Letzten Herbst habe ich Ihnen anlässlich des damals eingeleiteten und schließlich erwartbar im Sande verlaufenen Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Donald Trump auseinandergesetzt, dass die Rollen von Trumps Herausforderer Joe Biden und seines Sohnes Hunter in der Ukraine-Affäre weitaus mehr Fragen aufwarfen als der im Amtsenthebungsverfahren erfolglos angeklagte Anruf Trumps bei seinem ukrainischen Amtskollegen. Ein Jahr später und pünktlich zur heißen Phase des Wahlkampfs gibt es dazu neue, pikante Details, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, alldieweil sie aus noch zu beleuchtenden Gründen in den traditionellen wie den sozialen Medien offenbar planvoll verdrängt werden.
Laptop abgegeben und nicht abgeholt
Die Quelle dieser neuen Geschichten ist etwas nebulös. Sie führt über das Boulevardblatt New York Post, das offenbar eine Kopie des Inhalts eines Laptops erhalten hat, der schon im April 2019 in einem Reparaturgeschäft mit einem Wasserschaden abgegeben und nicht mehr abgeholt wurde. Irgendwann ging dann mangels Abholung und Bezahlung der Rechnung das Eigentum an das Geschäft über, welches eine Markierung der Beau Biden Stiftung und interessante Dateien entdeckte. Letzten Dezember ging der Computer dann seines Inhalts wegen an die Ermittlungsbehörden, allerdings offenbar nicht ohne dass der Ladenbesitzer eine Kopie erstellt hätte. Diese Kopie scheint dann Robert Costello, ein Anwalt eines Anwalts von Donald Trump, nämlich des früheren New Yorker Bürgermeisters Rudy Giuliani, zugespielt worden zu sein und hat irgendwie von da aus den Weg an die Öffentlichkeit gefunden und dieses Ziel pünktlich zum Endspurt des Wahlkampfs erreicht.
Woher der Laptop ursprünglich stammt, ist anscheinend bisher nicht bekannt. Wäre er ohne Hintergedanken in der Hoffnung auf Reparatur eingeliefert und vergessen worden, dann wäre das ein bemerkenswerter Fall von Dummheit, Frechheit oder beidem. Bei einem Computer, der Informationen enthält, die möglicherweise den Präsidentschaftswahlkampf entscheiden und dazu noch ihrem Besitzer einen erheblichen Karriereknick oder strafrechtliche Verfolgung einbringen können, würde man eigentlich erwarten, dass der erstens verschlüsselt wäre und zweitens allenfalls dann zu einer Reparatur gebracht würde, wenn es sich um unwiederbringliche Daten handeln würde. In diesem Fall würde man ihn aber nicht vergessen.
Es kann also gut sein, dass da jemand absichtlich eine Kopie gezogen und auf einem Lockvogelcomputer platziert oder ein ausrangiertes Gerät mit dieser Absicht abgegeben hat. Auch eine Fälschung wäre möglich, aber eine Totalfälschung wiederum scheint unwahrscheinlich, denn sonst würde das Biden-Lager die Echtheit der Dateien klarer dementieren. Insofern ist die Echtheit mindestens eines Teils der Daten wohl recht plausibel und eine kriminelle Herkunft zwar möglich, aber keineswegs sicher. Jedenfalls ist bei all meinen folgenden Ausführungen zu beachten, dass die Echtheit einzelner Dokumente nicht bewiesen ist.
Zweifel an Bidens Darstellung der Ukraine-Affäre
Der Inhalt hat es in sich und erinnert in seiner Peinlichkeit teilweise etwas an das berühmte Ibiza-Video, allerdings mit zahlreichen Dateien und möglicherweise strafrechtlicher Relevanz. Eigentlich ins Private würde beispielsweise ein Video gehören, das auf dem Laptop enthalten gewesen sein soll und Hunter Biden angeblich bei sexuellen Handlungen mit einer Frau und dem Genuss von Crack-Kokain zeigt.
Interessanter als die privaten Eskapaden Hunters sind aber seine geschäftlichen. Vor einem Jahr hieß es im Zuge der Ukraine-Affäre noch, dass Hunters Position im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma keinen Einfluss auf die Entfernung des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin durch Joe Biden gehabt haben soll. Letzterer hat, wie öffentlich zugegeben, den Ukrainern ein Ultimatum von einigen Stunden gestellt, ersteren aus dem Amt zu entfernen. Interessanterweise nachdem Schokin im Zuge der Ermittlungen gegen das Unternehmen wegen Korruption entdeckt hat, dass Joe Bidens Sohn Hunter fünfzigtausend Dollar im Monat für eine Position als Aufsichtsrat bekommen hat, ohne jede Erfahrung im Gasgeschäft oder im Management großer Unternehmen zu besitzen.
