Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 18.01.2008
Nach dem Nürnberger Medienrummel, der sich in vollendeter Selbstbezüglichkeit eine neue Eisbärenwaise schuf, drängen nun die Zoo-Gegner in die Öffentlichkeit. Sie deuten das hysterische Spektakel – für das die Zooleute nichts konnten - als symptomatisch für Zoos im Grundsätzlichen. Schafft die Zoos ab, fordern sie. Einspruch! Als eifrige Zoospaziergänger möchten wir klarstellen: Zoos gehören zu den schönsten und nützlichsten Institutionen dieses Landes (und es wären so ziemlich die letzten, die man abschaffen sollte).
Die Erhaltung seltener Tiere in Zoos laufe schlecht, argumentieren die Kritiker. Tiere seien im Zoo ihrer natürlichen Umwelt beraubt, vom Kampf ums Dasein befreit und somit irgendwie gar keine Tiere mehr sondern entfremdete Artefakte. Da liest sich alles schön gebildet an und stimmt auch teilweise.
Doch Zoos sind nur in zweiter Linie Stätten der Arterhaltung und der Forschung. Zoos sind große abendländische Kultur. Ja, sie haben eine dunkle Seite aus Kolonialismus, Ausbeutung und Tierquälerei. Doch welche kulturelle Einrichtung vom Museum bis zur Kathedrale ist unschuldig? Zoos ziehen weitaus mehr Menschen an als Opernhäuser und sogar als Fußballstadien und erfüllen einen Bildungsauftrag, der durch nichts zu ersetzen ist. Bei Millionen Stadtkindern erwacht die Liebe zur Natur im Zoo (auch bei denen, die später Zoos abschaffen wollen). Nur die wenigsten können sich als Erwachsene dann leisten, Tiere in freier Wildbahn zu beobachten (und wenn sie es tun, werden sie als störende Touristen beschimpft). Also keine Tiere betrachten, oder nur im Fernsehen? Ein Kaminfeuer auf Video wärmt nicht wie echte Flammen.
Die Abschaffung der Zoos wird seit etwa drei Jahrzehnten gefordert. Wir hatten gehofft, das hätte sich langsam erledigt, so schön wie die meisten Zoos mittlerweile geworden sind. Besonders in den Achtzigerjahren zeigten unzählige Zeitungsartikel, Filme und Bücher Elefanten in Ketten, Affen die ihre dürren Ärmchen durch Gitter strecken oder Bären die stereotyp ihren Kopf hin und her schwenken. Seither wurden die meisten Tierparks kräftig umgebaut. Aber auch heute findet ein geschickter Fotograf immer noch genügend Mitleid erregende Bilder.
Es ist vermutlich kein Zufall, dass die Zookritik in den Siebzigerjahren aufkam. Davor fanden auch glühende Tierfreunde nichts dabei, dass Tiger auf ein paar Quadratmetern Kachelboden hausten. Dieses Nicht-Wahrnehmen hing vermutlich damit zusammen, dass es damals auch in den Wohnungen der Menschen recht eng zuging. Das Kriegs- und Nachkriegselend war noch frisch im Gedächtnis. Haltungsbedingungen von Zootieren wurden bestenfalls unter dem Gesichtspunkt der Hygiene diskutiert. Löwen und Affen waren nach damaliger Sicht gut untergebracht: trocken, warm und sauber. Sie hatten genug zu fressen und sogar tierärztliche Versorgung. Nach den Maßstäben der Zeit ging es ihnen bestens. Das Wort „artgerecht“ kam später auf. Dann aber war es sehr schnell in aller Munde und die Zooleute standen plötzlich als Tierquäler da.
Nichts gegen Kritik, aber abschaffen? Niemals! Die kürzeste und beste Begründung, warum Menschen Zoos brauchen stammt von dem Briten John Hartley, der für den Tierpark der Insel Jersey arbeitete. Als wir ihn nach dem Sinn von Zoos fragten, sagt er: „Es gibt keinen Ersatz dafür, Elefantenscheiße zu riechen.“