Oliver M. Haynold, Gastautor / 05.03.2024 / 14:00 / Foto: Pixabay / 25 / Seite ausdrucken

Panoptikum der Trump-Prozesse

Der Oberste Gerichtshof der USA hat Versuche von Einzelstaaten, Donald Trump einfach von der Präsidentenwahl auszuschließen, eine Absage erteilt. Ein Anlass, alle Verfahren gegen Trump Revue passieren zu lassen.

Am gestrigen Montag hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten den Versuchen einiger Einzelstaaten, den aussichtsreichen Bewerber Donald Trump einfach von der kommenden Präsidentenwahl auszuschließen, in einer einstimmigen Entscheidung eine Absage erteilt. Der Anlauf, einen der beiden wesentlichen Kandidaten einfach vom Wahlzettel zu nehmen, war nur das bisher jüngste Glied in einer Kette von wahnwitzigen Theorien, die mit einem nur auf eine bestimmte Person gemünzten Ausnahmerecht die Entscheidung den für rückständig gehaltenen Wählern abnehmen wollen.

Es lohnt sich, diese Versuche einmal Revue passieren zu lassen, bis hin zu den jüngsten Aberwitzen, dass eine Richterin, die gerade noch für unbedeutende Fälle im Verkehrsrecht zuständig war, einen aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten vom Wahlzettel urteilen wollte, und dass eine Anklägerin sich selbst in die Rolle der Angeklagten zu manövrieren droht. Die Revue ist lang, denn die Liste der bislang erfolglosen Versuche, irgendwie eine zweite Amtszeit Donald Trumps auf juristischem Wege zu verhindern, ist es auch. Sie ist aber lehrreich als wohl bisher größte Jagd eines Justizapparats gegen eine einzelne Person, mit welcher Begründung auch immer.

Eine der ersten Theorien, mit denen man sich des ungeliebten Präsidenten gleich nach seiner Wahl entledigen wollte, bediente sich der beiden „Emolumentenklauseln“ in der amerikanischen Verfassung. Das Wort ‚Emolument‘ existiert auch im Deutschen, und ist im Deutschen genauso altmodisch und ungebräuchlich wie im Englischen. Es bezeichnet eine Vergütung oder Nebenvergütung oder einen sonstigen Vorteil, insbesondere für ein öffentliches Amt und dergleichen. Nach Trumps Wahl schnatterten allerlei Leute, die noch nie zuvor in ihrem Leben das Wort „Emolument“ gebraucht hatten oder auch nur die Verfassung gelesen hatten, „Emolumente, Emolumente“, als sei das der Zauberspruch mit dem sie den, dessen Namen nicht genannt werden darf, hätten bannen können.

Schwache Argumentation

Nun gibt es in der Verfassung der Vereinigten Staaten gleich zwei Klauseln bezüglich Emolumenten. Die eine davon legt fest, dass der Präsident lediglich sein fixes Gehalt bezieht und ansonsten keine Emolumente vom Bund oder von den Einzelstaaten erhält. Die andere Klausel besagt, dass kein Amtsträger des Bundes ohne Zustimmung des Kongresses „ein Geschenk, Emolument, Amt oder Titel, jedweder Art, von einem König, Fürsten oder auswärtigem Staat“ annehmen dürfe. Daraus wollte man Trump nun den Strick drehen, dass er als Besitzer seines Hotelimperiums jedes Mal verbotene Emolumente beziehe, wenn darin ein Repräsentant eines Einzelstaats oder eines auswärtigen Staates nächtige. Das gelte auch dann, wenn Trump sich aus dem Geschäftsbetrieb zurückgezogen hatte, zumal sein Name jedenfalls immer noch als Marke auf den Hotels stehe. Es klagten Abgeordnete, politische Gruppen, der Staat Maryland, und auch Hotelkonkurrenten, die sich benachteiligt sahen.

Das Argument war absehbar schwach. Die Emolumentenklauseln hatten in einer Verfassungsgeschichte von mehr als zwei Jahrhunderten kaum eine Bedeutung, waren nie der Anlass von Präzedenzfällen vor Gericht oder nennenswerten akademischen Abhandlungen. Für einfachere Beamte stützt man sich eher auf konkrete Gesetze und Dienstvorschriften zur Vorteilsannahme. Klar ist aber doch, dass die Klauseln nicht jede Art wirtschaftlicher Tätigkeit, nicht jedes Einkommen meinen können. Es hat noch niemand behauptet, dass das kostenlose Wohnrecht des Präsidenten im Weißen Haus ein verbotenes Emolument sei, obwohl das der üblichen Wortbedeutung viel näherkommt als ein Einkommen aus einem Betrieb.

