Es gibt kaum einen Politiker, der sagt, er sei gegen die Kulturförderung, sie solle gekürzt und das Geld lieber anderswie verwendet werden. Hingegen fordert jeder Politiker das Gegenteil und wird nicht müde, die Bedeutung der Kultur hervorzuheben und sich für ihre Finanzierung, nein: für die nachhaltige Sicherstellung ihrer Finanzierung, nein: für die Verstärkung und Erhöhung ihrer Finanzierung einzusetzen. Kultur ist also etwas, worüber sich alle prinzipiell einig sind. Das macht die Arbeit der parlamentarischen Enquête-Kommission zum Thema kultur außerordentlich streßarm und erfreulich.
Das macht sie aber auch verdächtig. Denn jede Art der Politisierung von Kultur führt weg von dem, was Kultur eigentlich ist. Kultur ist nämlich keine staatliche Veranstaltung und auch kein öffentlicher Dienst. Es stimmt zwar, daß ein guter Staat auch die Kultur fördert und schützt, aber wie das genau auszusehen habe, läßt sich gar nicht einfach bestimmen. Kultur ist eben nicht etwas, über das Lieferverträge abgeschlossen werden können, deren Erfüllung dann von irgend einer Stelle zu überwachen wäre. Kultur ist die gesamte geistige Befindlichkeit eines Volks oder einer Gesellschaft.
Deswegen muß man skeptisch sein, wenn sich Politiker wohlmeinend über die Kultur beugen und einen Bericht von 1200 Seiten schreiben. Man kann von Glück reden, daß es nicht 12 000 geworden sind, so groß wie die Begeisterung der Beteiligten für die Kultur mit großem K ist. Da findet sich unter insgesamt 460 Handlungsempfehlungen der alte Plan, Kultur als sogenanntes Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen; außerdem wird die Gründung einer Bundeszentrale für kulturelle Bildung angeregt sowie ein Wettbewerb um den originellen Titel „Kulturstadt Deutschland“ vorgeschlagen. Alles völlig überflüssige Projekte, die von administrativer Kraftmeierei geprägt sind.
Aber man braucht in Deutschland nur „Kultur“ zu sagen – und schon ist jeder dafür. Und so herrscht nicht nur Einigkeit unter Politikern, sondern auch in der Öffentlichkeit. Wer einer Enquête-Kommission zum Thema Kultur angehört, kann sicher sein, mit seinen Forderungen breite Zustimmung zu ernten. Übrigens besteht die Enquête-Kommission – in genauer Verkehrung der sonstigen Verhältnisse im Bundestag – zu zwei Dritteln aus Frauen. Noch eine feine Sache, die man nicht kritisieren möchte.