Als Connaisseur schottischen Single Malt Whiskys, der seine Passion gern teilt, beantworte ich hier einige Fragen um das flüssige Gold, die Sie nie gestellt haben. Eine kleine Einführung in die Welt des Göttergetränks. Es wird Ihr Schaden nicht sein!
„Das Wasser war nicht zum Trinken geeignet. Um es schmackhaft zu machen, mussten wir Whisky hinzufügen. Durch fleißiges Bemühen lernte ich, es zu mögen.“ (Winston Churchill)
Beginnen wir mit der Art und Weise, in der Whisky auf der Leinwand konsumiert wird. Im Western verklappt der Cowboy vor der Schießerei im Saloon ein ganzes Glas auf ex, in der amerikanischen Soap steuert der Herr des Hauses schnurstracks die Kristallkaraffe an, füllt einen schweren Tumbler mindestens zur Hälfte mit der goldgelben Flüssigkeit und stürzt sie ebenfalls hinunter wie der Penner den Korn. Um es gleich zu sagen: Damit hat der Genuss von Single Malt nichts zu tun. Für einen solchen muss man sich Zeit nehmen. Der kultivierte Herr bzw. die Dame von Welt schenkt sich einen wee dram (den berühmten „wänzigen Schlock“ aus der „Feuerzangenbowle“) von 2 cl oder auch einen von Kanzler Scholz sicher „Doppelwumms“ genannten von 4 cl ein und kommt damit in der Regel auch aus. Für die notorische Druckbetankung ist Single Malt denkbar ungeeignet und auch viel zu schade, Rauschtrinker sollten sich unbedingt einem anderen Stoff zuwenden.
Wer an einer Lederallergie leidet, also Kopfschmerzen hat, wenn er morgens mit Schuhen im Bett aufwacht, hat jedenfalls keinen Single Malt getrunken. Alle fiesen minderwertigen und gesundheitsschädlichen Stoffe und Fuselöle werden bei der Destillation eliminiert, das Ergebnis ist immer ein extrem hochwertiger Alkohol.
Zum Genuss gehört schon die „Nase“, das Bouquet, das äußerst vielfältig ist, um dieses seit längerem schrecklich missbrauchte Wort hier einmal zu rehabilitieren. Dann das Nippen selbst, das „Spülen“ im Munde, bis sich die Aromen in ihrer ganzen Pracht entfalten. Und dann hat man jeweils lange etwas davon, der Abgang eines ordentlichen Single Malts beschert einen etliche Minuten andauernden Genuss.
Apropos „Feuerzangenbowle“: Also, wat is en Single Malt? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: Ein Single Malt ist ein Whisky, der ausschließlich aus gemälzter Gerste, Wasser (meist Quellwasser) und Hefe besteht, in kupfernen Brennblasen destilliert wird und aus einer einzigen Brennerei stammt. Außerdem muss er mindestens drei Jahre im Fass reifen und einen Alkoholgehalt von mindestens 40 Volumenprozenten aufweisen. Es gibt aber auch Single Malts, die 12, 15, 18, 25 oder noch mehr Jahre in einem Eichenfass verbracht haben. Und solche, die nicht mit schlappen 40 Prozent, sondern in cask strength (Fassstärke) abgefüllt werden, also mit 57, 60 oder auch mal sportlichen 64 Prozent. Solchen Kaventsmännern kann man mittels einer Pipette ein paar Tropfen stilles Wasser applizieren – manche Genießer schwören darauf und behaupten, dadurch würden zusätzliche Aromen frei. Kann man machen, muss man aber nicht. Einmal in Flaschen abgefüllt, reift Whisky übrigens, anders als Wein, nicht weiter.
Unaussprechlich, aber ausgesprochen gut
Wodurch unterscheidet sich nun ein Single Malt von anderen Whiskys (oder Whiskeys, wie man in Irland und den USA schreibt)? Es gibt ja auch Rye Whisky (mindestens 51 Prozent Roggen) oder den schrecklichen Bourbon (mindestens 51 Prozent Mais). Ersterer wird vor allem in Kanada produziert, letzterer in den USA.