Schon der Gründervater und erste Präsident George Washington betrieb ein florierendes Geschäft mit Landspekulation und exportorientierten Plantagen, ohne dass darin jemand ein verbotenes Emolument gesehen hätte, und so blieb es mehr als zwei Jahrhunderte lang. Der Präsident darf sich nicht einen Adelstitel samt Ehrensold aus dem Ausland verleihen lassen, aber einem Betrieb, an dem er Anteile hält, ist es nicht verboten, mit Einzelstaaten und auswärtigen Staaten so Geschäfte zu machen, wie mit jedem anderen auch. Mögliche Interessenkonflikte sind ein geeigneterer Gegenstand für spezifische gesetzliche Regelungen als für eine unmittelbare Anwendung dieser Verfassungsvorschrift. Man prozessierte vier Jahre lang mit eher mäßiger Energie, und schließlich verlief die Sache im Sande weil der Streit sich dadurch erledigt hatte, dass Trump nicht mehr Präsident war. Gleich nach Trumps Wahl kam auch der Wunsch auf, ihn auf irgendeine Weise mittels eines Amtsenthebungsverfahrens loszuwerden. Der Anlass – der ein Anlass und nicht der Grund sein sollte – war eigentlich gleichgültig, genauso wie der Umstand, dass ein solches Amtsenthebungsverfahren in mehr als zwei Jahrhunderten nur gegen zwei Präsidenten angestrengt worden war und beide Male scheiterte. Für die gute Sache musste es gelingen.

Amtsenthebungsverfahren gescheitert

Beim ersten Amtsenthebungsverfahren drehten sich die Vorwürfe darum, Trump habe sein Amt genutzt, um den ukrainischen Präsidenten Selenskyj aufzufordern, in einer mutmaßlichen Korruptionsaffäre bezüglich der Geschäfte von Joe Bidens Sohn Hunter in der Ukraine nochmals zu ermitteln. Das hat einen gewissen Geschmack, allerdings einen wesentlich schwächeren als den des Umstandes, dass Joe Biden in seiner ehemaligen Rolle als Vizepräsident offen damit angegeben hat, dass er unter Androhung der Verweigerung einer Bürgschaft von einer Milliarde Dollar die Ukraine zur Entlassung des gegen seinen Sohn ermittelnden Staatsanwalts bewogen habe. Seitdem hat sich nach der Enthüllung von Hunters Laptop und seiner Autobiographie der Eindruck jedenfalls noch verstärkt, dass seine Bezüge – fast hätte ich ‚Emolumente‘ geschrieben – aus dem Ausland eher mit dem Verkauf des politischen Einflusses seines Vaters zusammenhängen mögen, oder jedenfalls mit diesem Versprechen, als mit irgendwelchen unabhängig erbrachten Beratungsleistungen.

Das zweite Amtsenthebungsverfahren drehte sich um die Dreikönigstagskrawalle 2021. Trump wurde vorgeworfen, zu diesen, ja gar zu einem „Putsch“ aufgerufen zu haben. Schwierig an diesem Argument war nun, dass er eigentlich ausdrücklich aufgerufen hatte, „friedlich und patriotisch“ zu demonstrieren, nicht zu Gewalt, und schon gar nicht zu einem Putsch. Wir werden noch darauf zurückkommen. So oder so, auch wenn die Vorwürfe und der Prozess in einem Amtsenthebungsverfahren an den Strafprozess angelehnt sind, so ist die Abstimmung über den Ausgang jedenfalls in der Praxis unweigerlich politischer Natur und verlief beide Male weitgehend nach Parteien. Für die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung hat es vollkommen absehbar beide Male nicht entfernt gereicht. Das Zauberwort „Amtsenthebung“ hat zweimal genauso versagt wie das Zauberwort „Emolumente“.

Strafprozesse im Skandal

Nach Donald Trumps Wahlverlust und Rückkehr in das bürgerliche Leben als einfacher Bürger sahen teils offen politische Staatsanwälte ihre Stunde gekommen, es dem bösen Mann mit einem nahezu beispiellosen Verfolgungseifer heimzuzahlen und seine Rückkehr zu verhindern. Ich habe diese Prozesse hier bereits in eigenen Artikeln kommentiert, und kann mich deshalb kurzfassen.

