Wolfram Weimer / 12.10.2013 / 20:50 / 3 / Seite ausdrucken

Obama trifft die Schuld(enkrise)

Die Haushaltskrise in den USA wird hierzulande als ein politischer Amoklauf des konservativen Parlaments mißvestanden. In Wahrheit trägt Obama die Verantwortung für eine eskalierende Staatsverschuldung, die nicht mehr tragbar ist

“Cowboys”, “Amokläufer”, “Extremisten”, “verrückte Neo-Cons” - jede Beschimpfung scheint passend für die republikanischen Parlamentarier, die sich Obamas Schuldenpolitik in den Weg stellen. Europas Medien haben sie als die Bösewichter ausgemacht und zeichnen den amerikanischen Haushaltsstreit in einem merkwürdigen Licht: eine ungestüme Tea-Party-Truppe wolle ihren Staat und hernach die ganze Weltwirtschaft in den Abgrund stürzen lassen, nur weil ihnen die neue Krankenversicherung des sozialen und gütigen Präsidenten nicht passe. Diese Perspektive auf die Krise ist nicht nur einseitig, sie ist richtig falsch.

In Wahrheit geht es nicht um wild gewordene Tea-Party-Politiker, sondern um eine wild gewordene Staatsverschuldung. Die Mehrheit des amerikanischen Kongresses will einfach nicht mehr mitmachen bei der eskalierenden Schuldenpolitik. Man sollte das Anliegen der Parlamentarier ernst nehmen, denn sie adressieren ein gefährliches Problem aller westlicher Staaten – dass die Kredittürme unserer Demokratien zu groß geworden sind und wanken. Der Kongreß stoppt die amerikanische Staatsmaschinerie für ein paar Tage wie in einem demonstrativen Akt, dass dieser exzessive Schuldenstaat auch grundsätzlich gestoppt werden muss.

Die offizielle Verschuldung der USA ist auf sagenhafte 16,7 Billionen Dollar gestiegen. Damit hat sich Amerika in wenigen Jahren so stark verschuldet wie nie ein Staat zuvor in der Menschheitsgeschichte. Die Dimension der amerikanischen Schulden sprengt alle Kategorien der Vernunft wie des Vertrauens. An jedem einzelnen Tag machen die USA 3,5 Milliarden Dollar neue Schulden. Nur glühende Obama-Optimisten können hoffen, dass das dauerhaft gut gehen wird. Da auch niemand mehr ernsthaft an die Rückzahlung dieser unfaßbaren Summen glaubt, begeben wir uns mit Amerika in eine gewagte Situation, bei der jeder davon ausgeht, dass es irgendwann einen Schuldencrah geben wird, aber alle so tun, als wäre das Problem nicht da. Das Parlament ist also nicht verrückt, es steht vielmehr gegen eine historische Verrücktheit auf.

Bei Obamas Amtsantritt 2009 betrug die US-Staatsschuld noch 10,6 Billionen Dollar. Die sechs Billionen neue Schulden in einer guten Legislaturperiode sind ein historisches Fanal. Obama hat damit so viele Schulden angehäuft wie alle amerikanischen Regierungen von George Washington bis Bill Clinton zusammen genommen.

Gewiss, er hat Kriege und Krisen geerbt, die viele Milliarden verschlungen haben – und er ist uns Europäern sympathischer als sein Vorgänger. Gleichwohl neigt er dazu, Politik mit dem Scheckbuch zu betreiben und das Systemrisiko der Überschuldung nicht zu erkennen.

Das aber rächt sich angesichts der Dimensionen des Kreditmonopolys. Obama könnte die Tea Party-Opponenten ignorieren, wenn seine Regierung einfach nur so viel ausgeben würde, wie sie einnimt. Tatsächlich aber gibt sie jedes Jahr mehr als 1000 Milliarden Dollar zu viel aus. Jedes vernünftige Parlament der Welt würde in Anbetracht dieser Lage nach einer Notbremse suchen. Und genau darum geht es jetzt:
Um eine ordnungspolitische Verzweiflungstat und um die Frage, wie viel Staat unsere modernen Demokratien in diesem Jahrhundert wirklich brauchen, sich noch leisten können und - vor allem - ertragen. Die Überschuldung der westlichen Demokratien ist jedenfalls ein Alarmindikator für die Überdehnung der Staatsfunktionen. Das Problem des “Big Government” steht akut auf der Agenda der Weltpolitik.