Dann gibt es noch die Blended Whiskys oder Blends (Kompositionen bzw. Verschnitte aus einer ganzen Reihe von Single oder Grain Malts verschiedener Brennereien). Da ich dem Genuss solcher Whiskys eher abhold bin, beschränke ich mich hier auf den Single Malt, und zwar auf den schottischen, den ich allen anderen vorziehe, auch wenn nicht wenige Whisky-Genießer auf japanische Tropfen schwören. Daneben wird Whisky noch in vielen anderen Ländern hergestellt, von Skandinavien und Deutschland über Israel bis Indien.
In den fünf Whisky-Regionen Schottlands – den Highlands, den Lowlands, der Speyside, Campbeltown und auf Islay – gibt es über 200 Destillerien, die weitaus meisten, etwa die Hälfte von ihnen, im Gebiet um den Fluss Spey im Nordosten des Landes. Sehr bekannt sind Glenlivet und Glenfiddich, aber auch Aberlour, Dalwhinnie, Glenfarclas und Macallan. Viele schottische Whiskys tragen gälische Namen, die man ganz anders ausspricht, als man sie schreibt. So der Laphroaig (sprich: Lafroik), der Glen Garioch (Glen Girie) oder der Bunnahabhain (Bunahäwwen). Der „Einsteiger-Malt“ Glenfiddich spricht sich übrigens Glenfiddick aus, falls Sie mal auf einer Party Eindruck schinden wollen. Das Wort Whisky selbst stammt vom gälischen Uisge Beatha, Wasser des Lebens (lat.: aqua vitae).
Was macht den Single Malt nun so besonders? Es ist die schier endlose Aromenvielfalt, die selbst die des Weines deutlich in den Schatten stellt. Sie verdankt sich den vielen Komponenten, die den Geschmack eines Whiskys prägen: Wie wird die Gerste getrocknet? Wie sind die Brennblasen (Pot Stills) beschaffen, etwa zwiebel- oder birnenförmig? Schließlich die Lagerung. In welchen – unbedingt bereits gebrauchten, niemals neuen! – Eichenfässern reift der Single Malt seiner Vollendung entgegen? (Es gibt europäische Eiche und amerikanische Weißeiche, große und kleine Fässer, solche, in denen vorher Sherry oder Portwein abgefüllt war usw.) Und wie lange lagert der Whisky in den Fässern und saugt die Aromen des Vorgängers, des Holzes und der guten Luft in den Bergen oder an der Küste auf?
Finger weg von Cola und Eiswürfeln!
Die Herstellung eines Single Malt Whiskys ist aufwendig, das macht das Produkt am Ende relativ teuer. Die Gerste wird gemälzt, getrocknet (zuweilen überm Torffeuer, was dem Whisky später eine rauchige Note verleiht) und geschrotet. Dann folgt das Maischen (schnell oder langsam), die Fermentation (kurz oder lang), die Destillation (zwei Durchgänge), schließlich die Fassabfüllung und die Lagerung. Fun Fact: Der Gärvorgang ist dem des Bierbrauens sehr ähnlich, die nach der Fermentation entstandene Maische hat einen bierähnlichen Alkoholgehalt von weniger als 8 Prozent. Im Grunde ist Whisky also gebranntes Bier. Nach der zweiten Destillation wird der Mittellauf in Fässer abgefüllt, und zwar mit etwa 63,5 Prozent Alkohol. Das Destillat ist noch klar, erst die Reifung im Holzfass verleiht dem Whisky seine Farbe. Pro Jahr der Lagerung verdunstet etwa ein Prozent, das ist der sogenannte angels‘ share, der Anteil der Engel. Am Ende der mindestens drei, vielleicht aber auch 12 oder 25 Jahre Lagerung wird der Whisky mit erstklassigem Wasser auf die gewünschte Trinkstärke verdünnt.
Da so viele Komponenten Einfluss auf den Charakter des Whiskys, auf Farbe und Geschmack haben, wird auf allen Ebenen immer wieder experimentiert: mit dem Alkoholgehalt, dem Alter, den Fässern. Bestand sein Inhalt vorher aus Bourbon, gibt das Fass Aromen wie Süße, Vanille und Karamell ab. War Oloroso-Sherry drin, dann nussige, intensive Noten von dunklen Früchten, Pedro Ximenez zusätzlich rosinen- und sirupartige Noten, Portwein würzige Noten und „dunkle Beeren“. Wein-, Cognac- oder Rumfässer wieder ganz andere. Oft folgt nach der Fassreifung noch ein mehrmonatiges „Finish“ in einem anderen Fass, so dass dem ursprünglichen Whisky noch einmal weitere Noten hinzugefügt werden. Auch die Größe des Fasses spielt eine Rolle, in einem kleinen Octave (60 Liter) oder Quarter Cask (125 l) reift der Whisky schneller als in einem Hogshead (245 l) oder gar einem Butt (500 l). Sie sehen, die Möglichkeiten sind schier unendlich.
