Gastautor / 06.05.2023 / 10:00 / 41 / Seite ausdrucken

Der Klima-Journalismus und seine pathologischen Auswirkungen

Von Roger Pielke Jr.

Bei den Nachrichten und Berichten über den Klimawandel geht es nicht mehr darum, ob die befürchteten Untergangsszenarien überhaupt eine Basis in Fakten und Wissenschaft haben. Statt um journalistisches Hinterfragen geht es nur noch um die Förderung von politisch nützlichen Erzählungen.

In den letzten drei Jahrzehnten habe ich viel erlebt, zum Beispiel, wie meine eigene Forschung über das Klima medial behandelt wurde. Meine Erfahrungen reichen von einer breiten Berichterstattung in den späten 1990er bis zu den 2000er Jahren, über Journalisten, die sich in den 2010er Jahren aktiv dafür einsetzten, dass ich gefeuert werde, bis hin zur aktuellen Situation, in der mein Schreiben zum Glück in diesem Paralleluniversum namens Substack noch existiert. In all dieser Zeit hat sich an meiner Arbeit so gut wie nichts geändert –meine Forschung wird in der Forscher Community nach wie vor häufig zitiert, zuletzt sogar von allen drei Arbeitsgruppen des IPCC. Ich selbst habe mich nicht verändert.

Im Laufe der Zeit habe ich meine Kritik an Teilen der Medien sehr öffentlich geäußert, da ich beobachtet habe, wie sich der Klimajournalismus weg von der Nachrichtenberichterstattung hin zur Förderung und zum Schutz von Narrativen entwickelt hat. Mir ist klar geworden, dass einige meiner Recherchen zufällig mit den führenden Narrativen (z.B. Naturkatastrophen, RCP8.5) kollidieren, die heutzutage von Journalisten im so genannten „climate beat“ medial verbreitet werden – ein an sich beunruhigendes Konzept.

Nachfolgend finden Sie eine Liste der fünf häufigsten Arten von Klima-Narrativen, die ich in den klassischen Medien und in Fachmedien sehe. Ich gebe zu, dass ich ein bisschen frech bin, aber gleichzeitig glaube ich auch, dass in der folgenden Liste viel Wahrheit steckt. Ich stelle den Klimajournalismus zur Rede, weil ich seine pathologischen Auswirkungen auf die öffentliche Meinung (insbesondere bei jungen Menschen), auf die Forschungsgemeinschaft und auf politische Diskussionen – einschließlich der politischen Lobbyarbeit – beobachte. Das Klima ist zu wichtig, um nur eine weitere Sackgasse der Identitätspolitik zu sein.

Wie immer freue ich mich, von denjenigen zu hören, die sich mit dem Thema Klima befassen, insbesondere von denen, deren Arbeit in der folgenden Liste thematisiert ist. Ich bin gerne bereit, ihre Antworten oder Ansichten zu veröffentlichen. Ich mache mir keine großen Hoffnungen, denn mehrere Journalisten haben mir in Gesprächen gesagt, dass sie sich auf keinen Fall mit mir einlassen können, da dies ein Berufsrisiko darstellt. Aber dennoch bleibt die Einladung bestehen.

Also wenden wir uns der Liste zu!

1. Narrativ: Wir können alles mit dem Klimawandel erklären

Heuschnupfen? Ein unruhiger Flug? Unfruchtbarkeit? Es gibt wohl kein Phänomen auf der Welt, das nicht schon einmal mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wurde. Ein Grund für die Allgegenwart dieser Art von Artikeln ist die Tatsache, dass so viele Journalisten, die sich mit dem Thema Klima befassen, häufig mit Klimageschichten aufwarten müssen, um ihre Redakteure und ihre Nische zufriedenzustellen. Dies hat den Nebeneffekt, dass für Forscher Anreize geschaffen werden, Studien mit Verbindungen zum Klima zu erstellen – egal wie schwach oder trivial sie sind. Diese Dynamik wurde von Mike Hulme treffend als „Klimareduktionismus“ beschrieben.

2. Narrativ: Die kommende Apokalypse

„If it bleeds, it leads.“ Es gibt einen großen Markt für Studien, die beängstigende Vorhersagen für die Zukunft machen, typischerweise unter Verwendung unplausibler Szenarien (hallo RCP8.5). Diese Studien lassen sich leicht in Pressemitteilungen von Universitäten und Forschungsinstituten umwandeln, die dann so gut wie immer als Nachrichten abgedruckt werden. Die Geschichten schreiben sich von selbst. Geschichten über unsere dem Untergang geweihte Zukunft, die auf den neuesten Vorhersagen beruhen, sind ein fester Bestandteil des medialen „climate beat“.

