Der Erziehungszweck heiligt beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk auch Mittel wie Manipulation und Desinformation. Zu den immer häufigeren offenen Fälschungen gesellen sich bei ARD und ZDF auch gern fragwürdige Statistiken, mit denen der Zuschauer in die Irre geführt wird.
Was essen die Deutschen am liebsten zu Weihnachten? Richtig: Bratgeflügel in Form von Ente, Truthahn oder Gans. Aber auch Schnitzel und Rouladen kommen vor. Was aber führt beim ZDF die Liste der beliebtesten Weihnachtsgerichte an? Man ahnt es schon: vegetarisches Essen. Zur Herstellung dieser gewünschten Norm werden einfach alle Fleischgerichte aufgeteilt und alle vegetarischen in einen Topf geworfen. So erfährt dann der noch zum mündigen Bürger zu erziehende Beitragszahler, was normal ist und was nicht.
Diese Deutungshoheit über das, was sich unter wohlerzogenen Bürgern gehört, ist eine vielfach unterschätzte, aber brutale Waffe im öffentlichen Meinungskampf. Dazu braucht es noch nicht einmal die immer häufigeren offenen Fälschungen so wie oben, die in ARD und ZDF inzwischen Standard geworden sind. Man nehme etwa den kürzlich von der ARD in eine Bundestagsdebatte zum Bürgergeld hineingeschnittenen feixenden Friedrich Merz. Es reicht, wenn bei Interviews zur Coronapolitik die Sympathikos alle Masken tragen, die Grenzdebilen nicht, oder im Tatort der arme Migrant immer nur das unschuldige Opfer ist. Oder dass in der Tagesschau fast schon automatisch zum Thema „Flüchtlinge an der Grenze“ die einzige unter hunderten junger Männer zu findende Mutter mit Kind im Bild erscheint.
So wird dann sozusagen subkutan ein grünes Weltbild als gleichermaßen gut wie normal und selbstverständlich in die Gehirnwindungen des Wahlvolks injiziert. In einer Umfrage unter ARD-Volontären vor der letzten Bundestagswahl gaben 57 Prozent der Befragten an, die Grünen zu wählen, 23 Prozent wählten die Linken, 12 Prozent die SPD. Auf Union und FDP zusammen entfielen rund 4 Prozent. Am meisten verwundert bei diesen Zahlen, dass die dann auch noch publiziert worden sind. Vermutlich weil die Jungjournalisten in ihrer Weltanschauungsblase tatsächlich glaubten, damit allgemeine Zustimmung zu ernten. So kommt es dann, dass eine dieser Nachwuchshoffnungen nach der haushoch von den Konservativen gewonnenen englischen Unterhauswahl im Dezember 2019 auf den ZDF Netzseiten einstellen durfte, der große Wahlsieger mit einem Plus von sagenhaften 60 Prozent seien die Grünen gewesen. Und tatsächlich: Diese hatten ihren Stimmenanteil von 1,6 auf 2,7 Prozent erhöht.
Gendern, was das Zeug hält
Auch in höheren Etagen sind liberale und konservative Denkweisen mit dem Ausscheiden von Siegmund Gottlieb als Chefredakteur des BR-Fernsehens inzwischen ausgestorben. Unabhängige journalistische Urgesteine wie Wolf Schneider, Hanns Joachim Friedrichs, Eduard Zimmermann, Peter Hahne oder Franz Stark sind inzwischen tot oder nicht mehr für den ÖRR aktiv (oder werden wie Dieter Nuhr noch murrend geduldet). Und die nachrückenden Meinungsmacher sind inzwischen so selbstverständlich im rot-grünen Juste Milieu zuhause, dass sich der Nachfolger von Frank Plasberg als Moderator von „hart aber fair“ stolz als aktueller Lebensabschnittsgefährte der notorischen Grünen-Aktivistin Luisa Neubauer feiern lassen darf. Auf die zu „hart aber fair“ einzuladenden Gäste und die dabei zu stellenden Fragen (und noch wichtiger: auf die Fragen, die nicht gestellt werden dürfen) übt diese Liaison nach Angaben des Westdeutschen Rotfunks keinerlei Einfluss aus.