Man kann nur hoffen, dass Washington mit dieser Krise endlich zu einer Generalumkehr findet. Amerika bräuchte ein großes Soliditätsprogramm. Dies müsste Steuererhöhungen ebenso beinhalten wie Ausgabenkürzungen – insbesondere beim Militär. Doch das ist mit Obama nicht in Sicht. Stattdessen schmiert die amerikanische Notenbank die monströse Schuldenmaschine mit immer neuem Geld. Die wunderbare Geldvermehrung des “quantitative easings” (QE) kauft zwar Zeit. Doch der Zahltag wird kommen. Mit jeder Verlängerung des QE-Programms – und die neue Fed-Präsidentin verkörpert das geradezu – steigt in Wahrheit das Risiko eines Vertrauensschocks. Denn wenn der Glaube an diese wunderbare Geldvermehrung irgendwann schwindet, droht eine global-ökonomische Katastrophe. Obama ist am “defining moment” seiner Präsidentschaft angelangt.

Zuerst erschienen auf Handelsblatt Online

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Leserpost

netiquette:

Charly Klevermann / 14.10.2013

Ja, Obama ist schuld, aber wir machen doch alle den gleichen Bockmist. Nur eben in Euro. 

Hans Wegener / 13.10.2013

Sehr geehrter Herr Dr. Weimer, Gratulation zu diesem Artikel. Vielleicht sind Sie der einzige deutsche Journalist mit diesem Durchblick und dem Mut, die Wahrheit zu sagen: Obama ist nicht gütig, er ist inkompetent und treibt die einzige uns nahestehende Weltmacht in den Abgrund. Vielen Dank.

Christopher Reiss / 13.10.2013

Eine Perspektive auf eine Krise kann in vielerlei Hinsicht einseitig oder gar falsch sein. Möglicherweise hat die USA gar nicht nur mit einer Schuldenkrise, sondern vor allem mit einer Demokratiekrise zu kämpfen. Und möglicherweise bedingt sich beides gegenseitig. Der Friedensnobelpreisträger Obama hat viel versprochen und wenig gehalten. Guantanamo wurde immer noch nicht geschlossen, der Sicherheitsapparat hat sich verselbständigt und entzieht sich der demokratischen Kontrolle, die Finanzbehörde schnüffelt bei Bürgern nach deren politischen Gesinnung und die Presse ist nicht mehr in der Lage ihre Informanten zu schützen. Letzteres kann man inzwischen auch in GB begutachten, siehe Guardianvorfall. Und was passiert im amerikanischen Parlament ? Eine vergleichsweise kleine, aber mächtige Gruppierung innerhalb einer der beiden grossen politischen Parteien ist in der Lage ein riesiges Land quasi in eine Art finanziellen Schwitzkasten zu stecken. Eine gut funktionierende Demokratie schaut anders aus. Und ist diese “ungestüme” Tea Party Bewegung wirklich das letzte tapfer kämpfende Bollwerk gegen einen drohenden Schuldenkollaps ? Das Staats- und Gesellschaftsverständnis von Sarah Palin und Co. ist fest im 19. Jahrhundert verwurzelt. Die Heirat gleichgeschlechtlicher wird als Angriff auf die “amerikanische Familie” angesehen, während das Tragen von Feuerwaffen die “amerikanische Familie” angeblich beschützt. Eine gesetzliche Krankenversicherung ist in deren Augen eine Art kommunistisches Manifest, welches die individuelle Verantwortung des Bürgers untergräbt. Bei all ihren politischen Forderungen beziehen sie sich entweder auf die Bibel und/oder auf die amerikanische Verfassung. Lediglich vom amerikanischen Verfassungsgericht hält man nicht viel, dieses hatte Obamacare für verfassungsgemäss erklärt, was die Tea Party aber nicht weiter störte. Die Deutungshoheit über die Verfassung soll woll Chefsache bleiben. Zwischen 2001 und 2009 ist die Staatsverschuldung unter dem Republikaner Bush um 67%(!) gestiegen. Im Vergleich zu seinem Vorgänger hätte Obama also noch die Chance - bei entsprechender Politik - als Sparfuchs in die Geschichte einzugehen. Aber wo war das tapfere kleine Bollwerk zwischen 2001 und 2009, wo kämpfte man dort gegen die Staatsverschuldung an ? Der bekannte amerikanische Diplomat John Kornblum hat vor kurzem bei “Anne Will ” in einem längeren Wortbeitrag in aller Gemütsruhe dargelegt, daß es der Tea Party um vieles geht, aber nicht unbedingt um Krankenversicherung oder Staatsverschuldung. Es gibt in der Frage der Verantwortung für die Schuldenkrise keinen Unschuldigen in der amerikanischen Politik. Beide Parteien und deren jeweiligen Strömungen haben zu der heutigen Situation beigetragen. Die Forderung nach einer veränderten Steuerpolitik und Ausgabenkürzungen(Militär ...) ist sicher nicht verkehrt, ich stelle mir aber noch eine ganz andere Frage. Ist das derzeitige amerikanische Demokratieverständnis und die aktuelle politische Kultur überhaupt in der Lage, so etwas wie eine Schuldenkrise zu lösen ?  

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