3. Narrativ: Gute und böse Jungs

In jeder Moralerzählung ist es wichtig zu wissen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Normalerweise ist das einfach, aber beim Klima ist es schwierig, da es zwar viele seriöse Experten gibt, aber nur ein Teil von ihnen die richtigen Ansichten teilt. Daher produzieren die Medien einen ständigen Strom von Artikeln, die dabei helfen, die Helden und die Schurken zu identifizieren. Wenn jemand mit der Partei der US-Republikaner oder mit fossilen Brennstoffen in Verbindung gebracht wird, ist das ein Hinweis darauf, dass diese Person ein Schurke ist; und eine ähnliche Verbindung mit der Industrie für erneuerbare Energien oder der Partei der US-Demokraten bedeutet, dass sie auf der richtigen Seite ist.

4. Narrativ: Das extreme Wetter, das gerade passiert ist

Das Wetter ist eine erneuerbare Ressource. Es passiert jeden Tag, und irgendwo ist es extrem. Wirbelstürme, Tornados, Überschwemmungen, Dürre, Hagel, o je! Es ist für den medialen „climate beat“ von grundlegender Bedeutung geworden, das soeben eingetretene Extremereignis mit dem Klimawandel zu verknüpfen. Vergessen Sie das IPCC und dessen strenge Standards für Erkennung und Zuordnung solcher Ereignisse. Es gibt doch Studien, aus denen man sich die Rosinen herauspicken kann, zitierfähige Experten und ein neues Gewerbe zur Fabrikation von Studien, die eine schnelle Zuordnung dieser Ereignisse ermöglichen. Bei extremen Wetterereignissen geht es nicht mehr um das Wetter.

5. Narrativ: Cheerleading für unser Team

Kürzlich habe ich irgendwo auf Twitter gesehen, dass jemand berechnet hat, wie viele Follower die Guten und die Bösen auf Twitter gewonnen haben, seit Elon Musk die Leitung übernommen hat. Offensichtlich haben die Bösewichte einen großen Anstieg verzeichnet. Was ich aber am interessantesten fand, war, dass Klimareporter der New York Times und des Guardian mit Aktivisten wie Greta Thunberg in einen Topf geworfen wurden – ein klarer Hinweis darauf, dass sie als Teil des gleichen Teams betrachtet werden. Ein großer Teil der Klimaberichterstattung ist heutzutage schlicht Interessenvertretung für die „Guten“. Als beispielsweise der Inflation Reduction Act (IRA) Anfang des Jahres debattiert wurde, bejubelten die Medien einfach seine Verabschiedung und druckten die Ansichten derjenigen ab, die von der Erneuerbare-Energien-Industrie dafür bezahlt wurden, dafür zu werben, ohne dass eine kritische Stimme zu hören war. In jüngster Zeit scheint Kritik am IRA legitim geworden zu sein – aber nur als Teil der Anstrengungen, noch über die Regelungen des IRA hinauszugehen. Die Klimaberichterstattung ist offenbar ein Mannschaftssport.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Substack-Newsletter von Roger Pielke Jr. unter dem Titel „Top Five Climate Change Narratives in the Media“.

 

Roger A. Pielke Jr. ist ein amerikanischer Professor im Environmental Studies Program und Fellow des Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences in Boulder, Colorado.

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Karlheinz Patek / 07.05.2023

@Thomas Szabo. Bravo, klar und deutlich. Genauso ist es…fast. Fast. Irgend was stört mich. Das ist KEINE Kritik an dem Geschriebenen. Ich tendiere eher zum “Mitläufer” als zum “Arschkriecher”. Warum? Es unterschlägt das Gefährliche an diesem Gender und Klima-Gequatsche. Das ist ja nicht einfach nur “lästig”. Das wird noch andere Dimensionen annehmen, das Ausgrenzen. “Arschkriecher” sind harmlos, sie REAGIEREN nur, kriechen halt nur in Ärsche. Verlangen eher nicht dass Andere auch kriechen. “Mitläufer” AGIEREN, sind treibende Kraft, sie FORDERN das Gleiche von Anderen. Das macht sie gefährlicher.