In New York ist ein Strafprozess gegen Trump anhängig, weil die Zahlung eines Schweigegeldes an die Pornodarstellerin Stephanie Clifford nicht nur eine Fälschung von Geschäftsunterlagen, sondern eine verbotene Beeinflussung des Wahlkampfs darstelle. Nun kann man in der Tat die Eignung eines Mannes, der einem alternden Pornosternchen Schutzgeld zahlt, für die Befehlsgewalt über ein Kernwaffenarsenal in Frage stellen, aber die Konstruktion einer Straftat daraus ist mehr als abenteuerlich. Die Konstruktion eines Verbrechens der Fälschung zur Verdeckung einer verbotenen Wahlkampfzuwendung, weil die reine Fälschung aus Eitelkeit nur ein kleineres Vergehen und dazu noch verjährt wäre, ist abenteuerlicher. Die Zeugen sind unbrauchbar, weil Meineidige, Erpresser, Betrüger, auch wenn dieser Umgang politisch ebenfalls nicht für Trump spricht, was aber nicht strafbar ist. Drei getrennte Verfahren deswegen wurden vorher von den Ermittlern wegen mangelnder Erfolgsaussicht eingestellt. Aber ein ganz offen Trump hassender Staatsanwalt muss es versuchen.

In Florida ist ein Strafprozess gegen Trump anhängig, bei dem die Vorwürfe, nämlich die verbotene Mitnahme geheimer Dokumente, immerhin eine augenscheinliche Plausibilität und vielleicht sogar Wahrscheinlichkeit haben. Gleichzeitig wird so etwas bei keinem anderen Präsidenten verfolgt, obwohl offenbar ziemlich universell praktiziert, und bei Bill Clintons nationaler Sicherheitsberater Sandy Berger kamen hundert Sozialstunden dafür heraus, dass er sich seine Hosen mit vertraulichen Dokumenten vollgestopft und sie hinausgetragen hatte. Eine Strafverfolgung mit dem Ziel einer langjährigen Gefängnisstrafe für ein Verhalten, das bei ähnlich gestellten Tätern entweder einfach toleriert wird oder in Trivialstrafen endet, kann sich des Vorwurfs des wutentbrannten und politisierten Verfolgungseifers nicht entziehen, wenn sie nur eine Person trifft. Einer Verurteilung stehen möglicherweise auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich der angeklagten Strafnorm und prozessuale Hindernisse entgegen.

In der Hauptstadt Washington ist der dritte Strafprozess gegen Trump anhängig, der sich um die Dreikönigskrawalle 2021 dreht, also denselben Gegenstand wie Trumps gescheitertes zweites Amtsenthebungsverfahren. So wie dieses leidet dieser Prozess unter dem Problem, dass Trump eben zunächst einmal dazu aufgerufen hat „friedlich und patriotisch“ zu demonstrieren, und unter dem weiteren Problem, dass im relevantesten Präzedenzfall sogar ein wirklicher Aufruf eines wirklichen Rassisten zu einem wirklichen Marsch auf Washington und Putsch noch als von der Redefreiheit geschützt befunden wurde. Das wird schwierig.

Unschuldsvermutung

Schließlich versucht sich Georgia noch an einem Mammutprozess mittels ‚RICO‘, eines weitreichenden Gesetzes zur Mafiabekämpfung am Rande der Verfassungsmäßigkeit, in dem Trump vorgeworfen wird, der Pate an der Spitze einer kriminellen Unternehmung zu sein, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den Wahlausgang 2020 auf kriminelle Weise umzukehren. Die Vorwürfe ähneln denen aus Washington, aber mit dem Antimafiagesetz als richtig großem Hammer. Diese Anklage macht derzeit aber nicht so sehr durch ihre Stichhaltigkeit von sich reden, als dadurch dass die leitende Staatsanwältin Fani Willis eine sexuelle Beziehung mit Nathan Wade hatte, den sie als Sonderermittler für diesen Fall eingestellt hat, mit Bezügen von mehr als einer halben Million Dollar, während man ansonsten als Staatsanwalt eher nicht reich wird.

Wade wiederum übernahm aus diesem Einkommen aus dem Steuersäckel regelmäßig die Rechnung für die gemeinsamen Liebesabenteuer an schönen Ferienorten. Willis behauptet, sie habe jeweils ihren Anteil an Wade zurückgezahlt, in bar und ohne Quittung und ohne Abhebung am Geldautomaten. Willis‘ Vater schließlich hatte die Nerven, diese angebliche Bargeldwirtschaft mit dem Satz „Ich will nicht rassistisch sein, aber es ist eine Angewohnheit Schwarzer“ zu erklären – die würden aus Angst vor rassistischer Zurückweisung große Bargeldbeträge vorhalten. Zeugen soll sie auch beeinflusst haben. Da kann man sich fragen, ob die mafiösen Strukturen wirklich bei Trump zu finden sind oder anderswo. Gebracht hat das alles aber bisher auch nichts. Die Zauberformeln versagen, der böse Mann ist weiter da.

