Bäumen sind, desto schwieriger wird die Räumung.“
Für die Zeit nach der Baumbesetzung hat Kay schon Pläne: „Ich wünsche mir eine Wohnung und einen Job.“ Wie wär´s mit einem bei Vattenfall? In so einem Kraftwerk, lieber Kay, kann man auch geil klettern. Sogar auf den Schornstein. Ganz legal! Schau mal:
http://www.vattenfall.de/www/vf/vf_de/225583xberx/229787karri/230057job-c/index.jsp