Von Volker Seitz
Wer von dem neuen FDP Entwicklungsminister Dirk Niebel Signale in Richtung einer Reform der Entwicklungspolitik erwartet hat reibt sich verwundert die Augen. Er empfängt als einen der ersten Gesprächspartner den Popbarden Bob Geldof der sich als das soziale Gewissen der Afrikahilfe vermarktet. Bob Geldof und seine Lobbyorganisation ONE stehen ungeachtet der mäßigen Ergebnisse in den letzten 50 Jahren für mehr Milliarden für den Business der Barmherzigkeit. Folgerichtig möchte der Minister für 2010 die ansehnliche Summe von 300 Millionen Euro mehr.
Kurz danach erklärt der Minister in einem FAZ-Interview, dass das 0,7 Ziel( d.h. der Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungshilfe soll 0,7 Prozent am Bruttonationaleinkommen eines Landes betragen) sei völkerrechtlich verbindlich. Da haben ihm Bob Geldof oder sein Ministerium einen Streich gespielt. Dieses magische 0,7 Prozent Ziel wird von den Lobbyisten gerne als Keule benutzt. In Wahrheit geht es auf eine Resolution (ohne Abstimmung) zur Entwicklungsfinanzierung von 1970 zurück. Diese Richtgröße stammt aus dem Pearson Bericht. Die Vorgängerin von Dirk Niebel unterzeichnet im Mai 2005 in Brüssel eine EU Absichtserklärung, demzufolge das 0,7 Prozent-Ziel bis 2015 umgesetzt werden soll.
Vor der Wahl hatte die FDP für eine gründlich Reform der Entwicklungspolitik versprochen. Defizite in der Entwicklungshilfe sollten Schritt für Schritt benannt und die Mittel dorthin gelenkt werden, wo sie tatsächlich gebraucht werden. Aber auch im BMZ drückt man sich vor der Debatte, aus Angst, der Job könnte überflüssig werden. Bevor mehr Geld gefordert wird sollte erst geprüft werden, ob die gut gemeinte Hilfe von außen eine Eigendynamik ausgelöst hat.Länder die sich anstrengen, sollten belohnt werden. Wie viel Geld dazu benötigt wird kann erst nach einer gründlichen Fehleranalyse berechnet werden.
Gewiss muß akute Nothilfe geleistet werden. Grundsätzlich aber mehr Entwicklungshilfe zu forden ist ein Irrweg. Die Bevölkerungen der armen Länder bekommen keine wirklichen Chancen. Viele afrikanische Politiker lehnen sich zurück und haben keine Vorstellung von der Zukunft ihres Landes und davon wie sie Wachstum und Jobs schaffen. Sie nutzen aber das Elend der Bevölkerung systematisch als Ressource. Inzwischen sagen auch viele Afrikaner, darunter auch der ruandische Präsident, dass das Engagement westlicher Staaten Afrika nicht vorangebracht hat. Wäre es nicht wichtiger mit kritischen Afrikanern und Afrikanerinnen zu sprechen als mit europäischen Lobbyisten?
Ich sollte auch daran erinnern, dass die FDP bereits 2006 eine Wirksamkeitskontrolle der Entwicklungshilfe gefordert hat. Sie sollte sicherstellen, dass demokratische, freie Staaten entstehen, in denen jeder Einzelne sich und die Seinen mit seiner Hände Arbeit ernähren kann. Diese Kontrolle sollte nach Auffassung der FDP –damals noch in der Opposition-
durch eine Art Rechnungshof sichergestellt werden. Nur noch Staaten sollten unterstützt werden, die sich einem umfangreichen Reformprogramm verpflichtet haben und deren Regierungen nicht schon in der Vergangenheit ihre Versprechungen gebrochen haben. Eine solche unabhängige Kontrollinstanz muß unbequeme Fragen stellen. Sie wird aufdecken, dass die Risiken oft nicht richtig eingeschätzt werden. Die Vergabekriterien für Entwicklungshilfe bedürfen einer gründlichen Aufarbeitung. Auch sollte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Menschen nur durch Bildung, egal ob jemand ein Handwerk erlernt oder eine akademischen Ausbildung absolviert hat, sich etwas aufbauen und ein selbst bestimmtes Leben führen kann.
Volker Seitz ist Autor des Buches“Afrika wird armregiert“, dtv, 2009