Wolfgang Röhl / 05.07.2011 / 21:39 / 0 / Seite ausdrucken

On the border. Dänemark kriegt Haue

Dänemark war der Deutschen Darling, solange es die Schnauze hielt. Beziehungsweise diese nur aufmachte, um Nettigkeiten in niedlichem Dialekt zu äußern. Gitte (heute: Frau Haenning) liebten wir. Vivi Bach natürlich auch, und diese komischen roten Würstchen. Sogar richtige Pornos gab es im Königreich, als wir bei uns nur diese soften Sexhefte kaufen durften! Wir hatten außerdem viel gut zu machen an diesem Land, das so sozial und superliberal schien und allem Randständigen aufgeschlossen, wie es sich die deutschen Linken immer für die Bundesrepublik erträumt hatten. Gab es da nicht diese „Freistadt Christiania“ in Kopenhagen, wo man Shit und mehr kaufen konnte und die Bullen nichts zu melden hatten?

Ganz gut unter der medialen Decke gehalten wurde eine Zeitlang, wie die Dänen es schafften, ihre Schluffis aus der sozialen Hängematte zu holen. Fordern und fördern (in dieser Reihenfolge) hieß das Programm, aber das passte nicht so gut in die ver.di-Republik Deutschland. Es funktionierte in Dänemark prima, wurde aber zum Import bei uns nicht empfohlen. Dänemark galt hierzulande immer nur dann als Vorbild, wenn es orthodox sozialdemokratisch war.

Einen schweren Knacks kriegte das Verhältnis D-DK, als sich ein Zeichner von der Zeitung „Jyllands Posten“ erfrechte, Mohammed-Karikaturen zu verfertigen. Das ging gar nicht. Dass er fortan bei Islamisten auf der Todesliste stand, hatte er sich das nicht irgendwie selbst zuzuschreiben?

Jetzt wollen die Dänen ihre Grenzen wieder ein bisschen kontrollieren. Welcher innerdänische Politdeal auch immer dahinter steckt („Rechtspopulisten“ haben das durchgesetzt, meldet heute die „Tagesschau“, die nie den Begriff „Linkspopulisten“ benutzt, zum Beispiel für Gysi oder Gabriel), welche Gründe also auch immer die Dänen haben mögen (ich könnte mir ein paar vorstellen), etwas mehr darauf zu achten, wer in ihr kleines Land einreist und warum – mir ist´s wurscht. Ich bin viele Jahre durch Kontrollen an der deutsch-jütländischen Grenze gefahren, auch mal mit viel zu viel Alkoholika erwischt worden. Nebbich. Lange warten musste ich nie, nicht mal in der Hochsaison. Auf eine Fähre in Norwegen wartest du länger.

Die üblichen deutschen Guttuer möchten die Dänen jetzt grillen. Es gibt bereits Empfehlungen an Dänemark-Urlauber, das Land zu boykottieren. Der weltweit in Hessen bekannte „Europaminister“ Jörg Uwe Hahn rief dazu auf. Der schleswig-holsteinische FDP-Dampfschwätzer Wolfgang Kubicki war der Idee auch nicht abgeneigt. Der Fall Haider/Österreich grüßt. Kleines Land, großer Druck, das muss doch irgendwie funktionieren.

Zeit also, sofort die Siebensachen zu packen und nach Dänemark aufzubrechen. Die Wettervorhersage ist günstig! Und: Dänemark mag jetzt wieder die Grenzen besser im Auge haben. Es kennt aber keine Kurtaxe-Sheriffs.

 

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