Da sich die Schöpfer der Edelspirituose sehr viel Mühe machen, um ein wirklich besonderes und unverwechselbares Produkt zu kreieren, kommen barbarische Unsitten wie Eiswürfel im Glas oder das Mischen mit Cola Kapitalverbrechen gleich, die Täter sollten mit nicht weniger als zwei Jahren in einer WG mit Kevin Kühnert bestraft werden. Hüten Sie sich, einen Single Malt liegend zu lagern: Der Naturkorken könnte sich mit der Zeit auflösen, dann ist Ihr schöner Whisky hinüber. Lagern Sie ihn stehend und vor Licht geschützt, am besten, Sie belassen ihn in der Packung, in der Sie ihn erworben haben. Bei Zimmertemperatur oder leicht darunter. Und lassen Sie ihn nicht 20 Jahre herumstehen, aber das dürfte ohnehin kaum passieren.
Schokolade, Aschenbecher, Seetang
Haben Sie sich für eine der zahllosen Whisky-Preziosen entschieden und die Flasche der Packung entnommen, ist es Zeit für den Genuss, der bereits mit dem erlösenden „Plopp“ bei der Korkenentfernung beginnt. Füllen Sie das flüssige Sonnenlicht, sei es weißweinhell oder kupferfarben, in ein geeignetes Glas, das heißt, ein Nosing-Glas mit Boden, Stiel und Körper. Der Körper muss dabei unten breiter sein und sich zur Öffnung hin verjüngen. Oder in ein Glencairn-Gläschen, wie es in schottischen Pubs verwendet wird. (So sehen passende Gläser aus.) Das Glas sollte klein sein, ein Cognacschwenker ist eher nicht geeignet, Sie wollen ja auch was vom Duft Ihres neuen schottischen Freundes haben. Machen Sie es sich bequem, nehmen Sie ein gutes Buch zur Hand oder ein iPad, um achgut.com zu lesen. Die Mattscheibe mit der Tagesschau bleibt aus, keine schlechte Laune soll den Genuss trüben.
Schwenken Sie das Glas ein wenig, betrachten Sie die Farbe und die am Glasrand herablaufenden, zuweilen öligen Tropfen (legs). Schnuppern Sie mehrmals tief hinein, schon dabei kommen Ihnen bestimmt einige Assoziationen in den Sinn. Die müssen nicht notwendigerweise mit der blumigen Beschreibung des Whiskys auf der Packung übereinstimmen, das Geschmacksempfinden ist ja nicht bei allen Menschen gleich. Noten wie „Rauch“, „Toffee“, „Vanille“ „Eiche“, „Schokolade“, „Zitrusfrüchte“ und „dunkle Beeren“ sind jedoch häufig und leicht erkennbar, auch „Nuss“, „Trockenfrüchte“, „Seetang“ und „Phenol“. Ein Lagavulin 16 riecht, jedenfalls nach Ansicht meiner Frau, nach Aschenbecher, ein Laphroaig nach Verbandmull, ein Ardmore Portwood Finish weist deutliche Anklänge an frische Erdbeeren auf. Bei manchen Assoziationen, die mir in Verkostungsnotizen begegnen, bin ich aber auch raus, die klingen zuweilen schon recht abseitig. Mir selbst fiel mal „Umkleidekabine“ ein, als ich einen muffigen Isländer verkostete. Das war ausnahmsweise kein wirkliches Vergnügen.
