Bei der Eröffnungsveranstaltung der diesjährigen Salzburger Festspiele mahnte die Landeshauptfrau von Salzburg Gabi Burgstaller: „Können wir uns den Luxus des platten, blutleeren und geistlosen Ökonomismus länger leisten?“ Angesichts der Hauptsponsoren Credit Suisse, UNIQA, Audi, Siemens und Nestle wäre allerdings der Satz korrekter gewesen: Können wir uns den Luxus des platten, geistlosen Gefasels seitens der Politik länger leisten?
Die meisten Kulturschaffenden verachten den Kapitalismus. Logisch, denn auf dem freien Arbeitsmarkt haben Theaterwissenschaftler, Schauspieler oder bildende Künstler meist nur eine Chance als Taxifahrer oder Zahnarztgattin. Sie können es nur schwer ertragen, dass ein Vollprolet, der bei ThyssenKrupp an der Stanze steht, mitunter mehr verdient, als ein Schauspieler am Stadttheater. Die schmutzigen Hände von Sartre zu spielen ist ihrer Ansicht nach mehr wert, als sich durch Arbeit welche zu machen. Nun leben wir aber in einer Gesellschaft, die ungeistige Tätigkeiten oftmals besser bezahlt, als die der geistigen Elite. Für viele Gebildete ist das ein persönlicher Affront. Warum eigentlich? Wer erwartet, vom Staat oder von der Öffentlichkeit nur aufgrund seines Intellekts subventioniert zu werden, der möchte im Grunde von der Leistung derjenigen leben, die er so inbrünstig verachtet.
Deshalb ist es auch grotesk, wenn der Theaterclown Claus Peymann davon spricht, ein „Reißzahn im Arsch der Mächtigen zu sein“ obwohl er sich seit Jahren seinen Laden mit Millionensubventionen bezahlen lässt.
In der Marktwirtschaft ist es eben möglich, dass DJ Ötzi mehr verdient, als Jürgen Habermas. Und das ist gut so, denn im freien Markt wird die Entscheidung darüber, wer für welches Angebot wie viel verdient, von den Verbrauchern gefällt und nicht von der Willkür der intellektuellen Oberschicht. Wenn also die versammelte Kulturelite in regelmäßigen Abständen den angeblichen Niedergang der Kultur betrauert, dann betrauert sie in Wirklichkeit die Tatsache, dass sie in der heutigen Massenkultur ihren Exklusivitätsanspruch verloren hat.
Zweifellos ist Kulturförderung wichtig. Ein so traumhaftes Orchester wie die Wiener Philharmoniker wäre zum Beispiel nie alleine aus Zuschauereinnahmen finanzierbar. Aber sind Subventionen automatisch schon gerechtfertigt, nur weil irgendetwas als Kultur bezeichnet wird? Vielen fällt es schwer zu akzeptieren, dass es auch im Hochkulturbetrieb so etwas wie Modern Talking oder Xavier Naidoo gibt. Italien beispielsweise hat 58 Millionen hervorragende Schauspieler. Der Rest ist bei der Bühne beschäftigt. Als vor einigen Jahren die schwedischen U-Bahnstationen von zeitgenössischen Künstlern gestaltet wurden, drängte sich spontan die Frage auf: Was ist schlimmer, Vandalismus oder moderne Kunst? Bei vielen deutschsprachigen Theaterproduktionen fragt man sich, ob man wirklich Tschechow gesehen hat, oder das, was ein 30jähriger gesichtstätowierter Nachwuchsdramaturg nach intensiver Textarbeit von Tschechow übrig gelassen hat. Deswegen werden moderne Fassungen oft ohne Pause gespielt. Mit Pause wäre im zweiten Teil das Haus leer.
Aber soviel Selbstkritik findet man unter Kulturschaffenden selten. Statt sich wenigstens im Ansatz mit Dingen wie Kostendeckung auseinanderzusetzen, schreit man bei Etatkürzungen entrüstet auf und weint Karl Marx hinterher. Ohne zu realisieren, was Marx wirklich im Kapital geschrieben hat: „Nichts kann einen Wert haben, ohne zugleich ein Gebrauchsgegenstand zu sein.“ Nach dieser Definition ist ein Gurkenhobel mehr wert als ein abstraktes Gemälde. Was zugegebenermaßen für das ein oder andere abstrakte Gemälde tatsächlich zutrifft. Vor Kurzem wurde in Amerika das Bild eines hochgelobten Aktionskünstlers für eine sechsstellige Summe versteigert. Als der Künstler gefragt wurde, mit welcher Technik er denn das Bild kreierte, antwortete er: „Ich habe mir einen Pinsel in den Arsch gesteckt und damit die Farbe auf eine Glasplatte verteilt.“ Eine Technik, die in der Kunstszene inzwischen als „Hinternglasmalerei“ en vogue ist.