Burkhard Müller-Ullrich / 27.06.2012 / 18:55 / 0 / Seite ausdrucken

Nicht zum Hinsehen: Bundeskanzlerin im Stadion

Eigentlich sollten die Kameras pietätvoll wegschwenken, wenn die Kanzlerin sich freut. Denn das sieht schon nach einem klinischen Fall aus – in der Zeitlupe zumindest. Die Handflächen einwärts gekrümmt, die Schultern hochgezogen, der ganze Körper in einer Art Starrkrampf – so präsentiert sich Angela Merkel in ausgelassenen Momenten. Wenn sie jubelt, ist es, als hätte sie das Jubeln gerade im Rahmen einer Elektroschocktherapie gelernt: übertrieben ekstatisch, eckig und statisch, eine fleischgewordene Blockade. Wenn sie die Arme hochreißt, ist es, als gäbe es in Kopfhöhe einen festen Anschlagspunkt; deswegen reißt sie die Arme nur andeutungsweise hoch – wie jemand, der, anstatt „hurra!“ zu schreien, ständig ruft: „Mir ist, als möchte ich hurra schreien; mir ist, als möchte ich hurra schreien!“

Diese Körpersprache des Gehemmtseins hat etwas Mitleiderregendes. Das Gestenvokabular dieser Frau ist zum Fremdschämen. Schließlich handelt es sich nicht um eine Mitschülerin, die sich den häßlichen Hänseleien einer Schulklasse ausgesetzt sieht, sondern um die mächtigste Politikerin Deutschlands. Man schaut sie an und versteht sofort, daß diese Körpersprache etwas anderes ausdrückt als bloß Unbeholfenheit oder Muskelschwäche. Es ist die somatische Seite eines generellen Kommunikationsdefekts. So wie Merkels Reden von verbalem Krampf geprägt sind, so wirken ihre Bewegungen wie eine Abfolge von Spasmen.

Man fragt sich auch, ob jemand, der mit dem eigenen Bewegungsmanagement so heillos überfordert ist, die Fähigkeit besitzt, andere Menschen und Dinge in jedem Sinne zu bewegen. Und es geht ja nicht nur um Expression, sondern auch um Wahrnehmung: Wie steht es um die emotionale Intelligenz bei jemandem, dessen Emotionsbandbreite so erkennbar reduziert ist? Gerade in der Politik kommt es doch darauf an, auf der Empfindungs-Klaviatur zu spielen.

Die starre Merkel-Mechanik in Mimik und Gestik umfaßt da nur ein sehr kleines Repertoire: die knetenden Hände gehörten von Anfang an dazu, jetzt kennt die Öffentlichkeit auch den Freudensprung gegen eine imaginäre Betonplatte. Und die Öffentlichkeit spürt, daß so jemand die Dinge des Lebens nie adäquat erfassen und verarbeiten kann.

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