Das Ärgerliche am Strafprozess aus der Sicht der Kampagne gegen Trump ist die Unschuldsvermutung. Man bräuchte eine Straftat, die er begangen hat, und die müsste man jenseits jedes vernünftigen Zweifels – so die Beweislast im amerikanischen Strafprozess – nachweisen können. Das ist gar nicht so einfach, zumal der Angeklagte umfangreiche prozessuale Rechte hat, seine Entlastung zu betreiben. Daher kam man auf eine alternative Zauberformel, die bisher mehr danach wirkt, als könnte sie funktionieren, nämlich den Zivilprozess. In dem braucht man keinen Beweis jenseits vernünftigen Zweifels, sondern es reicht ein einfaches Übergewicht der Beweise für eine Seite. Das lässt sich leichter deichseln, da kann moralisch, aber eben nicht bezüglich der Person blinder Hass sich leicht als ein kleines Zusatzgewicht in der Waage der Justitia einschleichen. Dazu bietet das eigentlich inkonsequente Instrument des Strafschadenersatzes (punitive damages) eine wunderbare Möglichkeit, es jemandem mit phantastischen Schadenersatzsummen heimzuzahlen, die bei einer strafrechtlichen Verurteilung niemals als Geldstrafen herauskommen würden.

Missbrauchsvorwürfe

Der erste Hammer dieser Art traf Trump im Januar mit einem Urteil über 83 Millionen Dollar, die er der Frauenmagazin-Kolumnistin E. Jean Carroll wegen Verleumdung zahlen soll. Carroll hat 2019 behauptet, dass Trump sie 1995 in einem Luxuskaufhaus mit hoher Personaldichte in einer Umkleidekabine vergewaltigt haben soll, wogegen sie sich physisch gewehrt haben will, ihr jedoch niemand zu Hilfe gekommen sei, niemand es bemerkt habe. Weitere Details gab es in ihrem Buch, das sie nahezu zeitgleich veröffentliche, und dessen Verkauf das nicht geschadet haben wird. Strafrechtlich war die Sache verjährt, aber vor einem Geschworenengericht konnte sie fünf Millionen Dollar herausholen, zwar nicht für Vergewaltigung, aber für sexuellen Missbrauch. Trump bestritt diese Vorwürfe weiterhin energisch und auch in der in ihm eigenen persönlichen und polemischen Art, weswegen Carroll ihn wegen Verleumdung auf Schadenersatz verklagte. Dafür gab es 83 Millionen.

Für eine strafrechtliche Verurteilung würde ein angeblicher Vorfall, bei dem das angebliche Opfer behauptet, vor 25 Jahren sei etwas geschehen, der angebliche Täter das abstreitet, und wesentliche andere Beweismittel nicht existieren, beim besten Wilen nicht reichen, schon gar nicht, wenn man an der Plausibilität der Geschichte seine Zweifel haben kann und das angebliche Opfer ein massives wirtschaftliches Interesse an der Geschichte hat. Im Wege des Zivilprozesses kann man so einmal fünf Millionen für den Vorwurf bekommen und achtzig dafür, dass der angebliche Täter weiter seine Unschuld beteuert, auch wenn solche Summen oft in der Berufung reduziert werden. Interessant daran ist auch, dass noch nicht einmal der linke Qualitätsjournalismus, der Trump absolut alles vorwirft, wirklich die Behauptung aufgegriffen hat, dass er ein Vergewaltiger sei. Offenbar hat man doch Zweifel daran, wer das glauben kann.

