Die Schocknachricht während des Feiertags-Marathons lautet: Immer mehr alte Menschen trinken immer mehr Alkohol. Und sie nehmen auch immer mehr Tabletten ein. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans spricht bereits von einer Suchtsituation. Anders gesagt: Es gibt nicht nur das Koma-Saufen der Jungen, es gibt auch das Oma-Saufen und Opa-Saufen. Eine bittere Erkenntnis, mit der wir uns im neuen Jahr dringend auseinandersetzen müssen.
Nun kann man es sich leicht machen und mit dem Dichter sagen: “Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben.” Und für die Neuzeit ergänzen, da Wilhelm Busch ja die Gleichberechtigung noch nicht kannte: “Auch alte Mädchen lieben ihn, weshalb sie gern den Korken ziehn.”
Aber man sollte doch tiefer bohren und sich fragen: Was treibt die alten Knaben und die alten Mädchen denn zu Wein, Bier und Gesang? Könnte es sein, dass sie sich einfach einen Jux machen wollen? Dass sie sagen: Auf meine alten Tage hau ich nochmal auf die Pauke? Wer weiß, wie lang die Welt sich für mich noch dreht?
Ja, das könnte sein. Aber darf es sein? Darf man sie lassen? Was sollen die Mittelalten denken, die im Schweiße ihres Angesichts, bei Stress und schlechter Laune für das Drittauto arbeiten müssen, wenn die Alten einfach Spaß haben? Wenn sie singen: In München steht ein Hofbräuhaus… . Oder: Trink mer noch ein Dröppsche… . Oder: Westfalenland, Westfalenland, ist wieder außer Rand und Band. Oder Ähnliches. Verspüren unsere Senioren denn gar nicht mehr die Pflicht zu würdevoller Langeweile? Können sie sich nicht wenigstens so ordentlich benehmen, wie ihre Kinder es von ihnen verlangen? Wo sind die Zeiten geblieben, als die Jungen noch sangen: “Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen… ?”
Ach, alles fließt - leider auch in die Seniorenkehlen. Und es ist zu befürchten, dass die Alten nicht einsichtig sondern altersstarrsinnig sind. Im Zweifel sagen sie: Alles gut und schön, aber ich genehmige mir erst mal noch ein Gläschen. Pädagogische Maßnahmen sind wohl zum Scheitern verurteilt.
Was also tun, wo gute Worte versagen? Muss der Gesetzgeber tätig werden? Ja, aber nur, wenn andere Mittel versagt haben. Zunächst sollte man die Alten zu anderen, altersgerechten Vergnügungen anhalten, die sie von Wein, Bier und Schnaps ablenken. So sollte man die bewährten Kaffeefahrten unbedingt weiter ausbauen. Auch der Seniorentanz, vor allem in Form von langsamem Walzer und Slowfox, sollte staatlich gefördert werden. Abzulehnen ist der Vorschlag einiger Altgrüner, die den Senioren erhöhte sexuelle Aktivität als Ersatzdroge empfehlen wollen. Dies sei den 45-jährigen, die selber keine Zeit für Sex haben, nicht zuzumuten. Wo kämen wir hin, wenn Mama und Papa aus arbeitsökonomischen Gründen abstinent leben und Oma und Opa es den Hasen nachmachen! Das hieße die Generationen-Ungerechtigkeit auf die Spitze treiben.
Nein, wenn Kaffeefahrten und langsamer Walzer nicht ausreichen, um Alkoholfreiheit im Alter sicherzustellen, ist eben doch der Gesetzgeber gefragt. Das Alkoholverbot, das für Personen unter 18 Jahren gilt, sollte sich ohne große juristische Komplikationen auf Personen über 65 ausweiten lassen. Notfalls kann man ja zum Mittel einer Teilentmündigung greifen.
Doch nun zum anderen drängenden Problem, zum hohen Medikamentengebrauch im Alter. Hier ist noch viel Forschungsarbeit nötig, denn es handelt sich um eine außerordentlich komplexe Frage. Man wird wohl eine Ethik-Kommission einsetzen müssen, die versucht zu klären, warum ältere Menschen mehr Medikamente nehmen als beispielsweise 30-jährige. In ärztlichen Kreisen wird zwar gelegentlich darauf hingewiesen, dass ältere Menschen öfter krank sind und möglicherweise darum mehr Medikamente brauchen. Aber diese Einschätzung gilt noch als vorläufig. Es besteht schließlich auch die Möglichkeit, dass die Medikamente einfach zu gut schmecken und darum so ausgiebig gelutscht und geschluckt werden. Eine endgültige Entscheidung in dieser Sache wird es erst geben, wenn der 937 Seiten starke Bericht der Ethikkommission vorliegt.
So lange müssen wir uns in dieser Sache noch gedulden. Aber man kann ja schon mal damit anfangen, den alten Knaben und Mädchen den Rotwein wegzunehmen.