Jetzt haben wir tatsächlich einen neuen Bundeskanzler. Sogar einen mit Glatze. Die Geschlechtsumwandlung im Amt ist vollzogen. Wer in diesem Jahrhundert zur Welt gekommen ist, muss im Glauben aufgewachsen sein, das Amt des Regierungschef sei Frauensache.
Buben des Jahrgangs 2005 und jünger dürften sich in 16 Merkel-Jahren darauf eingerichtet haben, dass da eine gläserne Decke über ihnen hängt, die sie wohl kaum durchstoßen werden. Aber jetzt haben sie in Olaf Scholz doch wieder ein Rollenvorbild gefunden: Mit etwas Glück im Unglück kann man es auch als Knabe schaffen.
Wir Älteren wissen natürlich, dass die Merkel-Generation auf den Schultern vieler Vorgänger-Generationen steht. They didn't start the fire, um Billy Joel zu zitieren. Vor Angela Merkel gab es eine Generation Kohl. Die hat sich aus irgendwelchen, vielleicht aus optischen Gründen nicht so genannt. Dabei war Helmut Kohl genauso lange im Amt wie sein Mädel. Und er hat für sie eigens die DDR-Grenze abgeschafft, damit sie ihn im Westen einholen konnte. Nein, man sprach lieber von der Generation Golf, weil damals das Autofahren noch nicht geächtet war. Und weil das Willy Brandt und Helmut Schmidt mit einschloss.
Generation Käfer? Generation Adenauer?
Ich gehöre als lebensälterer Mitbürger noch zur Generation Käfer, obwohl ich damals eine Ente gefahren habe. Generation Adenauer? Hat man auch nicht gesagt. War zu spießig, obwohl die Generation Adenauer auch die Generation Elvis ist. Konrad Adenauer – mit seinen 14 Amtsjahren der Pionier des deutschen Kanzler-Marathons – war zwar kein Elvis Presley-Fan. Aber er hat dafür gesorgt, dass die Bundesrepublik nach Westen, also in Richtung Rock'n'Roll schaute.
Im Rückblick fällt – um kurz auf den Ausgangspunkt zurückzukommen – natürlich auf, dass Angela Merkel unter Gender-Gesichtspunkten ein Unikat war und Olaf Scholz eindeutig Retro ist. Ein Normalo. Aber fast wäre es gar nicht dazu gekommen. Wenn Annalena Baerbock sich nicht so dämlich angestellt hätte, wäre es zu einem Frauen-Kontinuum an der Spitze der Regierung gekommen. Tja, Künstlerinnenpech. Weil sie den Grünen den Weg ins Kanzleramt vermasselt hat, muss sie zur Strafe nun als Außenministerin Putin und Erdogan besuchen.
Die Frage ist, ob es jetzt eine Generation Scholz geben wird. Wieder 16 Jahre? Wenn Scholz es schafft, sein wackeliges Dreierbündnis volle vier Jahre über die Runden zu bringen, hat er sich einen Orden verdient, den er vielleicht noch nicht hat. Nein, es wird wohl eher eine Generation E-Auto oder eine Generation No Car werden.
Schmeißt die Kerle raus!
Und hoffentlich eine Generation Regierungswechsel. Der Nachwuchs soll staunend erleben, dass ein Regierungswechsel in einer Demokratie das Normalste von der Welt ist. Schmeißt die Kerle raus, wie die Amerikaner das Kernelement ihrer Demokratie beschreiben. Länger als acht Jahre darf keiner im Weißen Haus verweilen, also höchstens einen halben Merkel beziehungsweise einen halben Kohl.
Nach insgesamt 32 Kohl-Merkel Jahren – mit sieben Schröder-Jährchen dazwischen – darf man wohl so ein klassisches Stück Demokratie wagen. Selbst auf die Gefahr hin, dass es schlechter kommt. Wer wagt, gewinnt nicht immer. Aber wenn es schlechter kommt, dann wäre das Gute daran, dass es schon bald wieder eine neue Regierung gäbe, in der Hoffnung, dass was Besseres nachkommt. Wie in einer richtigen Demokratie.
Jedenfalls haben wir jetzt, man mag es kaum glauben, einen neuen Kanzler. Dass ich das auf meine alten Tage noch erleben darf!