Letzten Monat setzte es dann für Trump eine Strafzahlung, allerdings nach Regeln des Zivilprozesses, von 450 Millionen Dollar inklusive Zinsen wegen Kreditbetrugs, weil Trump jahrelang den Wert seiner Immobilien zu hoch angesetzt habe. Interessant dabei ist, dass es keine Geschädigten gibt. Keine Bank hat Anzeige erstattet oder Schadenersatz gefordert oder geklagt, und niemand beschwert sich, dass Kredite nicht bedient wurden. Formal funktioniert die Sache so, dass Trumps Unternehmen in einem vom Staat angestrengten Zivilprozess – deswegen ohne die lästige Beweislast des Strafprozesses – zur Einziehung von Gewinnen verurteilt wurde, die angeblich durch Kredite erzielt wurden, die sich das Unternehmen mittels übertriebener Immobilienbewertungen erschlichen haben soll. Weil die angeblich getäuschten Banken aber keinen wirklichen Schaden erlitten, erhalten nicht etwa sie das Geld, sondern es geht einfach an die Staatskasse. Auch in diesem Prozess kann es gut sein, dass das in der Berufung nicht halten wird, aber Trump hat zunächst einmal das Problem, Sicherheit leisten zu müssen, um in Berufung zu gehen – er muss also, gewährt ihm das Gericht keinen Aufschub, so oder so erst einmal zahlen, schuldig oder unschuldig, und eine halbe Milliarde hat auch ein Milliardär nicht flüssig.

Wo ist die Zauberformel?

Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James, die dieses Verfahren betrieb, hatte schon 2018 ganz offen angekündigt, „auf allen Gebieten des Rechts“ gegen eine ganz bestimmte Person, Donald Trump, vorgehen zu wollen. Wenn die Tätigkeit der Strafverfolger nicht mehr darin besteht, den Täter zu Verbrechen zu finden, sondern sie sich vielmehr zunächst den zu verurteilenden Delinquenten heraussucht und sich dann einen Vorwurf überlegt, dann findet sich gegen jeden etwas. Findet sich wirklich nichts im Strafrecht, dann ruiniert man ihn eben zivilrechtlich.

Der Text des Urteils in diesem Fall hat ebenfalls eine hasstriefende Qualität, weist darauf hin, dass das Gericht „bis zum Erbrechen“ seine Rechtsauffassung erläutert hätte, und begründet die Schärfe der Sanktionen wie schon im Fall Carroll gerade damit, dass die Beschuldigten sich verteidigen: „Ihr völliger Mangel an Zerknirschung und Reue grenzt an das Pathologische.“ Wohlgemerkt, nicht für einen Mord, nicht für einen Verkehrsunfall, nicht in irgendeinem Straf-, sondern in einem Zivilverfahren, für angeblich übertriebene Immobilienbewertungen, über die man sich streiten kann.Eine halbe Milliarde auftreiben zu müssen tut weh, kostet Zeit und Energie, aber die Zauberformel ist damit immer noch nicht gefunden. Donald Trump kandidiert weiter.

Wenn alles nicht mehr hilft, wenn man den bösen Mann nicht des Amtes entheben konnte, die Strafverfolgung mau aussieht, seine Enteignung auch nicht hilft, und er trotzdem oder gerade deswegen weiterhin zur Wahl antritt, sogar noch in den meisten Umfragen führt, dann bleibt nur das direkte Mittel: Was wenn man ihn einfach vom Wahlzettel streicht? Genau das wurde in Colorado und einigen anderen Bundesstaaten versucht und dieser Ansatz hat sich gestern seine Klatsche vor dem Obersten Gerichtshof eingefangen.

Hexenprozess gegen Trump

Grundlage für diese Versuche war der Vierzehnte Verfassungszusatz, 1868 nach dem amerikanischen Bürgerkrieg verabschiedet, der in seinem dritten Artikel vorsieht, dass Personen, die als Amtsträger auf die amerikanische Verfassung geschworen und sich anschließend an einer Rebellion gegen sie beteiligt hätten, keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen, es sei denn der Kongress erlaube es ihnen. Das wurde damals nur wenig durchgesetzt, und 1872 und 1898 wurden Amnestien erlassen, die den meisten ehemaligen Konföderierten im Geiste der Versöhnung wieder das Bekleiden von Ämtern erlaubten. Im Jahre 1978 hielt es der Kongress als Abschluss dieser Versöhnung und in Verbindung mit der angestrebten Versöhnung nach dem Vietnamkrieg sogar für angemessen, dem Präsidenten der Konföderation Jefferson Davis wieder das Bekleiden öffentlicher Ämter zu gestatten – der war freilich schon 1889 verstorben. Zum dritten Artikel des vierzehnten Verfassungszusatzes gibt es deswegen kaum mehr Präzedenzfälle als zu den Emolumentenklauseln. Es sind sonst nie in Anwendung kommende Vorschriften, die man nur gegen eine ganz bestimmte Person aus der Versenkung holen will.