Karlheinz Patek / 06.05.2023

@D. Katz. Bravo. Ich spiele das gleiche Spiel und bin allerdings deutlich leidensfähiger. DLF mehrere Stunden pro Tag. Bis frühen Abend, dann kann ich nicht mehr. Dann muss Musik mich wieder aufrichten. Hab ich mir antrainiert, war hart. Ich kann ihre Vermutung bestätigen, sie liegen richtig. Keine 30 sec nach dem Einschalten Klima, Klima, Klima. Kürzlich, DLF,  ein Dermatologen-Prof. im Interview: “Hautkrebs nimmt wieder zu”. Moderator: “Warum”. Er:  “Klimawandel”. usw. usw. Ich glaube der war so blöd, der glaubt das wirklich. Alternativ könnte auch sein dass das vorher abgesprochen wurde, sich so zu äussern. Würde mich nicht wundern. Sicher ist das bei vielen Hörern auf fruchtbaren Boden gefallen, wer macht sich schon die Mühe nachzudenken, ob das physikalisch überhaupt sein kann. Natürlich hat er recht, vermute ich, dass Hautkrebs wieder zunimmt. Das wird er als Dermatologe wohl beurteilen können. Der Rest war nur Müll. Ich hätte ihm den wahren Grund für die Zunahme des Hautkrebses sagen können. Die direkte und indirekte Global(ein)strahlung hat zugenommen, lt. einer Studie des DWD (Deutscher Wetterdienst). Diese Studie liegt mir vor. Zurück zum DLF. So geht das ununterbrochen, natürlich im Gendersprech. Ich glaube ich muss doch mal eine Pause machen.

sybille eden / 06.05.2023

Seit 1914-18 haben sehr viele Deutsche ein gestörtes Verhältniss zum ” GAS “. Sie tun auch viele Dinge bis zur “Vergasung”. Seltsam.

Klaus Keller / 06.05.2023

Die ersten Berichte über eine Klimakatastrophe als Strafe für falsches Handeln finden sich in Texten von interessierten Kreisen, die unglaubwürdige Dinge über die Arche Noahs berichteten. Die Aufforderung: Kehret um, lasst euer sündiges Handeln, das Ende ist nahe, predigte schon Johannes der Täufer und später sein Schüler, der Handwerkersohn, Jesus vor 2000 Jahren. Auf das baldige Ende warten wir immer noch. Die heutigen Narrative sind für heutige Narren und sie funktionieren wie vor 10.000 Jahren, da wir mit den Ängsten aus der Steinzeit im Atomzeitalter herumlaufen.

W. Renner / 06.05.2023

Wenn der Klimawandel ausgemachte Sache ist, müsste doch weitere Forschung dahin gehend sofort eingestellt werden. Reine Geldverschwendung. Die Schwerkraft und die Hebelgesetze werden schliesslich auch nicht täglich neu erforscht. Aber von Planstelle gestrichen, hält der Autor sicher auch nicht viel?

Gerhard Schweickhardt / 06.05.2023

Die Klimaschtz-Erzählung ist eine Heilslehre. Kommt daher mit Apokalypse, Schuldzuweisung und Erlösing. Weil freilich das nicht so einfach ist, wird der Nahmensraum “Klima” geschaffen. Klima-sünder Klima-helden , Klima-gerechtigkeit, Klima-Erhitzung usw. Da es ein Glauben ist, wird alles widersprüchliche ausgeblendet. Wie Klimazonen Klima-Sonnen-zyklen, Co2 Wirksamkeit, Umweltsauerei, Befeuert mit Pseudo Alarme, Eisbär, Bangladesch. Himalaya , Great Barrier Reef, Szenarien die als Prognosen verkauft werden. Weitere Erkenntnisse sind schädlich, the sience is setteld ,der totalitäre Macht Anspruch ist gut. Es geht ab in Diktatur ins Grüne Reich. Der liebe Gott , in Brüssel, hat gesprochen.

Günter H. Probst / 06.05.2023

Journalisten, besser Propagandisten, haben es schwer. Entweder müssen sie ihrem Unternehmer Geld einspielen oder bei den verstaatlichten Medien der herrschen Politik ums Maul gehen. Zudem passiert nicht soviel Interessantes, daß sich Seiten oder Stunden sinnvoll füllen würden. Also sind die Sternstunden der Medien Morde, besser Massenmorde, Unfälle mit vielen Toten, Naturkatastrophen mit vielen Toten: Erdbeben, Tsunamis, Tornados, usw. Mit der meschengemachten Klimakatastrophe, die in den biblischen Weltuntergang führt, hat sich für die Medien ein unbezahlbarer Dauerbrenner ergeben. Einerseits ist der lange Weg in den Untergang kitzlich, andererseits schürt er die Todesangst. Damit läßt sich dann prima politische Macht erringen, wie die Grünen gezeigt haben. Und für die Verfassungsfeinde ergibt sich eine günstige Gelegenheit, bei der wirtschaftlichen Tranformation auch gleich die politische in die Diktatur zu vollziehen.

HaJoWolf / 06.05.2023

@Peer Doerrer:  AfD-Freund , Coronaleugner, Putinversteher… , aber weder Nazi (schon das „sozialistisch“ in NSDAP stört mich massivst!) oder Rassist oder judenfeindlich… darf ich trotzdem weiter leben und weiter mitspielen?

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