In einer Email des Burisma-Aufsichtsratsmitglieds Vadym Pozharskyi an Hunter vom 17. April 2015 soll es nun heißen: „Lieber Hunter, danke dafür, dass Sie mich nach [Washington,] DC eingeladen und mir die Gelegenheit gegeben haben, Ihren Vater zu treffen und einige Zeit miteinander zu verbringen.“ Aus diesem Wortlaut geht nicht eindeutig hervor, ob das Treffen damals in der Vergangenheit oder in der Zukunft gelegen hat bzw. ob es überhaupt stattfand. Die E-Mail, sofern echt, wirft aber arge Zweifel an Bidens Darstellung auf, dass die Zahlungen von Burisma an Hunter Biden keinen Bezug zu einer Lobbyarbeit zugunsten Burismas bei Joe Biden gehabt hätte und es insbesondere keine diesbezüglichen Treffen gegeben haben soll.
Dreißig Millionen „nur für Kontaktanbahnungen“
Nicht weniger interessant, und finanziell in anderen Größenordnungen, sind die Emails bezüglich Hunter Bidens Kontakten nach China. In einer Email soll Hunter Biden offenbar von Ye Jianming, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender des wenig transparenten Energiekonzerns CEFC China Energy, zehn Millionen Dollar im Jahr über drei Jahre verlangt haben, und zwar ausdrücklich „nur für Kontaktanbahnungen.“
Eine dem New York Post-Bericht zufolge von Hunter Biden im August 2017 geschriebene E-Mail legt nahe, dass hier noch einmal nachverhandelt wurde: „Der Vorstandsvorsitzende änderte, nachdem wir uns in MIAMI getroffen haben, den Handel IN EIN VIEL LÄNGER ANDAUERNDES UND LUKRATIVERES ARRANGEMENT, eine Holdinggesellschaft zu gründen, die zu 50% MIR und zu 50% ihm gehört. Beraterhonorare sind ein Teil unseres Einkommensstroms, aber der Grund, warum dieser Vorschlag des Vorstandsvorsitzenden so viel interessanter für mich und meine Familie ist, ist, dass wir auch Partner im Eigentum und den Profiten der Investments des J[oint] V[entures] wären.“ Woher die Gesellschaft welches Einkommen beziehen würde, ist unklar, aber klar ist, dass der Autor der Email den Wert höher taxierte als dreißig Millionen Dollar – und das nur für einige Kontaktanbahnungen, die Echtheit dieses Dokuments vorausgesetzt.
Der dynamische Unternehmer Ye Jianming wiederum, mit dem Hunter diesen Handel vereinbart haben soll, wurde in Amerika wegen des Angebots eines millionenschweren Schmiergelds an den Präsidenten des Tschad und einer über politische Kanäle erfolgten Zahlung an den Außenminister von Uganda verurteilt und sitzt anscheinend gerade in China wegen eines Schmiergelds an einen Sekretär der Kommunistischen Partei ein.
Es bleibt erheblicher Erklärungsbedarf
All dies beweist für sich nichts, aber es legt doch etwas nahe. Die Daten könnten allesamt gefälscht sein, aber in diesem Falle würde man eigentlich ein klares Dementi bezüglich ihrer Echtheit erwarten, das bisher nicht gekommen ist. Damit bleibt erheblicher Erklärungsbedarf. Es liegt schließlich nahe, dass mit solchen Geldbeträgen politischer Einfluss gekauft werden sollte, denn für so relativ unschuldigen Plänkeleien wie Händeschütteln und ein Foto, um sich im Glanz Prominenter zu sonnen, zahlen auch Magnaten aus Entwicklungsländern keine zweistelligen Millionenbeträge. Welcher Einfluss genau hier interessant war, ist unklar, denn Joe Biden war 2017 nicht mehr Vizepräsident, auch wenn er natürlich über exzellente Kontakte verfügte und schon damals ein guter Tipp als Präsidentschaftskandidat war.
Die Geschäftspartner wie Burisma und CEFC China Energy bewegten sich jedenfalls unstrittig in einem Sumpf internationaler Korruption.