In Colorado klagten formal angeblich republikanische Wähler gegen eine Verletzung ihrer Rechte, wenn der aufgrund des Vierzehnten Verfassungszusatzes ausgeschlossene Donald Trump auf dem Wahlzettel der republikanischen Vorwahlen stünde. Das Verfahren war ein Schnellverfahren vor einem Wahlprüfungsausschuss, das darauf angelegt ist, unter Zeitdruck zu ermitteln, ob ein Kandidat beispielsweise eine hinreichende Anzahl von Unterschriften gesammelt hat und dergleichen formale Qualifikationen. Von da ging es durch die Instanzen bis zum Obersten Gerichtshof des Staats Colorado, der sein Urteil fällte, in dem er Trump in der Tat als amtsunwürdig erkannte und vom Wahlzettel strich. Das Urteil aus Colorado umfasst 213 Seiten, und weil es sich ohnehin erledigt hat, brauchen wir die meisten Teile nicht zu besprechen. Es fällt aber eine leitende Absicht auf, die bei einer Vielzahl von Fragen zu der Anwendbarkeit der Norm jedes Mal zu einem Ergebnis kommt, das einer Streichung Trumps vom Wahlzettel nicht im Wege steht, obwohl jede einzelne dieser Fragen auch zu einem anderen Ergebnis führen könnte.

Eine Frage in diesem Urteil verdient aber unsere Beachtung: Worin genau soll Donald Trumps Rebellion gegen die Vereinigten Staaten gelegen haben? Es handelt sich wieder um die Dreikönigskrawalle 2021. Damit hatte das Gericht wieder das Problem, dass Trump eigentlich dazu aufgerufen hatte, „friedlich und patriotisch“ zu demonstrieren, was nicht verboten ist, schon gar keine Rebellion, dass auch Formulierungen wie „kämpfen wie die Hölle“ normalerweise als politischer, nicht als gewalttätiger Kampf verstanden werden. Das Gericht löste dieses Problem elegant durch einen Experten als Zeugen, einen Soziologen und Extremismusexperten, der aussagte, dass Trump seine Anhänger in einer „gemeinsamen Sprache“ zu Gewalt auffordere, „die es ihm erlaubt eine glaubhafte Abstreitbarkeit gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit zu bewahren.“ Was Trump nicht gesagt hat, ersetzt man also durch einen Soziologieprofessor, der als Experte für extremistische Geheimsprachen aussagt, Trump habe es jedenfalls gemeint. Mit dieser Logik kann man Hexenprozesse führen.

Die letzte Zauberformel

In Maine und Illinois ergingen dann ähnliche Entscheidungen. Die Entscheidung in Illinois wurde in erster Instanz von einer Richterin gefällt, die bis 2021 im Verkehrsgericht kleinere Sachen bearbeiten durfte, danach an eine Art Amtsgericht kam. Der war es schon von der Zeit her gar nicht möglich, die Sache mit der gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten, und so kam sie zu einer eigenen Art der Rechtsfindung. In ihrem Urteil steht einfach, dass die Frage, ob Trump eine Rebellion betrieben habe, schon in Colorado ausführlich entschieden wurde. Sie setzt allerdings noch einen drauf, indem sie Trump nicht nur wegen des Vierzehnten Verfassungszusatzes für unwählbar hält, sondern ihm auch noch einen Meineid vorwirft, weil er mit den Wahlunterlagen beschworen hat, die rechtlichen Voraussetzungen für das Amt zu erfüllen, was falsch sei.

Wie auch schon in den Zivilprozessen um Geld ist der Umstand, dass Trump einen fragwürdigen Vorwurf nicht einräumt, schon der nächste Vorwurf und die nächste Begründung für ein Urteil gegen ihn. Der Richterin war klar, dass sie die Sache nicht entscheiden würde, und so hat sie ihr Urteil gleich bis zur Entscheidung der nächsten Instanz ausgesetzt. Trotzdem: Dass eine Richterin, die bis vor Kurzem noch Rotlichtverstöße bearbeitete, im Schnellverfahren und ohne auch nur den Versuch einer eigenen Analyse und Begründung den führenden Kandidaten um das Präsidentenamt vom Wahlzettel streicht, das ist beachtlich, auch wenn man sich als Richter seine Fälle nicht aussuchen kann.

