Burkhard Müller-Ullrich / 21.10.2008 / 17:15 / 0 / Seite ausdrucken

Seid gepriesen, Millionen!

Da sich die Produktion schwarzer Löcher im Genfer Atomforschungszentrum CERN etwas verzögert, ist die Domstadt Köln bei Ossendorf eingesprungen und hat den Comedypreisbeschleuniger Coloneum hochgefahren. Beim Testlauf vor einer Woche wurde ein 88-jähriger Fernsehkritiker drei Stunden lang auf einem Stuhl in Reihe eins magnetisiert, bis er glühte und das Publikum zum Lachen brachte. Dafür bekam er einen Preis und durfte im Fernsehen noch eine Runde umsonst fahren.

Heute nun soll das Spaßotron im Coloneum auf vollen Touren laufen. Unter anderem erhält Mario Barth den Preis für viermaliges Ausgezeichnetwerden mit dem deutschen Comedy-Preis. Wenn es dabei gelingt, Barth in einer Kreisbahn zu beschleunigen und Reich-Ranicki in der entgegengesetzten Richtung auf ihn prallen zu lassen, dann – so erwarten Fachleute – kommt es zu einem Urknall, bei dem so etwas wie televisionäre Antimaterie entsteht.

Noch weiß niemand, wie die sich verhält und was für Gefahren von ihr ausgehen. Fest steht nur, daß alle Preisträger gebeten werden, ihre Preise entweder nach Reich-Ranickis Vorbild gar nicht erst anzunehmen oder sie gleich wieder abzugeben, damit sie sofort an jemand anderen oder sogar – siehe Mario Barth – erneut an denselben Empfänger verliehen werden können. Bei einer relativ begrenzten Zahl von Kulturschaffenden auf der einen und mehr als einer Fantastilliarde Kulturpreisen auf der anderen Seite ist nämlich ein striktes Preisrecycling nötig.

Außerdem – das könnte schon eine erste Wirkung der gefürchteten schwarzen Löcher sein – beginnen die Kategorien sich aufzulösen: Wenn der Maler Anselm Kiefer den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommt und die Tänzerin und Choreographin Pina Bausch den Goethepreis der Stadt Frankfurt, dann hat Marcel Reich-Ranicki allemal den Comedypreis verdient und Mario Barth den Deutschen Buchpreis.

Gut wäre es auch, wenn alle Preise, die es gibt, in einer Nonstopveranstaltung am selben Ort verliehen würden (und hierfür bietet sich vor allem das Ossendorfer Coloneum an), denn dann müßte man nicht einzelne Preise quer übers Land verteilen, was immer wieder dazu führt, daß viele Künstler einzelne Preise nicht entgegennehmen können, weil sie gleichzeitig anderswo andere Preise entgegennehmen müssen. Diese Nonstopveranstaltung könnte man dann in einem eigenen Kanal mit dem Titel „Preis TV“ übertragen, was schließlich einen Riesenvorteil hätte: Wir schalten den Kanal nie ein, und gut ist.

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