Natürlich wird in diesem vom Rest der Gesellschaft gut abgeschotteten Milieu auch gegendert, was das Zeug hält. Und Außenstehenden, die wie drei Viertel aller Bundesbürger das für groben Unfug halten, wird in Subtexten bei Interviews eine gegenderte Fassung ihrer Aussagen unterlegt (so wie kürzlich in der SWR-Sendung „Das Ding“). Auf die Beschwerde des Vereins Deutsche Sprache antwortete die SWR-Programmredaktion, die Macher der Sendung seien sich nicht bewusst gewesen, einen Fehler gemacht zu haben.
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schäden dieses Manipulations- und Desinformationsmonsters sind enorm. Beim WDR sollen 2011 die Sektkorken geknallt haben, als nach 30 Jahren Kampagne gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie deren Aus für Deutschland regierungsamtlich beschlossen worden ist. Davor war keine Woche ins Land gegangen, ohne dass in einem öffentlich-rechtlichen Sender von Leukämie bei Kernkraftwerken die Rede war. Mit dem Erreichen des Kampagnenziels hörten diese Berichte auf. Natürlich hatten weder vorher noch nachher Kernkraftwerke irgendeinen Einfluss auf irgendwelche Krankheitsinzidenzen in ihrer Nähe. Jetzt wurden neue Feindbilder ins Visier genommen, Feinstaub und Glyphosat, und mit der gleichen Masche Massenhysterie gesät.
Appelle an die Gefühle, nicht an den Verstand
Idealtypisch für diese Art von „Journalismus“ ist eine Meldung der Deutschen Welle vom 4. Dezember 2017: „Jeder vierte Mensch stirbt durch Umweltverschmutzung“. Diese Statistik kommt vor allem durch eine sehr weite Definition von „Tod durch Umweltverschmutzung“ zustande. Laut Weltgesundheitsorganisation, auf die sich die Deutsche Welle beruft, zählen zu den insgesamt 13 Millionen Umwelttoten jährlich auch mehrere Millionen Selbstmörder, Opfer von Gewaltverbrechen und Verkehrsunfällen oder Menschen, die im Haushalt von der Leiter fallen.
Davon unabhängig ist aber auch die von der Deutschen Welle verwendete Interpretation als Maß des Risikos statistisch nicht zu halten. Denn jeder Mensch stirbt irgendwann an irgendwas. Je besser die medizinische Versorgung und die Umweltqualität, desto mehr Menschen sterben übrigens an Krebs. Und damit ist die Zahl der an einer bestimmten Ursache verstorbenen Menschen kein seriöser Indikator für die dadurch drohende Gefahr.
Fachleute benutzen seit Langem andere Maße, wie etwa die verlorenen Lebensjahre (zuweilen auch „qualitätsadjustiert“): Wie viele Jahre etwa würden wir länger leben, wenn es keinen Feinstaub, keine Kohlekraftwerke oder keine chemischen Düngemittel gäbe? Und das dann verglichen mit den verlorenen Lebensjahren durch Berufsstress oder den Straßenverkehr. Die Antwort auf solche Fragen liefert die statistische Theorie der konkurrierenden Risiken. Diese zieht die unangenehme Wahrheit in Betracht, dass bei Wegfall eines Risikos die Wahrscheinlichkeit für alle anderen ganz automatisch steigt. So wäre etwa bei einer totalen Eliminierung der Todesursache Krebs mit einem Anstieg der Lebenserwartung von weniger als drei Jahren und einer dramatischen Explosion der Zahl von Alzheimer-Patienten zu rechnen.
Für Menschen in entwickelten Industrienationen sind die größten bekannten Lebenszeitverkürzer derzeit das Rauchen (immer noch), Bewegungsmangel, Übergewicht und übermäßiger Alkoholgenuss. Den dadurch verlorenen Lebensjahren wären dann, zur Einschätzung des Risikos, die Verluste durch Umweltschäden gegenüberzustellen. Diese scheinen seit Jahrzehnten abzunehmen; in Deutschland ist die Lebenserwartung seit 1970 um mehrere Jahre angestiegen. Eine weniger an die Gefühle und mehr an den Verstand appellierende Berichterstattung sollte generell auf das alleinige Melden von Todesfällen verzichten; diese werden der wahren Problematik nicht gerecht. Aber das haben ja ARD und ZDF auch gar nicht vor.
Professor Dr. Walter Krämer, geboren 1948, war von 1988 bis 2017 Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der TU Dortmund. Autor von über 40 Büchern und 200 Aufsätzen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Krämers „Lexikon der populären Irrtümer“ wurde weltweit in 20 Sprachen übersetzt und über eine Million Mal verkauft. Er ist Vorstandsvorsitzender beim Verein Deutscher Sprache (VDS).