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat sich nicht mit der Frage befasst, ob Donald Trump eine Rebellion betrieben hat, sondern konnte sich in seinem bezüglich des Ergebnisses einstimmig gefassten Urteil kurzfassen: Der Verfassungszusatz weist dem Kongress, nicht den Einzelstaaten, die Umsetzung der Amtsunwürdigkeit zu. Es wäre absurd, eine Vorschrift, die gerade gegen sezessionistische Umtriebe in Einzelstaaten gerichtet war, so zu interpretieren, dass die Einzelstaaten die Macht hätten, Kandidaten für Bundeswahlen aufgrund dieser Vorschrift vom Wahlzettel zu streichen, womit man dann in unterschiedlichen Staaten unterschiedliche Kandidaten wählen dürfte. Fall erledigt. Uneinigkeit zwischen den Richtern bestand nur dahingehend, dass manchen Richtern schon das zu viel gesagt ist, und es schon reicht, zu sagen, dass die Einzelstaaten jedenfalls nicht die Macht haben, aufgrund der fraglichen Vorschrift Kandidaten auszuschließen. Damit ist die bisher letzte Zauberformel gegen den bösen Mann, der direkte Bannspruch, gescheitert.

Hetzjagd

Vor drei Jahren habe ich Ihnen von der beispiellosen Hetzjagd von Qualitätsmedien, höchsten Repräsentanten der Politik und der Strafjustiz gegen den Teenager Kyle Rittenhouse berichtet, der mit Pech und unglücklichen Entscheidungen in die Lage kam, sich mit der Waffe gegen einen mordwütigen Mob verteidigen zu müssen, dem dann das Leben zur Hölle und der Prozess gemacht wurde. Seine Waffe hat ihm das Leben gerettet, der Rechtstaat seine Freiheit. Die Verfolgung des ehemaligen Präsidenten Donald Trump hat ähnliche Züge wie die gegen den Teenager, aber eine ganz andere und in dieser Form auch beispiellose Dimension. Staatsanwälte stellen sich mit dem Versprechen zur Wahl, einer bestimmten, ungeliebten Person zu schaden. Im Kern gleiche und wiederkehrende Vorwürfe werden ungeachtet ihres früheren Scheiterns immer und immer wieder in anderen Prozessen ausgegraben. Ist an eine strafrechtliche Verurteilung nicht zu denken, dann setzt es rein für den Umstand, dass Trump seine Unschuld beteuert und Vorwürfe auf polemische Weise bestreitet, an die selbst seine Gegner kaum ernsthaft zu glauben scheinen, gleich nochmal achtzig Millionen extra.

Zur Verhinderung von Trumps Kandidatur oder Präsidentschaft wird diese ganze Kampagne aber kaum geeignet sein. Auf so etwas wird fast jeder Mensch einerseits mit Furcht und andererseits mit Zorn und Trotz reagieren. Die Furcht wird Trump dazu raten, dass das Weiße Haus der einzige Ort ist, an dem er sicher sein kann, und der Zorn und der Trotz werden ihm anraten, da jetzt erst recht einzuziehen. Seine in erheblichem Maße vorhandenen negativen, aber eben offenbar trotz intensivster Suche nicht beweisbar kriminellen Charaktereigenschaften werden sich dadurch kaum bessern, die Spaltung der Gesellschaft erst recht nicht. Trump wird seinen Anhängern sagen, durchaus zu Recht: „Sie verfolgen mich, aber sie meinen Euch!“ Und die Gefahr für den Rechtstaat geht eindeutig von anderer Seite als Donald Trump aus.

Was übrigens meint der Spiegel zu der Sache? „Noch ein Wahlgeschenk für Trump“ nennt dieses Blatt es, wenn jemandem nicht einmal schnell das passive Wahlrecht entzogen wird.

 

Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder. 2023 wurde er zum Kentucky Colonel ernannt.

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Leserpost

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S. Malm / 05.03.2024

“Was übrigens meint der Spiegel zu der Sache?”—wen interessiert das?

Patrick Meiser / 05.03.2024

Was machen bloß all die Trump Verehrer wenn ihr ” cofeve-Messias” demnächst verdonnert werden sollte . Ein angeblicher Milliardär, der mit seinem Reichtum prahlt, angeblich > 400 Mio. Dollar cash haben will und dann wenn er zivilrechtlich verdonnert wird gerade mal mit einem Viertel der Schadensumme um die Ecke kommt und bei Gericht bettelt, ihm noch eine Fristverlängerung zu geben, die ausstehenden 300 Mio. aufzutreiben. Eine Großschnauze, die von sich selbst behauptet wie gescheit er sei und bei Gericht den Mund nicht aufkriegt, sich wie Scholz an nichts erinnern kann, und auf einem vorgelegten Foto die Ex-Frau mit der Klägerin verwechselt. Selbst der ehemalige Außenminister hat es deutlich auf den Punkt gebracht , “his head is full of sh**” . Die hardcore-Magas werden natürlich felsenfest zu diesem Clown stehen, aber es gibt genug Konservative, die entweder nicht wählen oder aber den Irren aus Mar-a-Lago verhindern wollen. Das wird ein amüsantes Jahr.

