Richard Wagner / 20.07.2008 / 10:26 / 0 / Seite ausdrucken

Raumpatrouille Obama

Jeder, der die Vereinigten Staaten einigermaßen kennt, weiß, dass es sich bei diesem Land um einen Planeten handelt, der dem Rest der Welt immer wieder den Eindruck zu verschaffen weiß, dass dieser Rest aus Nachbarplaneten besteht, und mehr noch, aus Satelliten. Zum Satelliten wird man aber nicht nur gemacht, zum Satelliten macht man sich auch selbst.

Egal, worum es geht, ums Rauchverbot oder um den ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten, die Vereinigten Staaten sind dem Rest der Welt stets um einen Schritt voraus, selbst dann, wenn sie um drei Schritte hinterher hinken sollten.

So kommt es, dass der Bewohner des amerikanischen Planeten, obwohl ihm der Rest der Welt ziemlich uninteressant erscheint, trotzdem dazu neigt, in diesem Rest zu intervenieren. Der Durchschnittsamerikaner sieht sich zwar kaum Auslandsnachrichten an, aber die amerikanische Politik beschäftigt sich mit dem Weltrest, als sei sie in der Rolle des Paten. Während die Europäer ihre Interessen kaschieren, wo sie können, schickt Amerika regelmäßig die Raumpatrouille vor.

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist im Grunde die Intervention die Plattform der außenpolitischen Kontinuität. Zwischen Republikanern und Demokraten gibt es letztlich keine wesentlichen Unterschiede in der Außenpolitik. Worin sollten sie auch bestehen? Der Planet Amerika hat seine traditionellen Verbündeten, seine Satelliten und seine Sorgenkinder, und darüber hinaus, seine Gewissheit über das, was es zu verteidigen gilt.

In dieser Matrix steckt auch Obama. Er, der Hoffnungsträger der Demokraten und der europäischen linksliberalen Intellektuellen, probiert gerade die Quadratur des Kreises: Die Intervention zu beenden, ohne sie aufzugeben. Das geht nur im Tausch. Irak gegen Afghanistan. Und das soll auch sein Afghanistan-Besuch signalisieren. Wenn ein Truppenabzug im Irak erfolgt, so wird es zu einer Truppenaufstockung in Afghanistan kommen. Ein Nullsummenspiel?

Zu Obamas außenpolitischen Beratern gehört eine graue Eminenz des amerikanischen Interventionismus: Zbigniew Brzezinski. Er war, als Berater von Jimmy Carter, der Architekt der Afghanistan-Destabilisierung 1980. Er schmiedete die Allianz mit den islamistischen Mudschaheddin, um die Sowjets aus dem Land zu jagen. Brzezinski ist der Autor des Buches „Die einzige Weltmacht“ (im Original: „The Grand Chessboard“), in dem die amerikanischen Interessen in Zentralasien geostrategisch verhandelt werden. Auf die Thesen dieses Buches gehen die Ordnungsüberlegungen zum Kaukasus zurück, die Fehleinschätzung der Türkei und die „Einkreisung“ Russlands.

Als Brzezinski 2006 in einem Stern-Interview nach der Problematik des iranischen Atombombenbaus gefragt wurde, antwortete er folgendermaßen: „Ich glaube, letztlich wäre ein nuklearer Iran nicht gefährlicher als die Atommächte Indien oder Pakistan. Oder etwa Israel.“ Zur Lösung des Problems aber schlug er eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten vor. Ist der Mann naiv?

Wenn Obama diesen Markierungen folgen sollte, würde er als Präsident bald in einem Dilemma stecken, dass das augenblickliche Irak-Desaster weit übertreffen könnte, zumal dort nach einem Abzug der amerikanischen Truppen, mit größter Wahrscheinlichkeit das Chaos ausbrechen wird. Liebe europäische Obama-Fans freut euch nicht zu früh!

 

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