Nippen Sie an Ihrem dram, ein „wänziger Schlock“ darf auch gern, ja sollte sogar eine halbe oder ganze Minute im Mundraum gespült werden, wie Listerine, Sie werden staunen, welche Aromenexplosionen sich da ihren Weg bahnen, hinten lauern Noten, die sich erst langsam nach vorn drängen. Nehmen Sie sich alle Zeit der Welt, wie Olaf Scholz, wenn man ihm eine Frage stellt. Zwischen den Schlückchen immer wieder mal am Glas schnuppern, auch da werden Sie einen ganzen Strauß an neuen Aromen feststellen.
Womit sollte man anfangen?
Was kostet ein ordentlicher Single Malt? Es geht bei 30 Euro los, würde ich sagen, investieren Sie 45 bis 70, können Sie schon einen richtig, richtig guten bekommen. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. In der Regel und verständlicherweise sind ältere Whiskys teurer als junge. Aber auch das muss nicht immer so sein: Für einen 5 Jahre alten, extrem rauchigen Octomore werden schon mal 160 Euro aufgerufen, während man einen Glenfarclas 18 Jahre für ein Drittel davon erwerben kann. Vorsicht: Nur weil ein Whisky 300, 500 oder ein paar tausend Euro kostet, muss er nicht zehn-, hundert- oder tausendmal so gut schmecken wie ein Standard-Malt. Das tut er nie. Solche Preise sind meistens der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine Rarität handelt, die Zahl der Flaschen limitiert ist oder die Brennerei längst geschlossen hat. 50 Euro für eine Buddel sind, zugegeben, kein Pappenstiel, aber man hat ja lange was davon.
Welchen Whisky kann ich empfehlen? Schwierige Frage! Abgesehen davon, dass die Geschmäcker immer verschieden sind, können Sie mit schottischem Single Malt eigentlich ohnehin nichts verkehrt machen. Um es mit Raymond Chandler zu sagen: Es gibt keinen schlechten Whisky, es gibt nur einige Whiskys, die nicht so gut sind wie andere. Ganz grundsätzlich: Wenn Sie noch nie einen Single Malt getrunken haben, fangen Sie nicht gerade mit einem rauchigen Ardbeg Uigeadail von der Hebrideninsel Islay an, auch wenn ich den, wie alle Islay-Whiskys und die von anderen Inseln, sehr gern mag. Beginnen Sie dann vielleicht – es muss ja nicht der typische „Einsteiger-Malt“ Glenfiddich sein – eher mit einem der milderen Speyside-Tropfen, Glenfarclas, Glen Garioch oder GlenAllachie zum Beispiel. (Glen bedeutet Tal, daher der häufige Name). Oder mit einem Highland Park (Orkney) oder Oban (Highlands). Besser noch einem würzigen Bunnahabhain (Islay), einem Caol Ila (Islay) oder einem pfeffrigen Talisker (Skye). Und lassen Sie die Finger von irgendwelchen „Game of Thrones“-Editionen und ähnlichem Marketing-Kokolores, solche Flaschen tragen bombastische Namen und die Verpackung sieht mitunter beeindruckend aus, die Whiskys sind das Geld aber eher nicht wert.
Üblicherweise geht der Single Malt-Connaisseur von den milden Whiskys früher oder später zu komplexerem oder ungestümerem Stoff über, mir frommen vor allem würzige bis rauchige Tropfen von den Inseln der Westküste oder solche in cask strength, aber auch ältere Versionen von Highland-Whiskys; mit der Erfahrung wächst der Abstand zu den leichten Tropfen. Auch Whiskys mit Finish in Sherry- und Portweinfässern mag ich sehr. Ich erwähne das nur, falls Sie mir zu Weihnachten eine Freude machen wollen und zufällig auch gerade 150.000 Euro in bar zu Hause horten, wie die griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Dann ist sicher auch eine zweite Achgut-Patenschaft drin.
Vielleicht haben Sie jetzt auch einfach nur Lust bekommen, sich einmal in die weite Welt des Single-Malt-Whiskys zu begeben, an einem Tasting teilzunehmen oder, falls Sie sich in der Materie bereits auskennen, mal wieder eine feine Flasche zuzulegen. In diesem Fall wünsche ich „Slàinte mhath!“ (ausgesprochen: slaantsche wa), was „gute Gesundheit“ bedeutet, aber auf Deutsch möglicherweise seit dem ebenso grassierenden wie nervtötenden „Bleiben Sie gesund!“ seine Unschuld verloren hat. Also: „Slaaantsch!“