Ja, Obama ist schuld, aber wir machen doch alle den gleichen Bockmist. Nur eben in Euro.
Sehr geehrter Herr Dr. Weimer, Gratulation zu diesem Artikel. Vielleicht sind Sie der einzige deutsche Journalist mit diesem Durchblick und dem Mut, die Wahrheit zu sagen: Obama ist nicht gütig, er ist inkompetent und treibt die einzige uns nahestehende Weltmacht in den Abgrund. Vielen Dank.
Eine Perspektive auf eine Krise kann in vielerlei Hinsicht einseitig oder gar falsch sein. Möglicherweise hat die USA gar nicht nur mit einer Schuldenkrise, sondern vor allem mit einer Demokratiekrise zu kämpfen. Und möglicherweise bedingt sich beides gegenseitig. Der Friedensnobelpreisträger Obama hat viel versprochen und wenig gehalten. Guantanamo wurde immer noch nicht geschlossen, der Sicherheitsapparat hat sich verselbständigt und entzieht sich der demokratischen Kontrolle, die Finanzbehörde schnüffelt bei Bürgern nach deren politischen Gesinnung und die Presse ist nicht mehr in der Lage ihre Informanten zu schützen. Letzteres kann man inzwischen auch in GB begutachten, siehe Guardianvorfall. Und was passiert im amerikanischen Parlament ? Eine vergleichsweise kleine, aber mächtige Gruppierung innerhalb einer der beiden grossen politischen Parteien ist in der Lage ein riesiges Land quasi in eine Art finanziellen Schwitzkasten zu stecken. Eine gut funktionierende Demokratie schaut anders aus. Und ist diese “ungestüme” Tea Party Bewegung wirklich das letzte tapfer kämpfende Bollwerk gegen einen drohenden Schuldenkollaps ? Das Staats- und Gesellschaftsverständnis von Sarah Palin und Co. ist fest im 19. Jahrhundert verwurzelt. Die Heirat gleichgeschlechtlicher wird als Angriff auf die “amerikanische Familie” angesehen, während das Tragen von Feuerwaffen die “amerikanische Familie” angeblich beschützt. Eine gesetzliche Krankenversicherung ist in deren Augen eine Art kommunistisches Manifest, welches die individuelle Verantwortung des Bürgers untergräbt. Bei all ihren politischen Forderungen beziehen sie sich entweder auf die Bibel und/oder auf die amerikanische Verfassung. Lediglich vom amerikanischen Verfassungsgericht hält man nicht viel, dieses hatte Obamacare für verfassungsgemäss erklärt, was die Tea Party aber nicht weiter störte. Die Deutungshoheit über die Verfassung soll woll Chefsache bleiben. Zwischen 2001 und 2009 ist die Staatsverschuldung unter dem Republikaner Bush um 67%(!) gestiegen. Im Vergleich zu seinem Vorgänger hätte Obama also noch die Chance - bei entsprechender Politik - als Sparfuchs in die Geschichte einzugehen. Aber wo war das tapfere kleine Bollwerk zwischen 2001 und 2009, wo kämpfte man dort gegen die Staatsverschuldung an ? Der bekannte amerikanische Diplomat John Kornblum hat vor kurzem bei “Anne Will ” in einem längeren Wortbeitrag in aller Gemütsruhe dargelegt, daß es der Tea Party um vieles geht, aber nicht unbedingt um Krankenversicherung oder Staatsverschuldung. Es gibt in der Frage der Verantwortung für die Schuldenkrise keinen Unschuldigen in der amerikanischen Politik. Beide Parteien und deren jeweiligen Strömungen haben zu der heutigen Situation beigetragen. Die Forderung nach einer veränderten Steuerpolitik und Ausgabenkürzungen(Militär ...) ist sicher nicht verkehrt, ich stelle mir aber noch eine ganz andere Frage. Ist das derzeitige amerikanische Demokratieverständnis und die aktuelle politische Kultur überhaupt in der Lage, so etwas wie eine Schuldenkrise zu lösen ?
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