Gastautor / 12.09.2012 / 22:43 / 0 / Seite ausdrucken

Späte Einsicht in Brüssel

Ulli Kulke

Vor gut zwei Jahren war er da, der Klimawandel. Staubstürme über der Ostseeautobahn haben zu einer Massenkarambolage geführt mit acht Toten und 131 Verletzten. Es war im April und es hatte über eine Woche nicht geregnet. Dann kam ein starker Wind mit bis zu 86 Stundenkilometern und hatte die Krume vom Acker auf die Straße gepustet. Dürre und Orkan also, da lag für einige Zeitgenossen der Schluss nahe: Für soetwas kann nur der Mensch die Verantwortung tragen. Zu viel Kohlendioxid in der Luft. Ein entsprechendes Raunen ging durch die Medien.

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Tatsache ist, dass eine Trockenheit von knapp zehn Tagen genauso normal ist wie ein Wind von 86 km/h, der nicht mal als schwerer Sturm gilt, vor allem nicht nahe der Küste. Nicht normal dagegen war und ist das, was nahe der Ostsee und von dort aus flächendeckend bis an die Alpen auf den deutschen Äcken geschah und geschieht: eine einzige Monokultur von Maisfeldern macht sich breit, landauf, landab. Maispflanzen aber sprießen im Gegensatz zu anderen Feldfrüchten erst sehr spät aus dem Boden. Der Acker liegt also lange Zeit im Frühjahr brach, ohne Pflanzen, ohne Halt, ohne Schutz. Kommt dann ein laues Lüftchen, ist die Staubwolke da.

Und warum wächst so viel Mais in unseren Land? Weil wir Weltmeister bleiben wollen in der Disziplin Energiewende, wozu eben auch die Bioenergie gehört. Zum Entsetzen und Leid nicht nur der Autofahrer (die nicht nur im Sturm festhängen sondern das Zeug auch noch tanken müssen), auch der Natur- und Artenschützer – und zur Freud der Bioenergielobby, die dafür gehörige Subventionen einkassieren. Biosprit geht ja nicht nur in den Tank, sondern auch in die Bioenergieanlagen, die schon fast ebenso monokulturell aus dem Boden sprießen.

Umgekehrt also wird ein Schuh daraus: Nicht die Klimakatastophe hat die Ostseeautobahn verdunkelt, sondern unsere lustvolle Angst davor.

Inzwischen scheint man in Brüssel ein Einsehen zu haben. Jetzt kam ans Licht, dass ein Gesetzentwurf der EU vorsieht, die Subventionen für die Bioenergie bis 2020 nicht auszubauen, sondern im Gegenteil zu senken oder vielleicht sogar ganz zu stoppen.

Gut zu hören, zumal es viele weitere Gründe für den Stopp gibt. Offenbar hat es sich inzwischen auch bis nach Brüssel herumgesprochen, dass der Missbrauch von Ackerflächen zur Energieerzeugung weltweit den Hunger fördert und zumindest indirekt auch den Raubbau am Regenwald. Der für Entwicklungspolitik zuständige Bundesminister Dirk Niebel hat erst kürzlich aus beiden Gründen Alarm geschlagen und den sofortigen Verkaufsstopp von E-10 an den Tankstellen gefordert.

Schön zu hören, dass man zur Vernunft kommt. Schlecht, dass wir jetzt bis 2020 mit der Gewissheit leben müssen, dass entgegen besseren Wissens die Förderung, die Monokulturen, der Raubbau weitergeht. Schlecht auch, dass es für die Bauern wieder mal heißt: Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Wie soll da Planungssicherheit entstehen, Planungssicherheit vor allem für eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft, auch diesseits des überkonsequenten Biolandbaus. Chaotischer gehts nimmer.

Schlecht auch, weil über diese konkrete Wende hinaus aus Brüssel noch keine Einsicht eingekehrt zu sein scheint, dass man – meist auf deutsche Initiative übrigens – ständig dabei ist, in der Klimapolitik zu überziehen. Unzählige Milliardensummen werden fehlgeleitet innerhalb weniger Jahre, das Zurückschrauben zieht sich dann meist erheblich länger hin. Entsprechendes geschah in Deutschland bei der Einspeisevergütung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, bei denen man nun plötzlich merkt, welch ein unstillbares, Milliarden von Euro verschlingendes Monster man sich da herangezogen hat.

Summasummarum: Die neuerliche Einsicht von Brüssel ist zu begrüßen. Die langfristige Einsicht ist allerdings noch nicht zu spüren. Bis auf weiteres sieht es jedenfalls so aus, dass unsere Angst vorm Klimawandel größere Schäden anrichtet als der Klimawandel selbst.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes WELT-Blog Donner und Doria

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