J. Kramer / 05.03.2024

Über 330 Mio. Einwohner und sie rekrutieren nur eine körperlich hinfällige und eine hochgradig narzisstisch deformierte Gestalt für die kommende Präsidentschaftswahl, diese Amerikaner…. Man glaubt es nicht. Meistens findet man an den Staatsspitzen dieser Welt entweder Verbrechertum oder die Psychiatrie. Wenn die Menschheit wirklich noch länger auf diesem Planeten herumkriechen will, und zwar nicht einige Hundert Jahre, sondern ich spreche von einer mindestens sechsstelligen Anzahl von Jahren, dann muss sich daran etwas ändern.

Else Schrammen / 05.03.2024

Nein, Herr Hartke, Ihre Sprache ist unkorrekt. Der Obervein der deutschen Journalisten hat angeordnet, dass seine Mitglieder sich in ihren Reportagen und Berichten dem Sprachduktus der Regierung anzupassen hat. Das Mindeste ist doch wohl, dass jeder brave Untertan sich daran ein Beispiel nimmt. Die Afd ist somit weder “gesichert rechtsradikal “noch “gesichert rechtsextrem”, sie ist im öffentlichen Sprachgebrauch als “gesichert RECHTSEXTREMISTISCH” zu bezeichnen. Wenn die Biden-Administration aber unsere hiesigen Hexenjäger betrachtet, wird sie glatt neidisch. Was die sich in mühseliger Kleinarbeit an zunächst nur einem Bösewicht (auch Teufel, wie er in der Bibel steht), abarbeiten muss, zeigt unsere Nääänzu zusammen mit Pausbäckchen und Diener Haldenwang wie’s geht: ZEWA, Wisch und weg, mit einem Wisch ist alles weg, und der Tisch ist wieder sauber.

Olaf Dietrich / 05.03.2024

Parallelität der Ereignisse. Komisch, was ?? Hier AFD, da Trump. The lunatics are on the grass…..

Jörg Müller / 05.03.2024

Den linken Eliten ist Nichts zu dreckig. Der Zweck heiligt die Mittel. Lügen, Betrügen, Täuschen, Verleumden, Verheimlichen, Verraten bis hin zum Töten (“Nazis” keulen). Das ist die ultimative Ermächtigung, die sich LINKS selbst gibt. Eitel, überheblich, selbstherrlich, rücksichtslos, maßlos, größenwahnsinnig. LINKS sein heißt bereit zu sein jede Regel, jedes Gesetz zu brechen und bereit zu sein die eigene Ideologie durchzudrücken gegen den Widerstand des Gegners, also aller Anderen. Ihr messerscharfer illuminierter Verstand berechtigt sie dazu, Gefühle sind nur im Wege. Das ist für mich eine faschistische Gesinnung. Der Zweck heiligt die Mittel” ist die Antithese zu “Der Weg ist das Ziel”. Es ist nachvollziehbar weshalb Intellektuelle eher für diese Sünde anfällig sind - “Eitelkeit - meine Lieblingssünde!” (Al Pacino in “Im Namen des Teufels”). “

Thomas Kurt / 05.03.2024

@Bernd Hartke: Es beruhigt schon etwas, dass die Amerikaner den Haldenwang nicht beauftragen, Trump einzuordnen. Dessen Ergebnis: Trump “gesichert rechtsextrem” würde allerdings im Gegensatz zu seiner AfD-Aussage in D in den USA wahrscheinlich eine Einordnung der deutschen Schlapphüte als gesichert unzurechnungsfähig zur Folge haben.

Jörg Themlitz / 05.03.2024

Ja, Unrecht ist der Welten Lohn. Während das ZBF sehr großzügig den Wahlkampf von Herrn Biden mit den mir abgepressten Geldern unterstützt, durfte ich mein Trump Base Cap wiederholt selbst bezahlen. An so einige unverständige Blicke habe ich mich gewöhnt. Es sind die gleichen Blicke wie ab 1987, als ich in der DDR den selbstbezahlten Gorbatschow Sticker trug. Wenn ich an Michael Ballweg et al. denke, scheint mir mittlerweile das Risiko einer derartigen Meinungsäußerung von damals und heut gleich zu sein.

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