Vince Ebert / 09.08.2009 / 21:05 / 0 / Seite ausdrucken

Subventionen für Hinternglasmalerei?

Bei der Eröffnungsveranstaltung der diesjährigen Salzburger Festspiele mahnte die Landeshauptfrau von Salzburg Gabi Burgstaller: „Können wir uns den Luxus des platten, blutleeren und geistlosen Ökonomismus länger leisten?“ Angesichts der Hauptsponsoren Credit Suisse, UNIQA, Audi, Siemens und Nestle wäre allerdings der Satz korrekter gewesen: Können wir uns den Luxus des platten, geistlosen Gefasels seitens der Politik länger leisten?
Die meisten Kulturschaffenden verachten den Kapitalismus. Logisch, denn auf dem freien Arbeitsmarkt haben Theaterwissenschaftler, Schauspieler oder bildende Künstler meist nur eine Chance als Taxifahrer oder Zahnarztgattin. Sie können es nur schwer ertragen, dass ein Vollprolet, der bei ThyssenKrupp an der Stanze steht, mitunter mehr verdient, als ein Schauspieler am Stadttheater. Die schmutzigen Hände von Sartre zu spielen ist ihrer Ansicht nach mehr wert, als sich durch Arbeit welche zu machen. Nun leben wir aber in einer Gesellschaft, die ungeistige Tätigkeiten oftmals besser bezahlt, als die der geistigen Elite. Für viele Gebildete ist das ein persönlicher Affront. Warum eigentlich? Wer erwartet, vom Staat oder von der Öffentlichkeit nur aufgrund seines Intellekts subventioniert zu werden, der möchte im Grunde von der Leistung derjenigen leben, die er so inbrünstig verachtet.
Deshalb ist es auch grotesk, wenn der Theaterclown Claus Peymann davon spricht, ein „Reißzahn im Arsch der Mächtigen zu sein“ obwohl er sich seit Jahren seinen Laden mit Millionensubventionen bezahlen lässt.
In der Marktwirtschaft ist es eben möglich, dass DJ Ötzi mehr verdient, als Jürgen Habermas. Und das ist gut so, denn im freien Markt wird die Entscheidung darüber, wer für welches Angebot wie viel verdient, von den Verbrauchern gefällt und nicht von der Willkür der intellektuellen Oberschicht. Wenn also die versammelte Kulturelite in regelmäßigen Abständen den angeblichen Niedergang der Kultur betrauert, dann betrauert sie in Wirklichkeit die Tatsache, dass sie in der heutigen Massenkultur ihren Exklusivitätsanspruch verloren hat.
Zweifellos ist Kulturförderung wichtig. Ein so traumhaftes Orchester wie die Wiener Philharmoniker wäre zum Beispiel nie alleine aus Zuschauereinnahmen finanzierbar. Aber sind Subventionen automatisch schon gerechtfertigt, nur weil irgendetwas als Kultur bezeichnet wird? Vielen fällt es schwer zu akzeptieren, dass es auch im Hochkulturbetrieb so etwas wie Modern Talking oder Xavier Naidoo gibt. Italien beispielsweise hat 58 Millionen hervorragende Schauspieler. Der Rest ist bei der Bühne beschäftigt. Als vor einigen Jahren die schwedischen U-Bahnstationen von zeitgenössischen Künstlern gestaltet wurden, drängte sich spontan die Frage auf: Was ist schlimmer, Vandalismus oder moderne Kunst? Bei vielen deutschsprachigen Theaterproduktionen fragt man sich, ob man wirklich Tschechow gesehen hat, oder das, was ein 30jähriger gesichtstätowierter Nachwuchsdramaturg nach intensiver Textarbeit von Tschechow übrig gelassen hat. Deswegen werden moderne Fassungen oft ohne Pause gespielt. Mit Pause wäre im zweiten Teil das Haus leer.
Aber soviel Selbstkritik findet man unter Kulturschaffenden selten. Statt sich wenigstens im Ansatz mit Dingen wie Kostendeckung auseinanderzusetzen, schreit man bei Etatkürzungen entrüstet auf und weint Karl Marx hinterher. Ohne zu realisieren, was Marx wirklich im Kapital geschrieben hat: „Nichts kann einen Wert haben, ohne zugleich ein Gebrauchsgegenstand zu sein.“ Nach dieser Definition ist ein Gurkenhobel mehr wert als ein abstraktes Gemälde. Was zugegebenermaßen für das ein oder andere abstrakte Gemälde tatsächlich zutrifft. Vor Kurzem wurde in Amerika das Bild eines hochgelobten Aktionskünstlers für eine sechsstellige Summe versteigert. Als der Künstler gefragt wurde, mit welcher Technik er denn das Bild kreierte, antwortete er: „Ich habe mir einen Pinsel in den Arsch gesteckt und damit die Farbe auf eine Glasplatte verteilt.“ Eine Technik, die in der Kunstszene inzwischen als „Hinternglasmalerei“ en vogue ist.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Vince Ebert / 02.05.2015 / 11:13 / 2

Schwarzer oder blauer Schwan?

Vor einigen Jahren schrieb der Autor Nassim Taleb ein höchst bemerkenswertes Buch mit dem Titel „Der Schwarze Schwan”. Taleb ist kein Vogelkundler, sondern Mathematiker. Als…/ mehr

Vince Ebert / 03.04.2015 / 22:16 / 4

I have a plan!

Wer in unserem Land etwas Geniales, Cooles oder Unorthodoxes vorschlägt, aber zu 5 % irrt, den nageln wir gerne bei diesen 5 % fest, anstatt…/ mehr

Vince Ebert / 24.03.2015 / 16:46 / 0

“Wir glauben einfach”

Ein Gespräch mit Jungle World über »Informationswasser«, die Verklärung der Natur und das Imageproblem der Wissenschaft in Deutschland. Hier. / mehr

Vince Ebert / 11.12.2014 / 03:42 / 6

Vergesst die runden Tische!

Ich kann mir nicht helfen, aber wenn in letzter Zeit eine bedeutende Führungskraft ein Interview gibt, dann hört sich das so an, als hätte er…/ mehr

Vince Ebert / 18.11.2014 / 11:57 / 7

Das ZDF beweist Humor

Ich bin kein großer Fan von deutschen TV-Produktionen. Doch die Reihe „Spuren des Bösen“ mit Heino Ferch ist meiner Meinung nach wirklich großartig. Alle drei…/ mehr

Vince Ebert / 13.08.2014 / 20:17 / 6

Die Kunst des unsachlichen Argumentierens

Ob Nahostkonflikt, Homöopathie-Debatte oder Energiewende – zahllose Blogs, Polit-Talkshows und Zeitungsartikel stellen Tag für Tag die verschiedensten Themen zur Diskussion. Soll die LKW-Maut auch für…/ mehr

Vince Ebert / 20.07.2014 / 14:14 / 3

Ein Hoch auf uns!

Der Manipulationsskandal beim ZDF weitet sich aus. Offenbar hat die Redaktion nicht nur bei der TV-Show „Unsere Besten“ geschummelt. Wie in den letzten Tagen bekannt…/ mehr

Vince Ebert / 07.06.2014 / 11:32 / 6

Kennste… Kennste…?

Der große Jerry Lewis sagte einmal: Es braucht Jahre, um über Nacht berühmt zu werden. 2001 habe ich zusammen mit meinen Comedy-Kollegen Roberto Capitoni und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com