Wolfgang Röhl / 05.12.2008 / 10:42 / 0 / Seite ausdrucken

Schenken statt Spenden. Ein Ablasshandelsembargo

Zu den schaurigen Riten des Homo bonus vulgaris (gemeiner Gutmensch) gehört seit einiger Zeit der Brauch, zu Festen oder Jubiläen statt eines banalen Geschenks ein Dokument zu überreichen, das durch den ethischen Turbolader gepustet wurde. Darauf wird dem Beschenkten zum Beispiel die frohe Botschaft zuteil, dass er dazu beigetragen hat, einer Dorfgemeinschaft in Südwest-Mali die Anschaffung eines Mörsers zum kollektiven Hirsestampfen zu ermöglichen. Beziehungsweise einer ausgesucht armen Alleinerziehenden in Eritrea eine Eselin mit einem 80-Liter-Wassercontainer aus biologisch abbaubarem Kautschuk zu spendieren, auf dass der tägliche Marsch zum Wasserloch sie nicht länger belaste. Wobei nebenbei auch die traditionelle Rollenverteilung in der Familie aufgebrochen wird, weil mit so einem coolen Esel auch Jungen zum Wasser holen motiviert werden können…

Im Nahbereich bietet sich statt des neuen Mankell ein Scheck für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei an. Tierfreunde werden begeistert sein, ein Zertifikat in Empfang nehmen zu dürfen, auf dem ihre Patenschaft für ein verwaistes kenianisches Elefantenbaby, dessen Eltern skrupellosen Elfenbeinjägern zum Opfer fielen, bescheinigt wird. Geldspenden für Bibliotheken, die Grundschulklassen in Togo mit allerlei Wissenswertem versorgen, sind wohl ebenfalls eine grundgute Sache. Merci, chérie.

Der moralische Trendsport ist ein Ableger der protestantisch-gesinnungsgrundierten Brot-statt-Böller-Kampagne und wie diese so aufdringlich guttuerisch wie sinnentleert. Warum keine Böller? Warum nicht keine Designerklamotten, keine Theaterbesuche, kein natives Olivenöl, keine wirkungslosen Cellulite-Crèmes, kein teures Futter aus dem Bioladen? All das wäre genau so schmerzfrei entbehrlich. Warum „Spenden statt Geschenke“? Warum nicht „Spenden statt Bachblütentropfen, Selbstfindungskursen oder Jakobswegtourismus?“ Was für eine neue Religion ist das nun wieder?

Sicher, es hätte auch Vorteile, wenn der Platz unterm Weihnachtsbaum heuer leer bliebe - bis auf ein dezentes Schälchen natürlich, in dem sich die Belege für gute Geschenktaten stapeln. Kein Verpackungsmüll mehr, der entsorgt werden muss, keine kunstgewerblichen Gräuel, die man womöglich aufbewahren muss, weil einen der Schenker gelegentlich besucht. Nicht länger wären nach den Festtagen die Innenstädte überfüllt, weil jeder zweite seine Geschenke umtauschen möchte.  Niemand müsste mehr Begeisterung über das Tchibo-Edelstahlpfannenset heucheln, das er im Übrigen ja bereits zum Geburtstag bekommen hatte. Stattdessen könnte er sich zum Beispiel über eine Beteiligung an einem Projekt für die Rehabilitierung von transsexuellen Zwangsprostituierten in Mumbai freuen.

Gutes Gewissen muss nicht teuer sein.  Man stelle sich die strahlenden Kinderaugen vor, wenn Malte-Thorben erfährt, dass er statt der blöden Playstation etwas viel Schöneres geschenkt bekommt! Nämlich die Schutzpatenschaft für eine vom Staudammbau in West-Sichuan bedrohte Pandabärenpopulation. Mina-Sophie wäre sicher begeistert, Ferien auf dem Reiterhof gegen ein Sponsoring für eine Teekooperative auf Sri Lanka zu tauschen.

ICH aber möchte, bitte, unter keinem Umständen mit einem Voucher für besseres Karma zwangsbeglückt werden. Erstens, weil bekanntlich die Hälfte aller „Hilfsorganisationen“, die zumal um Weihnachten herum ihre Bettelklauen ausstrecken, dilettantische Good-Will-Veranstaltungen sind, bei denen der Löwenanteil des gespendeten Geldes in der Verwaltung verdunstet. Schlimmstenfalls betreiben sie idiotische Projekte, die in Afrika und anderswo lokale Märkte kaputt machen.

Zweitens, weil ich mir selber aussuchen möchte, für was ich spende. Bevor ich an den Bankautomaten gehe, erkundige ich mich beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen, wer die Leute sind, denen ich mein Geld überweise. Die Guten, die Bösen und die Dubiosen sind da einigermaßen klar gelistet (http://www.dzi.de).

Und drittens ist die Spenderei, ob man will oder nicht, auch ein politisches Statement. Ich möchte nicht zum Förderer von Vereinigungen wie der kommunistischen Agentur Cuba Si gemacht werden, deren Aufgabe darin besteht, das marode Castro-Regime noch länger am Leben zu erhalten. Eine bestimmte Biermarke trinke ich grundsätzlich nicht. Weil deren Werbung, man rette mit dem Konsum ihres Gebräus ein Stück Regenwald, ganz offenkundig grob gaga ist und eine Anzweifelung meines gesunden Menschenverstandes dazu.

Zugegeben, auch ich kann auf noch mehr Rotweinflaschen, Bücher zu Thema Leichte Landküche oder oberitalienische Gewürzkräutermischungen gut verzichten. Was ich gerne geschenkt bekäme, wäre irgendetwas, das mir die Illusion gibt, der Schenker habe ein bis zwei Minuten über mich nachgedacht. Ein antiquarisch gekauftes Westernheftchen aus der Feder des frühen G.F. Unger zum Beispiel erfreute mich mehr als irgendein Ablasszettel für die Causa Dritte Welt. Wenn das Geschenk denn unbedingt moralisch à jour sein muss: bitte nur den Klassiker. Das sind, versteht sich, die SOS-Kinderdörfer (http://www.sos-kinderdoerfer.de). Da ist garantiert drin, was draufsteht.

Stern 47/2008

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