Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 28.03.2008
Die Schwarzgrüne Annäherung ist zur Zeit das Lieblingsthema der Meinungsmacher. Und vermutlich liegen Medien und Bevölkerung in diesem Fall gar nicht so weit auseinander. Viele Menschen sehnen sich nach mütterlicher Strenge, die das Land vor den Turbulenzen der Globalisierung und den Umwälzungen der Moderne schützt. Anti-Raucher- und Anti-Gentechnikgesetze zeigen die Richtung an: Der Staat dringt in Küche, Kneipe und andere ehemals private Räume vor. Mit immer mehr Regulierungen soll eine risikolose Zukunft festgezurrt werden. Die Lebensstile der Christlich-Konservativen und der Öko-Konservativen werden immer ähnlicher, man geht zum Homöopathen und schickt die Kinder in die Waldorfsschule. In den großen Kirchen, besonders der evangelischen, wird das schwarzgrüne Projekt seit langem praktiziert. Das Streben nach vermeintlicher Sicherheit ist zum Fetisch geworden. Die Neugier von Wissenschaftlern und Unternehmern steht unter Generalverdacht.
Dabei wäre es endlich an der Zeit einmal zu fragen, was denn die technophoben Blockaden der vergangenen Jahrzehnte gebracht haben? Ist dadurch irgendwas besser geworden? Gründer und Erfinder wurden vertrieben. Nicht nur Atomkraftwerke und Grüne Gentechnik sind ausgebremst, viele andere Technologien wurden um wertvolle Jahre verzögert. Darunter die medizinische (rote) Gentechnik, die heute vielen Tausend Menschen das Leben erleichtert oder gar rettet, aber auch Mobiltelefone, Heimcomputer, PET-Flaschen und vieles andere. Bis heute schwelgt die Industrienation Deutschland in blumigen Energie-Träumen. Kohle und Atomkraft sind zum Tabu erklärt, Öl und Gas werden immer teurer, Solartechnik ist noch nicht reif, Windkraft bringt wenig und neue Wasserkraftwerke zerstören die Natur. Eine rationale und ergebnisoffene Diskussion darüber ist öffentlich nicht möglich und die Fachleute haben sich längst in die Schmollecke zurückgezogen. Das Problem ist für jeden spürbar und steht mitten im Raum. Dennoch wird das deutsche Nein-Danke-Mantra weitergemurmelt.
Für alle die nicht mitmurmeln wollen, gibt es jetzt zumindest ein publizistisches Refugium der Aufklärung. Seit einigen Tagen liegt „Novo“ am Kiosk, ein Magazin mit dem Untertitel „Argumente für den Fortschritt“. Als eine Art zukunftsoptimistische Undergroundpostille in semi-professioneller Machart existierte das Blatt bereits seit etlichen Jahren. Jetzt will man raus aus der Exoten-Nische. Als wäre Deutschland in Aufbruchstimmung setzt die Redaktion auf Themen wie „Öko wird Großtechnik“ und „Lob der autonomen Unternehmensführung“. Es gibt Breitseiten gegen Anti-Atom-Aktivisten und Gentechnik-Paniker. „Wir schreiben,“ heißt es im Selbstporträt, „gegen selbstgefällige Volkserzieher, bürokratische Kleingeister, apokalyptische Rufer und neoreligiöse Moralisten. Uns interessiert, was Sache ist, und nicht, was das Stimmungsbarometer misst …Wir bieten Argumente für den Fortschritt und stehen für Freiheit, Vernunft und Humanismus.“
Weiter kann man sich vom schwarzgrünen Konsens kaum entfernen. Wer an der Börse Geld machen will, der müsse gegen den Strom schwimmen, empfahl André Kostolany. Der Weg zum Erfolg bestehe im „antizyklischen Handeln“. Antizyklisches Lesen kann in den Zeiten schwarzgrüner Kuschelsehnsüchte auch nicht schaden. Damit Fortschritt und Aufklärung nicht ganz in Vergessenheit geraten.