Neue und selektive Empfindlichkeiten der Medien
Genauso interessant wie die ans Licht gekommenen Daten zum Geschäftsgebaren der Bidens, immer noch unter der Voraussetzung ihrer Echtheit, ist deren Behandlung in den Medien. In der etablierten Qualitätspresse liest man in Amerika wenig, mit der Ausnahme offen zur politischen Rechten tendierender Medien, und in Deutschland liest man noch weniger. Die FAZ berichtete kurz „angeblich verräterische Mail gefunden“, ohne aber deren Inhalte zu referieren. Auch der Spiegel erwähnte die Emails, ohne (jedenfalls vor der Bezahlschranke) auf ihren Inhalt einzugehen, und diskutierte stattdessen allgemein, wie man „mit vermeintlich brisanten Informationen von Hackern“ umgehen solle. Am überraschendsten waren aber die Reaktionen der sozialen Medien, denn sowohl Facebook als auch Twitter haben die Möglichkeit der Weitergabe entsprechender Artikel und ihre Reichweite massiv eingeschränkt, im Fall von Twitter mit explizitem Hinweis auf das Verbot des Verbreitens „gehackter Materialien.“
Diese Empfindlichkeiten bezüglich Informationen mit möglicherweise illegaler Provenienz sind offensichtlich neu und kommen nur zu selektiver Anwendung. Es ist noch nicht einmal klar, ob die Daten wirklich gefälscht oder gestohlen sind, oder ob nicht wirklich ein legitimer Besitzer des Laptops ihn abgegeben und nicht abgeholt hat. Bei der Veröffentlichung von angeblichen, vermutlich echten und vermutlich gestohlenen Steuererklärungen des Präsidenten Trump im letzten Monat war von irgendwelchen Gewissenbissen der traditionellen Medien wie der sozialen Netzwerke nichts zu merken, obwohl der Inhalt eigentlich privater und unspektakulärer war, nämlich dass ein Immobilienmagnat Schulden zur Finanzierung seiner Geschäfte machte und Jahre mit Verlusten hatte.
Die neuartigen Gewissenbisse der Medien scheinen ohnehin nicht zu greifen, wenn es um Präsident Trump geht. Der Atlantic veröffentlichte die Behauptung, Trump habe das Andenken gefallener Soldaten beleidigt. Zitiert wurde aus einer angeblichen Privatkonversation, die von zahlreichen Zeugen dementiert wurde. Die New York Times veröffentlichte unter ausschließlicher Berufung auf anonyme Quellen die Behauptung, dass Russland ein Kopfgeld auf amerikanische Soldaten ausgesetzt habe und die Regierung Trump nichts dagegen tue. Der von Trump vorgeschlagene und mittlerweile bestätigte Richter am Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, wurde in der Art eines Hexenprozesses mit von den Medien kritiklos ausgewalzten und vollständig unbestätigten Vorwürfen eines sexuellen Übergriffs auf einer Party während seiner Schulzeit konfrontiert. Nichts davon wurde bis zum Vorliegen von Beweisen, also vermutlich bis zum St. Nimmerleinstag, verschwiegen und gesperrt.
Es sind im Übrigen seit jeher sowohl Sternstunden des Journalismus wie die Pentagon Papers oder die ‚Bedingt abwehrbereit‘-Geschichte, die zur Spiegel-Affäre führte, die auf die Verwendung zugespielter Informationen zurückzuführen sind, ohne dass sich daran jemand gestört hätte. Ohne zugespielte Informationen gäbe es praktisch keinen investigativen Journalismus.
Man muss sich über QAnon nicht wundern
Nun haben die traditionellen Medien ohne Frage die redaktionelle Freiheit, Themen mit oder ohne gute Gründe auszuwalzen oder zu ignorieren. Sie dürfen sich selbstverständlich dafür entscheiden, ihre Glaubwürdigkeit untergraben, indem sie die Nachrichtenredaktion als erweiterten Arm der Meinungsseiten erscheinen lassen.
Die sozialen Netzwerke scheinen mir wesentlich schwerwiegender ihre Glaubwürdigkeit und ihr Geschäftsmodell zu untergraben. Das beruht nämlich auf der Neutralität. Das Netzwerk schafft die Infrastruktur, und die Benutzer selber schaffen und teilen die Inhalte, welche das Netzwerk dann versilbern kann, ohne sie schaffen zu müssen. Das ist sehr praktisch, denn so wird die Wertschöpfung an die Benutzer ausgelagert, ohne dabei Kosten für Erstellung oder Prüfung der Inhalte zu haben. Dabei übernehmen die Netzwerke weder eine journalistische noch eine rechtliche Haftung für die Inhalte, sind von einer solchen weitgehend befreit und verdienen sich eine goldene Nase damit. Diese privilegierte Position wird kaum zu halten sein, wenn die Netzwerke nun aus politischen Gründen lieber eine redaktionelle Prüfung und Selektion von Fakten und Meinungen betreiben wollen, damit aber der Verantwortung für diese Entscheidungen kaum ausweichen können werden.
Gleichzeitig muss man sich über das Wachstum abstruser Verschwörungsplattformen wie QAnon eigentlich nicht wundern, denn das ihnen zugrundeliegende Gefühl, dass die traditionellen wie die sozialen Medien in eine bestimmte Richtung zugunsten bestimmter Eliten gefiltert würden, ist soweit offensichtlich nicht ganz unzutreffend.
Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder. Er betreibt ein Blog mosereien.org.